Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 128

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ Bibliothek? Wo sind denn die Bücher?«

      »Stoßen Sie sich nicht an den Kisten!«

      Die Warnung war nicht überflüssig; in der Mitte des Raums stand wirr durch- und übereinander eine kleine Anzahl schwerer alter Kisten, vernagelt und bestäubt ... wenn sie es waren, welche die Bibliothek enthielten, so mußte man einräumen, daß die Bücher auf eine mehr sichere als für den unmittelbaren Gebrauch zweckmäßige Weise untergebracht waren.

      »Als ich mich verheiratete,« sagte der Freiherr, »habe ich sie hierhin transportieren lassen – ich bin noch nicht dazu gekommen, sie aufzustellen, aber ich will nächstens damit beginnen.«

      »Als Sie sich verheirateten? Sie reden davon, als ob es im vorigen Monat gewesen ...«

      »Im vorigen Monat waren es vierundzwanzig Jahre«, versetzte der Reichsfreiherr lächelnd.

      Damit öffnete er eine Flügeltür, aus welcher Hubert ein heller Lichtschimmer entgegendrang, verbunden mit einer höchst angenehmen Wärme. Es war ein großes, wohnlich eingerichtetes Gemach, mit Fenstern nach zwei Seiten, mit Gemälden in verblichenen Goldrahmen, mit gepolsterten Möbeln, deren geschweifte Füße und altfränkische Formen in schönster Übereinstimmung standen mit den etwas rohen Stuckverzierungen der Decke, von der ein höchst altmodischer Kristallustre herabhing. Rechts stand in einer Nische ein großer Kachelofen, welcher eine hinreichende Wärme ausstrahlte, um den großen Raum behaglich zu machen; dahinter erblickte Hubert einen Tisch mit brennendem Armleuchter darauf, und daneben ein Spiel Karten; hinter dem Tische aber stand ein Sofa, und auf diesem Sofa saß eine weibliche Gestalt, welche beim Eintritt des Studenten dessen Gruß mit einer anmutigen kurzen Verbeugung erwiderte.

      »Da ist der wunderliche Mensch, von dem ich Ihnen erzählt habe, Marie,« sagte der Reichsfreiherr – »er heißt Gregorius, glaub' ich ...«

      Hubert errötete bei dieser sonderbaren Einführung, und noch mehr vielleicht bei den forschend auf ihn gehefteten Blicken der jungen Dame, deren Erscheinung etwas höchst Überraschendes für ihn hatte. Sie war nämlich von einer Schönheit, wie Hubert Bender sich nicht erinnerte, jemals ein weibliches Wesen gesehen zu haben, wenigstens nicht von dieser zarten, lilienhaften, seelengewinnenden Art von Schönheit; ihr Gesicht war länglich oval, mit feinen, regelmäßigen Zügen und sinnig blickenden, großen blauen Augen, umwallt von einer Fülle blonder Locken; dabei lag ein eigentümlich anziehender Ernst auf diesen Zügen, und die Weise, wie das junge Mädchen Hubert mit einer leichten Bewegung des Kopfes und Oberkörpers begrüßte, hatte etwas unendlich Anmutiges. Hubert war vollständig geblendet von dieser Erscheinung, und deshalb stotterte er ziemlich verwirrt hervor:

      »Ich heiße nicht Gregorius, Herr von Averdonk, ich glaube nicht, daß es Ihnen umständlicher sein kann, wenn Sie mir meinen ehrlichen Christennamen Hubert Bender geben, als jeden andern. Und was dann den Namen dieser Dame angeht, so muß ich umso mehr bitten, darin eingeweiht zu werden, weil ich mir nicht erlauben würde, sie bei dem bloßen Taufnamen anzureden, den ich eben gehört habe –«

      »Sagen Sie ihm nichts, Marie, sagen Sie ihm nichts«, fiel der Freiherr lebhaft ein. »Wir spielen uns, wie gestern, wieder unsere Geheimnisse ab. Er hat kein Geld einzusetzen – wir spielen darum, ob er Sie fragen darf, wer Sie sind!«

      Lactantius rieb sich aus Vergnügen über diesen Scherz die Hände.

      »Soll die junge Dame ihren Namen aufs Spiel setzen, Herr von Averdonk?« fragte Hubert.

      Der alte Reichsfreiherr lachte; es sah höchst merkwürdig aus, wie er lachte: es sah aus, als ob es bloß zufällig und infolge besonderer Umstände ein Lachen geworden, und als ob es ursprünglich auf nichts anderes als ein lautes Weinen angelegt sei.

