Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ sehr anmutigen Stellung, welche die vollen und edel geschwungenen Formen ihrer Gestalt hervorheben mußte, lehnte sie in der Fensterbrüstung, drückte die Stirn an eine der Scheiben und blickte mit der Schwermut einer verkannten Seele in die düstere Nacht hinaus, wobei sie den Vorteil genoß, in der Scheibe zugleich einen den Lichterglanz der anstoßenden Räume zurückwerfenden Spiegel zu haben, so daß ihr nicht entgehen konnte, wenn vielleicht einer der Herren in das Zimmer treten würde, um wie bezaubert stehen zu bleiben und in den Anblick ihrer Gestalt zu versinken. Aber niemand kam, und Josina wurde von der Langeweile nach einer Viertelstunde wieder aus dem Boudoir getrieben, um die Erfahrung reicher, daß die Herren doch oft wahre Klötze seien.

      Unterdes hatte der Ball begonnen; Josina sah, als sie wieder in den Saal trat, wie Herr von Schemmey Katharinen in die Reihe der Tänzer führte, dann aber ward ihren Blicken eine andere Richtung gegeben, durch einen sehr verbindlichen Herrn, der schon etwas ältlich war, aber noch ganz gewandte Manieren hatte. Er hatte keine Partnerin gefunden und sich resigniert an einen Kamin gestellt; jetzt trat er, erfreut, eine noch unaufgeforderte Dame zu sehen, mit einem: »Kann ich die Gnade haben?« auf sie zu.

      Josina hatte die Gnade, worüber der schon etwas ältliche Herr eine große Freude an den Tag legte.

      Als Fräulein von Katterbach das Gesicht ihres Partners ansah, kam ihr dasselbe bekannt vor; sie wußte übrigens nicht gleich, wo sie es schon gesehen habe und hatte auch in diesem Augenblick keine Lust, darüber nachzudenken. Der Herr war sehr gesprächig, sehr unterhaltend und lebhaft, aber tanzte ziemlich altfränkisch und geziert, so daß Josina nicht recht mit ihm im Takt bleiben konnte; endlich bemerkte sie ihm, daß sie glaube, es sei in Beziehung auf die spätere Ermüdung ratsamer, immer nur drei Pas zu machen und nicht fünf, wenn man mit drei Pas auskommen könne. Der Herr zog sein seidenes Tuch hervor und wischte sich die Stirn: »Sie haben ganz recht, meine gnädige Frau, aber –«

      »Ich bin noch nicht verheiratet«, fiel Josina etwas pikiert ein.

      »Bitte tausendmal um gnädige Nachsicht, aber ich habe nicht die Ehre gehabt, Ihnen vorgestellt zu werden«, sagte der ältliche Herr mit einer tiefen Verbeugung.

      »Ich bin das Fräulein von Katterbach zu Diependahl.«

      »Katterbach!« schrie der Herr auf, fuhr einen Schritt zurück und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen: »Das mußte mir begegnen! O superi!«

      Der Herr war niemand anders als der Blumenschäfer von der Pegnitz, welcher der Säuberliche hieß und den Grundsatz hatte, daß man sich nicht unnütz in Gefahr begeben müsse, niemand anders als Herr von Driesch.

      Als er die fürchterliche Entdeckung gemacht hatte, daß es die Schwester seines Todfeindes war, die er am Arme gehalten, durchlief ihn ein kalter Schauder; aber nachdem er jene Worte so laut ausgestoßen hatte, daß die Gesellschaft plötzlich innehielt, um zu schauen, welches Ereignis einen solchen Schrecken bei einem ihrer Mitglieder hervorgebracht habe, faßte er sich, so gut es ihm möglich war. Er besann sich, daß er keinesfalls die Gesellschaft durch eine unschickliche Szene beleidigen dürfe, und indem er Josina eine Verbeugung machte, sagte er: »Mein verehrtestes Fräulein, ich kann nicht mehr tanzen, ich – ich habe mir den Fuß verstaucht.« Herr von Driesch streckte seinen rechten Fuß aus, der sich in einem feinen seidenen Strumpfe und , mit einer glänzenden Brillanten- Schnalle geschmückt ganz reputierlich ausnahm, und dann setzte er hinzu, indem ein helles Rot des Ingrimms sich über sein Gesicht verbreitete: »Ja, diesen Fuß habe ich mir verstaucht – in der Wolfsfalle!«

      Er stampte den Fuß nun heftig auf den Boden, daß dieser dröhnte, warf einen Blick, lodernden Zornes auf die unglückliche Josina und zog sich, Verwünschungen murmelnd, an seinen Kamin zurück.

