Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ eine Hoffnung tauchte in ihm auf, die er sich im nächsten Augenblicke jedoch zum Vorwurf machte; aber dennoch blieb sie: Margret konnte bald sterben. Dann wollte er auftreten mit seinen Ansprüchen – aber dann, wie vieles konnte sich geändert haben bis dahin? Würde Katharina dann nicht längst ihn vergessen haben? – Er drückte schluchzend sein Gesicht in die Kissen. Dann bestürmte ihn ein anderer Gedanke: War er nicht vielleicht Katharinen, ihrer Liebe zu ihm, schuldig, daß er hervortrete und ein Geheimnis enthülle, von dessen Entdecken vielleicht auch ihr Glück abhing? – Ach Gott – war er ihrer Liebe sicher? War er nicht ein Tor, ein vermessener Geck, den sie mit ihrem Zorn, ja mit ihrer Verachtung bedräut, wenn er es sich einfallen lassen würde, zu glauben, sie liebe ihn anders, wie ihn eine Verwandte lieben würde? Sie war so kalt und stolz an ihm vorübergeritten – Bernhard sank in seine Verzweiflung zurück, als er daran dachte. Aber sein Entschluß stand fest und unerschütterlich. Er wollte seine Pflicht tun gegen die, welche ihm das Leben am nächsten gestellt. Er wollte fürs erste abwarten, ob der Mensch, der ihn in der Entenhütte aufgesucht, ihm die Papiere nach dem Ablauf der versprochenen Zeit übergebe; wenn nicht, wollte er sich selber auf den Weg machen, um sie in Sicherheit zu bringen.

      Der Morgen dämmerte. Bernhard hatte sich erhoben und schritt in seinem Zimmer auf und ab; als die Sonne emporstieg und ihre ersten Strahlen durch das Fenster in sein blasses, resigniertes Gesicht fallen ließ, hörte er Margret rufen. Lenes Stimme antwortete nicht wie sie pflegte, wenn Margret um diese Zeit nach ihren Dienstleistungen verlangte. Er ging, um Lene zu wecken – aber ihre Kammertür stand offen, Lene war fort; ein Teil ihrer Habseligkeiten war mit ihr verschwunden, der andere lag in ein Bündel zusammengeschlagen auf ihrem Tische.

      »Was habt ihr miteinander gehabt?« fragte Margret, als sie es hörte, mit einer scharfen und etwas zornigen Betonung, während sie Bernhard scharf ins Gesicht sah.

      »Nichts, Mutter!«

      »Nichts? Solch ein Nichts ist eine hinreichende Antwort; geht, ich will aufstehen, setzt mir erst den Schemel hierher vors Bett, so ! – Es ist vielleicht gut, daß die Dirne fort ist«, murmelte sie, als Bernhard aus der Kammer war.

      Bernhard war es schwer geworden, das Wort Mutter über seine Lippen zu bringen. Alles kam ihm verändert vor, tot und öde um ihn, Margret fremd und kalt, das Haus wie ausgestorben; es war ihm krank zumute. Die acht Tage, binnen welcher Wendels wiederkommen wollte, schlichen so träge an ihm vorüber, wie ebensoviele Monden; er war jeden Abend an der Waldkapelle oben – aber Wendels kam nicht; weder von ihm noch Lene war eine Spur zu entdecken.

      Sechstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Der Scherenschleifer hatte Bernhard die Aushändigung der Briefschaften versprochen, als Preis für eine Art Verzichtleistung auf die Tochter seines Stammes, die nun selber in ihr heimatliches Gebiet, in das Reich der Waldungen und Gebirgsschluchten zurückgekehrt schien, worin jener regierte. Was war natürlicher, als daß er jetzt an nichts weniger dachte als daran, ein Versprechen zu erfüllen, bei dem er kein Interesse mehr haben konnte«? Bernhard entschloß sich deshalb, nach Bechenburg zu reisen, um nach Lenes Anweisung sich in den Besitz der für ihn so wichtigen Papiere zu setzen; er war nur noch unentschieden darüber, mit welchem Vorwande er Margret diese Reise begreiflich machen könne, und wanderte eines Abends – es mochten vierzehn Tage nach der Nacht von Lenes Verschwinden hingeflossen sein – mit diesem Plane beschäftigt durch das Tal, welches sich hinter dem Dörfen Kraneck nach Westen hin ausdehnte. Er war oben bei der Kapelle gewesen; jetzt schritt er hinab bis an das Ufer des Sees, der in der Mitte des Tales lag und von einem Bache gespeist wurde, welcher höher im Gebirge entspringend, zwischen schilfbewachsenen, ziemlich morastigen Ufern sich der Wasserfläche zuschlängelte, dann seinen Lauf weiter fortsetzte und das überflüssige Wasser des Sees durch die Schlucht, die das Tal öffnete, aus dem letzteren fortführte. Ein Steg für Fußgänger leitete hinüber; sonst war das Tal dadurch in zwei Hälften abgetrennt, da eine eigentliche Brücke nur in dem Dorfe sich befand. Bernhard stand auf jenem Stege und schaute in das zuckende Spiegelbild der Sonne, das golden auf der Wasserfläche vor ihm lag, bald vorwärts, bald rückwärts schießend, wie eine am Himmel vorüberziehende Wolke die Strahlen abschnitt oder frei ließ. Plötzlich zog ein »Holla? Hoho!«, das aus der Ferne klang, seine Aufmerksamkeit ab. Er schaute in der Richtung aus, woher der Ruf gekommen; es war zu seiner Linken, etwa in der Mitte zwischen ihm und dem in der Entfernung einer starken Viertelstunde vor ihm liegenden Dorfe – ein Mensch lief und rannte, sprang über Hecken und Zäune, immer querfeldein, in gerader Richtung auf den See zu; hinter ihm drein zwei Reiter, die wie in toller Jagd der Richtung folgten, die der Flüchtling nahm, ihm oft hart an der Ferse waren, dann aber wieder ihm einen bedeutenden Vorsprung lassen mußten, wenn er über einen Wall oder einen Graben sprang, über den ihre Pferde nicht wegzusetzen vermochten, so, daß sie auf Umwegen umhergeführt werden mußten. Auch hatte der Flüchtige den Vorteil, daß er leicht über die Schollen der frischgepflügten Aecker fortrannte, während die Pferde nur mit Mühe darüber wegkamen und fortwährend strauchelten.