      »Da der gnädige Herr mich Ihnen nicht nennen will,« fiel jetzt errötend die junge Dame ein, »so nenne ich mich Ihnen selber; ich heiße Marie Stahl –«

      »Genannt die Lilie von Elfen!« fiel der lange Freiherr ein.

      »Und wohne hier im Schlosse, weil meine Eltern wünschen, daß ich einen größern Haushalt kennen lerne und Erfahrungen darin sammle. Und nun, da wir uns kennen,« setzte sie mit derselben ernsten Freundlichkeit hinzu, »können wir zum Spiele übergehen, welches der Freiherr so liebt, daß er jeden Abend mit einer so unachtsamen und vergeßlichen Schülerin, wie ich es bin, sich die Mühe gibt, sie darin zu vervollkommnen.«

      »Wir könnten zum Spiele übergehen,« fiel Hubert ein, »wenn ich nicht leider bitten müßte, mich erst von etwas anderm, weniger Angenehmem reden zu lassen: mir ist in der Tat das Herz viel zu voll, um den Karten meine Aufmerksamkeit zuwenden zu können.«

      »Und wovon ist Ihnen das Herz voll, Gregorius?« fragte der Reichsfreiherr.

      »Davon, wie man mit mir umgeht, in Ihrem Schlosse, Reichsfreiherr!«

      Der Reichsfreiherr fuhr mit seiner großen Hand von hinten her über seinen Kopf, so daß er die Zipfelmütze bis auf seine buschigen weißen Brauen herabdrückte. Dann fragte er mit einem sehr verdrießlichen Gesicht: »Können Sie denn das nicht auf ein paar Stunden vergessen, um einem alten Manne, der sich nach einer Erholung sehnt, gute Gesellschaft zu leisten? Sie haben mir in der vorigen Nacht den Kopf schwer genug gemacht mit Ihren Geschichten; der Teufel hole Sie mit allen Ihren Querelen, ich will nichts davon hören! Helfen kann ich Ihnen doch nicht. Nehmen Sie die Karten.«

      »Aber Sie können doch nicht vergessen haben ...«

      »Ich habe alles vergessen! – alles!«

      »So geben Sie mir einen schlechten Trost, mein Herr von Averdonk; doch wenn meine Geschichten Ihnen plötzlich so uninteressant geworden sind, daß Sie nichts mehr davon hören wollen, so bin ich weit entfernt, Sie damit zu belästigen. Dies wird mich aber nicht hindern, meine Geschichte dieser jungen Dame zu erzählen und ihren Rat ...«

      »Zum Henker, das sollen Sie bleiben lassen ... was gehen Ihre Geschichten die Marie an? Wollen Sie meine Frau zur Fabel der Gegend machen mit dem Geschwätz von dem alten Hause und ihrem Liebhaber darin? ...« Der lange Reichfreiherr unterbrach sich, wie plötzlich sich erinnernd, daß er indiskret werde.

      »Ich will mir den Mund nicht verschließen lassen ... ich will von diesem jungen Mädchen, in deren Augen ich lese, daß sie die Wahrheit sprechen wird, zu erfahren suchen, welche Räuberhöhle denn eigentlich dieses Haus – ja, Ihr Haus ist, Herr von Averdonk, wo man unschuldige Menschen mit Kerker und Pranger bedroht, wenn sie nicht vorziehen, sich nach Amerika schicken zu lassen.«

      »Was ist das? Was soll das heißen?« sagte der Freiherr, weit die Augen aufreißend und Hubert anglotzend, während, wie erschrocken über des Studenten ausbrechende Heftigkeit, das junge Mädchen aufgestanden war und Miene machte, das Zimmer zu verlassen. Aber Hubert trat ihr in den Weg.

      »Gehen Sie nicht,« sagte er, »gehen Sie nicht, ich bitte Sie darum – auch Ihnen habe ich etwas mitzuteilen, was von der äußersten Wichtigkeit für Sie ist!«

      »Was reden Sie von Gefängnis und von Amerika ... erklären Sie das!« fuhr der Freiherr fort.

      »Man will mich nach Bremen transportieren und dort auf das Verdeck eines nach Amerika segelnden Schiffes bringen ...«

      »Sie? ... weshalb?«

      »Es scheint, daß man großen Wert darauf legt, mich zu beseitigen, nachdem ich die Unterhaltung der Frau Gebharde mit dem Capitaìne des chasses in dem alten Hause zu Köln behorcht habe; ich soll ohne Zweifel unschädlich gemacht werden, entweder durch Güte oder durch СКАЧАТЬ