Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ es wird gerade dasselbige sein, wenn nicht noch mehr; probieren Sie nur!«

      Bernhard hatte Mühe, von dem Unkler roten, von dem ein Schoppen mindestens so viel Heilkraft haben sollte wie ein Eßlöffel voll Madera, sich zu befreien. Der Vikar trank endlich das Glas selber aus, wobei er mit großem Unmut sagte: »Auf Ihr Wohlsein; aber gesund werden Sie Ihr Lebtage nicht wieder, wenn Sie nicht besser Rat annehmen.«

      Fürs erste schien Herr Gerhards recht zu behalten. Bernhard ward zwar eigentlicher Gefahr bald entrückt, aber die frühere Gesundheit wollte nicht wiederkehren; es schien eine völlige Mutlosigkeit über ihn gekommen, die alle seine Kräfte niederdrückte. Er fühlte sich verwaist, in einer toten Oede um ihn her. Seine Gedanken erlahmten, seine Gefühle irrten schwankend umher, ohne daß er sie zu lenken vermocht hätte; sie zogen dahin, von wo er sie mit aller Macht seiner Seele hätte zurückreißen mögen – zu ihr; und sie – sie hatte ihn vergessen und ließ ihn ratlos und hilflos in dem Kampf mit dem Siechtum seines Lebens unterliegen.

      An der Stelle, wo die Bauern den verunglückten Anführer des heidnischen Nomadenvolkes, das in ihren Wäldern hauste, begraben hatten, sah man mehrere Tage nachher ein Kreuz aufgerichtet, das freilich von einer sehr kunstlosen Hand mit einigen rostigen Nägeln zusammengezimmert war, aber mit einem vollen und schönen Immortellenkranz die Mängel seiner Konstruktion bedeckte. Einige wollten auch abends jemanden sich dort umherbewegen gesehen haben, eine Gestalt, die bald wie eine Säule still gestanden, dann heftig sich auf und ab bewegt habe. Aber niemanden hatte Interesse an dem toten Heiden oder den klagenden Genossen seines Stammes zu näherer Untersuchung veranlaßt, wer es sein könne, der ein so unpassendes Symbol über seinem Grabe aufgerichtet habe.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Wir kehren zur Residenz zurück.

      Die unbekannte Person, welche bei dem Stiftsfräulein von Plassenstein eingeführt zu werden verlangt hatte, trat in das Zimmer, in dem wir oben Katharinas Bemerkungen über den steigenden Chinesismus ihrer Zeit und ihre Pläne mit dem fruchtbringenden Herrn von der Schäferzunft belauschten. Es war ein junges Mädchen, noch blutjung, aber mit einem blassen, ernsten und sprechenden Gesichte, das an das Sprichwort: »Stille Wasser sind tief!« zu erinnern geneigt war. Sie war hübsch, aber um sie schön zu finden, hätte man einen besonderen Geschmack für jenes orientalische, dunkle, brennende Kolorit und die Symptome verhalten kochender innerer Leidenschaftlichkeit haben müssen, die sich hier wohl durch den Einfluß eines nördlichen Klimas und vielleicht auch niederdrückender und zurückhaltender Erziehung gemildert, aber nicht ganz verwischt und ausgetilgt zeigten.

      »Was willst du von mir, Kind?« fragte Katharina freundlich und nicht recht wissend, was sie aus der Eintretenden zu machen habe, deren Anzug den Schnitt der gewöhnlichen Bauerntracht, aber dabei eine ganz außergewöhnliche Nettigkeit hatte.

      Die Fremde antwortete nicht; sie legte die Hände über dem Schoß zusammen und sah mit funkelnden Blicken Katharina an.

      »Du bist gewiß die Tochter eines Försters oder Vogtes vom Lande? Du willst einen Dienst bei mir suchen? Sei nicht so ängstlich; sprich nur, Kind.«

      Lene – denn sie war es – setzte sich auf ein Taburett, das am Fenster stand, und blieb fortwährend stumm.

      »Bist du gekommen, mich anzusehen?«

      »Ja,« sagte das Mädchen mit einer Stimme, die von irgendeiner verhaltenen Bewegung zitterte; »ich bin gekommen, um Euch ein paar Worte zu sagen und zu sehen, wie Ihr dabei ausseht.«

      Ein wunderliches Geschöpf, dachte Katharina; sie sieht aus den Augen, als wäre sie geisteskrank. – »Nun, und die paar Worte sind?« fuhr sie lauter fort.

      »Daß Ihr eine sehr schöne Dame seid und daß ich Euch alles Glück zu Eurem schönen Schatz wünsche.«

      Katharina stand im Begriffe, die Klingel zu ziehen, um durch einen Lakaien die Wahnsinnige fortbringen zu lassen.