      »Ha, sie haben ihn!« rief Bernhard, der sich auf seinem Stege auf die Zehen gestellt hatte und ausschauend den Hals reckte, »da, auf der Heide werden sie ihn einholen – nein, er wendet sich – er läuft in den Morast hinein – Viktoria! er steht bis an die Hüften im Wasser und lacht sie aus.«

      Der Flüchtling war fürs erste gerettet, denn die Reiter versuchten vergebens, ihm näher zu kommen, da ihre Tiere bei den ersten Schritten bis an die Knie in den Morast sanken, der den See umgab. Sie hielten und schienen zu ratschlagen; dann wandten sie, die fernere Verfolgung aufgebend, und ritten nun dem Dorfe zu. Der Mensch im Wasser hatte die Arme untergeschlagen und schaute ihnen nach; als sie hinter den ersten Häusern verschwanden, blickte er spähend um sich und schritt weiter durch das Wasser, dem andern Ufer zu. Bernhard ging von seinem Steg herunter, bis zu der Stelle des Gestades, die dem Fremden gegenüber lag; es war halb Neugier, halb Teilnahme für den gewandten Ausreißer, was ihn näher zog. Dieser hielt in seinem Waten inne, um ihn angestrengten Auges zu betrachten; dann stieß er einen Ruf aus und winkte mit der Hand, wie, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Bernhard erkannte ihn an diesem Rufe; es war Wendels.

      Der Scherenschleifer mochte etwa hundert Schritte noch vom Ufer entfernt sein, als er sich niederbeugte und die Arme zum Schwimmen auseinanderschlug. Es war die schmalste Stelle des Sees und zugleich die tiefste, an der er übersetzte; aber Wendels schien ein geschickter Schwimmer, denn er kam rasch vorwärts, als er plötzlich einen heftigen, schrillen Schrei ausstieß und mit den Armen über dem Kopf in der Luft umherfocht – ein heftiges Umsichgreifen, ein Arbeiten mit den Händen und den gespreizten Fingern – dann sanken sie – immer tiefer – schnellten wieder auf, das Haar seines Kopfes tauchte wieder empor – er verschwand im selben Augenblicke; das Wasser schäumte und spritzte auf, dann begann es seine Wellen in lange Kreise auszudehnen, und an der Stelle, wo der Schwimmer versunken, war es nach einigen Augenblicken wieder spiegelglatt.

      Bernhard hatte kein Auge hierfür, denn in dem Augenblicke, in dem er die Gefahr des Schwimmenden erkannte, den augenscheinlich ein plötzlicher Krampf gefaßt hatte, war er in das Wasser gesprungen, um ihm zu Hilfe zu kommen. Aber er war ein schlechter Schwimmer, und wenn ihn jetzt seine Herzensangst auch die gewaltsamsten Anstrengungen machen ließ, so gelang es ihm doch nicht, tief und lange genug unterzutauchen, um den Versunkenen zu erfassen. Er stieß einen wehklagenden Hilferuf aus, tauchte noch einmal hinab und wieder auf, um nach Luft zu schnappen – noch einmal – nein, die Tiefe hielt ihr Opfer fest. Er eilte nun zum Dorfe und rief hier zusammen, was ihm zuerst begegnete; ihm selbst war es jedoch nicht möglich, mit diesen Leuten zum See zurückzugehen; er fühlte sich in seinen durchnäßten Kleidern zu Eis erstarren, seine Glieder versagten ihm den Dienst und, als er am Herde seiner Wohnung stand, sank er vor den Augen der erschrockenen Margret in Ohnmacht.

      Der Verunglückte wurde erst nach drei Tagen aufgefunden. Man verscharrte ihn, fern СКАЧАТЬ