Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 133

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ sich einen zu erobern!«

      »Da es bekannt ist, daß sie für dich bestimmt, wäre es seltsam gewesen, wenn ein anderer Mann sich ihr genähert haben sollte!«

      Franz schwieg wieder eine Weile. »Meine Tante,« sagte er dann, »ich bin bereit, in allem Ihren Willen zu erfüllen und auch die Partie mit Hedwig Wrechten in Überlegung zu ziehen; ich will gleich morgen nach Amelsborn übersiedeln – aber dann lassen Sie Marie Stahl hier! Wenn ich fort bin, liegt ja für Sie kein Grund mehr vor, das arme Geschöpf zu verstoßen.

      Der junge Mann brachte diese Worte mit dem Tone der äußersten Bitterkeit vor.

      »Ihr werdet nach Amelsborn ziehen, wenn ihr vermählt seid«, versetzte Gebharde streng und bestimmt. »Und das wird geschehen, sobald die nötigsten Einrichtungen dort getroffen sind. Ich werde sie beschleunigen lassen, damit alles in Ordnung ist, bevor vielleicht die Kriegsstürme über uns hereinbrechen, die schwarz und dunkel genug über uns hangen. Die Franzosen drängen, wie nur heute geschrieben wird, dem linken Rheinufer zu, und wenn sie erst so weit sind, werden wir sie leider bald genug auch hier haben.« »Sie wissen ja,« bemerkte Franz ironisch, »der tolle Philipp rüstet!«

      Frau Gebharde antwortete nicht darauf. Sie begnügte sich, ihrem Neffen anzudeuten, daß sie mit ihm an einem der nächsten Tage nach Ruppenstein fahren werde, um dort am Hofe mit ihm einen Besuch zu machen.

      Da Franz hierauf schwieg, erstarb das Gespräch.

      Die Gebieterin von Dudenrode versank eine Weile in tiefe Gedanken; dann erhob sie sich, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen. Sie befahl Franz, ihrer Jungfer zu klingeln, und verabschiedete ihn dann, indem sie ihm die Hand zum Kusse reichte. Franz entfernte sich. Es mochte etwa zehn Uhr sein, als er die Zimmer betrat, welche ihm in dem alten Gebäude zu seiner Wohnung angewiesen waren. Er stellte das Licht auf den Tisch im ersten Zimmer, dann verließ er es wieder, horchte lange auf den düstern und stillen Gang hinaus, der sich bis an das Ende des ganzen Flügels hinabzog, und schritt endlich so geräuschlos, wie es ihm möglich war, diesen Gang hinunter. Es war allerdings viel zu dunkel ringsumher, als daß ein Fremder hier noch irgend etwas hätte wahrnehmen können; aber Franz von Ardey schien hier eben kein Fremder zu sein, sondern selbst bei äußerster Dunkelheit ganz bewunderungswürdig genau Bescheid zu wissen; und so sah er denn auch zu seiner Linken eine Tür, wo ein anderer jetzt gewiß nichts von einer Tür bemerkt haben würde. Sie war aber doch da, so gewiß und richtig, daß, als Franz daran klopfte, ein »Herein« hinter derselben erscholl, und daß der junge Mann durch sie in ein wohnliches, guterleuchtetes, guterwärmtes und mit außerordentlich vielen Gegenständen erfülltes Zimmer treten konnte, welch letztere darauf deuteten, daß hier so etwas wie die oberste Zentralstelle und das Generaldirektorium eines ausgedehnten Haushalts sich befinde. Namentlich zeigten sich an den Wänden außerordentlich viel Schlüssel, die, mit Etiketten versehen, in drei langen Reihen auf einem großen schwarzen Brett hingen; außerordentlich viel ineinander geschachtelter Waschkörbe, aus deren oberstem ein Haufe blendend weißer Wäsche hervorschimmerte; außerordentlich viel schwerer, schwarzer Plätteisen, welche in einer Reihe auf einer Fensterbank standen und aussahen wie kleine dunkle Kriegsschiffe mit kriegerisch drohendem Schnabel, die, nachdem sie den Tag über in einer heißen Aktion gewesen, hier in Schlachtlinie vor Anker gegangen. Den Mittelpunkt dieses ganzen häuslichen Verwaltungsapparats bildete jedoch eine große Kaffeekanne von blaugeädertem Porzellan, die auf einem runden Tische in der Mitte der Stube stand und vor allen andern Kaffeekannen in der Welt die besondere Eigenschaft voraushaben mußte, daß sie sich durchaus nicht von ihrem Ehrenplatze auf dem Tische in der Mitte des Gemaches verdrängen und in irgendeinen Schrein einschließen ließ; wenigstens war es allen Bewohnern von Haus Dudenrode bekannt, daß sie den lieben langen Tag von morgens früh bis abends spät just hier und nirgendwo anders stand.

