Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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»Aber, meine liebe Therese,« sagt die Frau des Hauses, aus einer Gruppe von Herren, die sie umgeben hat, zurückschlüpfend und drei zusammen plaudernde Damen unterbrechend, »wir müssen durchaus eine bevollmächtigte Ambassade absenden, um Katharina holen zu lassen; die Herren zetteln sonst eine Verschwörung an, es herrscht eine dumpfe Gärung unter ihnen, die im Begriff steht, in helle Flammen des Aufruhrs aufzubrechen.«
»So wollen wir Herrn von Schemmey absenden,« sagte die Angeredete, eine kleine dicke Dame mit schmalen, verschmitzt lächelnden Augen, welche Stifterin und Präsidentin des Mopsordens war, »gib einmal acht, was die Katterbach für Augen machen wird; hast du ihren Kopfputz schon betrachtet? Er ist wie der babylonische Turm, ein unvollendetes Wunder der Welt«, setzte sie flüsternd hinzu.
»Die hängenden Gärten der Semiramis, aber im Spätherbst«, sagte eine dritte Dame.
»Herr von Schemmey!« rief die erste lauter.
Herr von Schemmey näherte sich der Gruppe, machte eine Verbeugung und sprach in einer Stellung, die zwischen militärischer, liniengerader Steifheit und anmutiger Nachlässigkeit etwas unsicher hin und her schwankte.
»Was befehlen Sie, meine Gnädigsten?«
»Meine Freundin Therese will sich an Ihrem Anblick erfreuen; sie behauptet, Sie könnten so außerordentlich schön stehen, Herr von Schemmey.«
»Sehr verpflichtet, Frau Gräfin.«
»Aber diesmal will ich Sie nicht allein stehen sehen, sondern Sie sollen auch gehen«, hob die Ordenspräsidentin an.
»Nur nicht aus ihrer bezaubernden Nähe, meine Grazien.«
»Aber wir sind, unser vier,« warf die jüngste Dame ein, die noch nicht gesprochen hatte; »es gibt nur drei Grazien!«
»Welche die Venus umgeben«, sagte Herr von Schemmey.
»Das ist abscheulich von Ihnen, da werfen Sie den Zankapfel der Eris zwischen uns, wer Venus ist! Und Sie stehen ganz ruhig da, in dem sicheren Bewußtsein, daß niemand nahe, der Ihnen den Apoll streitig machen könnte.«
»Ich bewundere Ihre mythologischen Kenntnisse«, sagte der Apoll in der prachtvollen Lockenperücke und dem kaffeebraunen, gestickten Rock, der niemand anders war als der lustige Leutnant, den wir auf Diependahl kennenlernten, der Hoch- und Wohlgeborene Freiherr des heiligen römischen Reiches. Er war in die Residenz gekommen, um sich in seinem neuen Glanze zu sonnen und um der Langeweile des stillen Gutes im Bergischen zu entgehen, wie er sagte, um seine Braut in die Welt einzuführen und sie eine Badekur in den Düften der feinen Sitte gebrauchen zu lassen, die ihm selber nebenbei auch nicht schaden konnte.
Der Freiherr fuhr mit der Hand nach seiner Oberlippe und ließ sie gleich wieder sinken, weil nichts mehr da war, das er hätte in Kräusel drehen können; der prachtvolle Schnurrbart war der Badekur gewichen.
»Herr von Schemmey, Sie sollen sich zu Fräulein von Plassenstein begeben und ihr den Wunsch der Gesellschaft vortragen, die sich nach ihrem Erscheinen sehnt«, sagte die Dame des Hauses.
»Sie sollen zu ihr gehen als Herold des Mopsordens, der einen Aufruhr seiner Untertanen befürchtet«, fiel Gräfin Therese ein.
»Als Ordensheld, als Toison d'Or!« sagte die jüngste Dame.
»Nicht als Toison; d'Or, als Mops d'Or«, verbesserte die Präsidentin.
»Bekleiden Sie mich mit dem Zeichen dieser Würde, erlauchte Großmeisterin.« Herr von Schemmey beugte sein linkes Knie.
Die Stifterin des Ordens – der, im Vorbeigehen gesagt, nichts als ein Damenscherz war, obwohl er zu jener Zeit viel zu sprechen machte – nahm ihren goldenen Mops ab und schlang ihn um den Nacken des Freiherrn von Schemmey. Die Gruppe vergrößerte sich; alle wollten sehen, wie Schemmey Ordensherold wurde.
»Es steht ihm sehr gut«, sagte einer der Herren.
»Sie sind zum Mops d'Or wie geschaffen, Schemmey«, lachte ein anderer.