      Der Tanz war unterbrochen, die Gesellschaft drängte sich mit den Ausdrücken des Staunens, der Ueberraschung und der Teilnahme um das verlassene Fräulein; Katharina trat unterdes in das leere Nebenzimmer, wo sie, wie nach einer großen Ermüdung tief aufatmete und sich auf ein Sofa warf. Herr von Schemmey folgte ihr.

      »Wie, Sie sind nicht bei Ihrer Braut, die Ihres Armes bedarf, ritterlicher Mops d'Or und Ordensherold?« fragte ihn Katharina, indem sie mit vieler Freundlichkeit ihren Anbeter anlächelte.

      »Meine Huldgöttin, Sie machen mir einen Vorwurf daraus?«

      »Es ist gut, daß Sie das Huldgöttin mehr betonen als das meine, um der Phrase das Schmeichelhafte zu lassen,« versetzte Katharina mit einem ironischen Blicke.

      »Wollen Sie nicht meine Huldgöttin sein?«

      »Merken Sie sich eins, Herr von Schemmey,« sagte Katharina, indem sie verlegen werdend sich abwendete: »Sie kennen uns Frauen nicht, wenn Sie glauben, die leichte Tändelei des gesellschaftlichen Verkehrs befriedige uns; eine wirkliche Schmeichelei liegt für uns nicht in Phrasen, sondern in dem tatsächlichen Beweis, daß wir Achtung und Freundschaft eingeflößt haben. Und lassen Sie mich es geradezu gestehen, um in der Offenheit Ihnen mit dem guten Beispiele voranzugehen – Sie werden es ohnehin oft genug gehört haben, die Neugierde ist unsre stärkste Triebfeder; aus diesen Gründen kommt es, daß wir vor allem andern Vertrauen fordern.«

      »Ich weiß nicht, was ich verantworten soll,« entgegnete Herr von Schemmey, »wenn nicht allenfalls, daß ich mir vorkomme wie ein Pinsel.«

      »Sehen Sie,« sagte Katharina lächelnd, »diese Offenheit ist es, was ich von Ihnen erwarte. Kommen Sie jetzt, man vermißt uns sonst.« Sie stand auf und ordnete etwas an ihrem Kopfputz vor dem Spiegel, der über dem Kamine des kleinen Raumes hing.

      »Kennen Sie den Herrn, der eben Ihre Braut beleidigte?« sagte sie dann, gleichgültig hinwerfend, aber die Züge seines Spiegelbildes im Auge behaltend.

      »Ach Gott, nein; es ist mir höchst fatal; ich werde mich mit ihm schlagen müssen.«

      »Sie haben ihn früher weder bei Tage noch bei Nacht gesehen?«

      »In meinem Leben nicht; weshalb fragen Sie so scharf nach?«

      »Gehen Sie jetzt, wir haben sonst Neckereien zu erwarten.«

      Herr von Schemmey ging; wenn er sich vorgekommen war wie ein Pinsel, so mußte dies Gefühl wenig Beunruhigendes für ihn gehabt haben, denn als er sich wieder in die Gesellschaft mischte und sich nach seinem Fräulein Braut umzusehen ging, war er in der vollständigsten Triumphatorlaune und fest entschlossen, zu den übrigen, unleugbar nicht gemeinen Vorzügen seiner Person jetzt auch die Tugend der Offenheit in einem möglichst bezaubernden Grade hinzuzufügen.

      Katharina trat ebenfalls wieder in den Saal und näherte sich nach einer Weile Josinen mit einer freundlichen Frage nach ihrem Befinden.

      »Mein Befinden ist sehr gut, Fräulein von Plassen- stein,« versetzte Josina; »ich kann sagen, daß ich mich außerordentlich wohl befinde; die Heiterkeit ist mir immer so sehr zuträglich.«

      »Also, Sie sind so heiter; nun, das ist mir so erfreulich zu hören, wie es für unsre gütige Wirtin schmeichelhaft ist.«

      »Ach, ich bin außerordentlich – ha, ha, ha! – ich bin ungemein heiter.« Sie versuchte so laut zu lachen, wie es nur die Schicklichkeit erlaubte. »Finden Sie nicht auch,« setzte Josina hinzu, »daß es sehr spaßhaft ist, wenn man sich im stillen über die Lächerlichkeiten ganz hochmütiger Personen amüsieren kann, ganz außerordentlich hochmütiger, falscher, neidischer, miserabler, boshafter Personen?«

      »Es ist mir etwas durchaus Neues, daß miserable, boshafte, neidische Personen lächerlich seien; mir sind sie ekelhaft, und ich lasse sie unbeachtet ihrer Wege gehen.«

      Katharina СКАЧАТЬ