      An dem Tische mit dem hartnäckigen Kaffeegeschirr saßen zwei Frauen; die eine ist unsern Lesern bekannt; denn wenn auch ihre Züge einen andern Ausdruck tragen als in dem Augenblicke, wo wir sie zum ersten Male erblickten, wenn auch ihr Antlitz von einer tiefen Trauer überschattet ist und die Linien um ihren Mund und ihre schöne Stirn das Gepräge eines nagenden Kummers tragen, so ist das Antlitz Marie Stahls doch eins von denen, die, wenn man sie einmal im Leben erblickt hat, sich unauslöschlich dem Gedächtnis einprägen. Als Franz von Ardey eintrat, erhob sie das Haupt, welches sie auf ihren Arm gestützt gehalten; ein Blick voll tiefer Trauer und Wehmut flog ihm entgegen und senkte sich dann wieder; der junge Mann trat an sie heran, reichte ihr die Hand und sagte: »Gottlob! daß ich Sie allein finde, Marie!«

      Allein war sie nun freilich nicht; es war noch ein ganz stattliches, in seinen äußern Umrissen keineswegs derart und also, daß man es hätte allenfalls übersehen können, angelegtes weibliches Wesen da; und dieses Wesen zögerte auch keinen Augenblick, seine Gegenwart geltend zu machen.

      »Baron Franz,« sagte es, »Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie voraussetzten, wir wären vielleicht nicht allein? Gott soll mir beistehen, Baron Franz, wenn ich ihn jemals abends spät noch hier in meine Stube kommen lasse, den gottlosen Menschen, den Baptist; bei Tage, wenn er einen Auftrag von der gnädigen Frau hat, kann ich ihm meine Schwelle nicht verbieten, dann kommt er freilich ab und zu ...«

      »Und macht Ihnen den Hof, Frau Eckenscheid ... räumen Sie's nur ein ...«

      »I du liebe Zeit,« versetzte die korpulente Dame, »darauf bin ich nicht stolz – na, genieren Sie sich nicht und reden Sie nur mit der Marie, was Sie ihr noch zu sagen haben, vielleicht ist sie aufrichtiger gegen Sie, wie sie es gegen mir war, denn gegen mir war sie es nicht, und wenn ich eine Silbe davon verstehen tue, was das eigentlich für Geschichten sind, die da oben beim Baron Lactantius vorgefallen und wo die Marie doch dabei war, als es ausgebrochen ist, und wo der kranke Student, wie Baptist sagte, die gnädige Frau mit einem Holzscheid hat schlagen wollen, und wo der verwegene Mensch geblieben sein kann, wenn er nicht wie 'n Rauch zum Schornstein hinausgeflogen ist, so will ich nie nicht selig werden; aber ich bin eine alte Frau, Baron Franz, und Eckenscheid seliger sagte immer: »Deine Eltern haben dir einfach erzogen, Margareth, schlicht und recht, und viel gelernt, außer was das Hauswesen und die Kindererziehung und was die Leinewand angeht, hast du nicht, aber dir bescheiden stille halten, Margareth, das kannst du«, und was das anbetrifft, so hatt' er wohl recht, und wenn Sie jetzt der Marie noch etwas anzubefehlen haben, da sie ja morgen am Tage nach Hause reisen soll, weil ihr Vater, der arme Mensch, krank geworden ist, was immer eine Schickung des Himmels ist, besonders wenn einer mit die Getränke und die Herzstärkungen einen unvorsichtigen Lebenswandel führt, so will ich mir in meinen Eckstuhl setzen, und dann sind Sie ungeniert, Baron Franz.«

      »Tun Sie das, gute Eckenscheid«, sagte der Baron Franz, und ließ sie unbehindert ihren Vorsatz ausführen, sich mit einem wollenen Wamsungeheuer, an dem sie strickte, in eine Ecke zurückzuziehen, er hatte unterdes Mariens Hand in die seine gefaßt und seine Blicke tief in die ihren gesenkt.

      »Was tun wir, Marie?« sagte er jetzt mit einem tiefen Seufzer.

      »Was tun!« versetzte sie mit zitternder Lippe. »Was tun ... wie können Sie noch so fragen, Franz ... Wir müssen scheiden und uns vergessen!«

      Dabei barg das junge Mädchen ihr schönes Antlitz in ihren Händen und helle Zähren perlten durch ihre schmalen weißen Finger hindurch.

      »Marie,« sagte Franz, indem er eine ihrer Hände von ihrem Antlitz zog und einen leisen Kuß auf die rosigen Fingerspitzen drückte, »Marie, ich bitte Sie, sprechen Sie nicht so ... Vergessen – das ist ein frevelhaftes, sündliches Wort, das gegen Ihre Pflicht ist, denn Sie haben Pflichten gegen mich, Marie, Sie sind meine Braut, und Ihre heiligste Pflicht ist, niemals von mir zu lassen!«

      Marie schüttelte den Kopf.

      »Es war ein kindischer Traum, dem wir uns hingaben, welche Kraft haben Sie, Franz, die Welt anders zu machen wie sie ist? Der Graf ist unser СКАЧАТЬ