      »Wartet einen Augenblick, ich bin nicht zu Ende,« sagte Lene, sich erhebend; »ich will Euch nur noch sagen, daß Euer Schatz ein Schuft ist, ja, ein Bösewicht, ein Räuber, ein Mörder, ein Betrüger!« schrie sie mit einer ausbrechenden Wut auf, die ihre ganze Gestalt erschütterte.

      »Tolles Ding, wer bist du? Was willst du?«

      »Ich will mich rächen an Euch, denn Ihr verdient es; ich habe geglaubt, Ihr müßtet eine Heilige sein, aber Ihr seid nichts als ein leichtsinniges Weib, und während Ihr dem einen das Herz brecht, habt Ihr Euch an den andern gehängt, der ein Betrüger ist. Euer Herr von Schemmey, von dem man sagt, daß Ihr ihn seiner Braut abgelockt habt und daß er mit Euch verlobt sei, ist ein Betrüger; ich will Euch sagen, wer der rechte Schemmey ist: Kennt Ihr den Sohn der alten Margret Fahrstein? Nein, Ihr kennt ihn nicht mehr, Ihr habt ihn vergessen! Er liegt krank, und Ihr kümmert Euch nicht, wo und wie!«

      Katharina sank bleich werdend in einen Sessel, sie bemühte sich, einen Strom von Tränen zurückzuhalten, der aus ihren Augen drang, und wendete das Gesicht von Lene ab, um den Schmerz, der sich darauf ausprägte, vor ihr zu verbergen. Lene glaubte, der Dolch ihrer Erbitterung, den sie der Nebenbuhlerin geschliffen, sei ihr ins Herz gedrungen, sie fühlte eine innerlich in ihr aufjauchzende Freude, und um nichts zu unterlassen, was ihn tiefer und fester hineinstoßen könne, fuhr sie in demselben Tone zu sprechen fort: »Er wird vor Gram und Kummer sterben, während Ihr mit dem Elenden, der ihm seinen Namen, seine Güter und alles, wodurch das Leben für ihn Wert haben kann, abgestohlen hat – spaßt und jubelt und Eure Eitelkeit nährt: ein gutes Paar zusammen, denn wenn er Güter und Briefschaften stiehlt, die ihm nicht gehören, stehlt Ihr Euch einen Liebsten, der Euch nicht gehört.«

      »Schweig', freches Geschöpf!« fuhr Katharina auf. Dann bezwang sie ihren aufkochenden Zorn; sie sah ein, daß dieses dreiste Mädchen im Besitz von Geheimnissen sei, für deren Enträtselung Katharina ihr halbes Leben gegeben hätte. Es kam darauf an, sie ihr zu entlocken. Katharina sann darüber nach, wie sie dies bewerkstellige, ob sie offen mit ihr sprechen und ihre Gefühle, Ahnungen und Vermutungen mitteilen solle, die sie vor der ganzen Welt verborgen hielt, oder ob sie die Verstockte spielen müsse; – das letzte war augenscheinlich das Beste. Die Fremde war gekommen, sie zu beleidigen und zu kränken; ein Mißlingen dieser Absicht mußte sie immer ärgerlicher, immer redseliger machen, um ihren Zweck zu erreichen. Katharina nahm deshalb alle ihre Kraft zusammen, um ruhig zu scheinen, und sagte stolz; »Wie kannst du glauben, daß ich auf dein Geschwätz achte! Du bist einem Irrenhause entlaufen, Mädchen, und ich will dich dahin zurückschaffen lassen.«

      »Einem Irrenhause? Geschwätz? Nun so hört, ob das, was ich Euch sage, wie irres Geschwätz lautet. Ich bin ein Scherenschleifermädchen, das –«

      »Das hätte ich gleich erraten können,« sagte Katharina kalt.

      »Das bei der alten Fahrstein aufgewachsen ist,« fuhr Lene ruhig fort. »Diese Frau hat Beweise gehabt, daß der, den sie für ihren Sohn ausgibt, der jüngste Sohn eines Herrn von Schemmey sei; ich habe sie gefunden, es waren mehrere Papiere, und weil ich der alten Margret nicht traute, hab' ich sie an einer sichern Stelle in dem Hause Bechenburg geborgen, um sie zu rechter Zeit ihrem Eigentümer zu geben. Wir mußten von Bechenburg fortziehen. In der Gegend, wohin wir zogen, kam der Anführer meiner Stammesgenossen zu mir und warb um meine Hand; ich habe sie ihm nicht versagen wollen, aber vor meiner Einwilligung legte ich ihm auf, die Papiere, welche ich der alten Frau genommen, aus dem Hause des Herrn von Driesch zu holen und sie dem angeblichen Sohne der Verwalterin sicher zu übergeben. Es gelang ihm; er stahl sich unvermerkt СКАЧАТЬ