»Sie sollten ihn auf Lebenszeit dazu ernennen, hochgebietende Dame vom Kapitel«, rief ein dritter sarkastisch.
Der Herold eilte unterdes, seinen Auftrag auszurichten. Nach einer Weile kam er wieder, auf seinem Gesicht einen leuchtenden Ausdruck der Genugtuung zeigend. An seinem Arme führte er Katharina von Plassenstein.
Sie begrüßte ihre näheren Bekannten unter den Damen, sie hörte die Anreden der sie umschwebenden, umsäuselnden Herren an und stand wie eine Königin in der Mitte dieses galanten Hofstaates, der übrigens sich etwas unzeremoniös um sie drängte. Nur Herr von Schemmey hatte unerschütterlich an ihrer Seite Posto gefaßt; die andern arbeiteten augenscheinlich darauf hin, ihn fortzuschieben, er aber mochte durchaus nicht einsehen, weshalb er nicht auch Katharinen bewundern lassen sollte, daß er so schön stehen konnte, wie die Dame des Hauses gesagt hatte. Unterdes hatte Josina von Katterbach von ihrem Taburett hinter einem Spieltische her, auf dem alles in Bereitschaft lag, eine sehr unterhaltende Partie zu machen, wären nur Partner für sie dagewesen – die ganze Gesellschaft zu beobachten, volle und ungestörte Muße. Sie war in einer sehr unangenehmen Gemütsstimmung. Seit dem ersten Abend, an welchem sie mit ihrem Verlobten dem Stiftsfräulein von Plassenstein vorgestellt war, hatte diese ihr sehr unliebenswürdig scheinende Dame ein Netz wohlberechneter Koketterien nach ihrem Bräutigam ausgeworfen, und wenn der letztere ihr bis dahin auch noch keine jener leidenschaftlichen Wallungen eingeflößt hatte, die das Glück der Liebe ausmachen sollen, so war sie doch nichts weniger als gleichgültig dahei. Herr von Schemmey war ihr wenigstens von diesem Augenblick an eine viel Aufmerksamkeit erheischende Person geworden. Und seitdem sie gesehen, daß jemand ihn ihr entreißen wollte, hatte sie beschlossen, ihn mit aller Gewalt festzuhalten. Es war ein stiller Kampf zwischen den beiden Damen ausgebrochen, und wenn Katharina auch die meisten Siege darin erfocht, so hatte doch Josina die Genugtuung, ihre Ansichten über die Nebenbuhlerin frei aussprechen zu dürfen und bei der Mehrzahl der anderen Damen ein williges Echo zu finden. Was sie aber am meisten ärgerte, war, daß die hochmütige Plassenstein sich ihr gegenüber stellte, als lebten sie beide im tiefsten Frieden miteinander, und daß sie immer mit der größten Freundlichkeit ihr entgegenkam. »Sie ist eine wahre Schlange,« sagte sie, »und mich soll wundern, wann Schemmey die Augen über das aufgehen werden, was allen Menschen so klar ist wie die Sonne.« Dem Freiherrn von Schemmey waren bis jetzt die Augen nicht aufgegangen; im Gegenteil, die Schlange schien ihn immer fester zu umringeln. Mit seinem liebenswürdigen Leichtsinn und in jugendlicher Offenheit für frische Eindrücke vergaß er seine Braut und umflatterte die Dame, die zu hoch von der Gesellschaft gestellt wurde, als daß ihre Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit für ihn nicht etwas unendlich Schmeichelhaftes gehabt hätte. Und als er gewahrte, daß sie die feinen und zierlichen Redensarten der anderen Kavaliere jedesmal ebenso fein und zierlich abtrumpfte, während sie seine natürlicheren Scherze immer mit vieler Nachsicht aufnahm, da war der Hoch- und Wohlgeborene Freiherr ein vollständiger Sklave. Es mochte ihm endlich ganz ernsthaft die Beobachtung sich aufdrängen, weshalb er denn Josina eigentlich durchaus und ohne Widerspruch heiraten müsse? Es konnte ihm wenigstens nicht entgehen, daß ihre Familie und sie selbst durchaus nicht in der unbeschränkten Achtung standen, deren die Plassenstein sich erfreut hatten, und daß ihn Katharina endlich in ganz andere Familienverbindungen bringen würde. Zwar stand ihm ein Vertrag mit Josinens Bruder im Wege; aber nach genauer Erwägung konnte er sich nicht verhehlen, daß er unrecht getan, ihn so rasch einzugehen und daß er durchaus keine bindende Kraft habe.
Als Josina ihren Verlobten wie für ewig in den Kreis gefesselt sah, der um ihre Nebenbuhlerin СКАЧАТЬ