Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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»Wie soll ich denn das aufsetzen?« sagte er.
»Um Ihnen alles Kopfzerbrechen dabei zu ersparen, habe ich selbst es aufgeschrieben«, versetzte Herr von Rippeida, und bei diesen Worten zog er ein gefaltetes Papier aus der Brusttasche hervor und legte es vor den Geistlichen auf den Tisch.
Der Kanonikus suchte unter seinen Büchern und Schriften nach seiner Brille, und nachdem er diese glücklich gefunden, las er die Schrift, welche ziemlich auf der Mitte eines Folioblattes stand, halblaut vor sich hin: »Um eine Anstellung in Frankreich zu suchen, verließ Herr von Ripperda das teutsche Vaterland, wurde Capitaine des chasses des Herzogs von Condé und kehret anitzo, weil der Herzog sich hat flüchten müssen, zurück. Ich bitte deshalb, ihme, als mir wohlbekanntem und respectablem Manne, kein Hinderniß in den Weg zu legen, wenn er hiesigen Ortes zu verweilen wünschet.«
»Hm,« sagte der Geistliche, als er dies gelesen hatte, »es ist kurios gesetzt: ›Um eine Anstellung zu suchen, verließ‹ ... es wäre doch besser, wenn man setzte: ›Herr von Ripperda ist gebürtig aus Gelderland, wie ich demselben hiermit‹ ...«
»Mein lieber Klevesahl, es kommt gar nicht darauf an, wie es gesetzt ist,« fiel Herr von Ripperda ihm in die Rede, »es ist ja keine wichtige Urkunde, sondern nachdem der fürsichtige und wohlweise Ratsherr einen Blick darauf geworfen hat, wird er es dazu gebrauchen, seine holländische Pfeife damit anzuzünden. Darum habe ich's so aufs Papier geworfen, ohne mich lange zu besinnen, und nun unterschreiben Sie's nur kecklich, damit ich die Angelegenheit erledigen kann.«
Der Kanonikus las noch einmal die paar Zeilen durch. Dann sagte er gewissenberuhigt:
»Unterschreiben kann ich's ... nur was da steht von Capitaine des chasses ... davon ist mir doch eigentlich nichts bewußt ...«
»Ungläubiger Thomas!« rief Ripperda aus und zog ein anderes Papier aus einer großen Brieftasche hervor, »da ist mein Brevet!«
Es erfolgte eine abermalige Prüfung von seiten des Geistlichen; Kanonikus Klevesahl war jetzt völlig beruhigt und trat an einen Nebentisch, wo sein Schreibgerät stand. Er unterschrieb mit großen festen Zügen die Schrift Ripperdas. Dann holte er aus einer Lade seines Schreibtisches ein großes Siegel hervor, und nachdem er sich mit Stahl und Zunder selbst zu Licht verholfen, untersiegelte er damit das Zeugnis.
Herr von Ripperda verbarg es in seiner Brusttasche und verließ den Geistlichen mit so wenig Umständen wie beim Kommen. Wir wissen nicht, auf welche Weise und wo Herr von Ripperda und sein Hund die nächsten Stunden des Tages zubrachten. Als Traudchen Gymnich am Nachmittage zur Frau Zappes hinüberging, um zu sehen, ob ihre Dienstleistungen begehrt würden, war der neue Mieter noch nicht in sein Quartier heimgekehrt.
Traudchen brauchte nicht lange stehenzubleiben, um noch mit der lebhaften Frau zu plaudern, als diese, wie es das junge Mädchen erwartet und jetzt gewünscht hatte, aufs neue von dem noch immer ausbleibenden Studenten begann.
»Weshalb gehen Sie nicht auf sein Zimmer und sehen da nach, ob er etwa einen Zettel für Sie zurückgelassen hat? Als er fortging, waren Sie vielleicht nicht da, und er hat es schriftlich hinterlassen, wann er zurückkehrt,« bemerkte Traudchen, um eine Gelegenheit zu bekommen, Huberts Stube zu betreten.
»Die Magd ist oben gewesen und hat aufgeräumt,« antwortete Frau Zappes, »von einem Zettel hat sie nichts gesagt.«
»Kann sie denn lesen?« versetzte Traudchen. »Lassen Sie uns doch selbst zusehen.«
Frau Zappes ging die Treppe hinauf, und Traudchen folgte ihr. Der Schlüssel hing an einem Nagel neben der Tür. Die Hauswirtin öffnete diese; mit einer eigentümlichen Beklemmung trat das junge Mädchen hinter ihr über die Schwelle. Das erste, was sie durch das der Tür gegenüberliegende Fenster erblickte, war die düster und schwarz herübersehende Front des alten Hauses mit dem Stiegenturm an der Ecke, wie es sich über allerlei kleinere Ställe und Hinterbauten erhob und ein spitziges Doppeldach mit hohen Essen trug ... die Essen, aus denen Hubert nächtlicherweile Rauch glaubte hervordringen gesehen zu haben, und die dadurch schuld an allem geworden. – Das Zimmer des Studenten selbst war freundlich, obwohl klein, und für die Wohnung eines Studiosen war es sehr rein und ordentlich gehalten. Frau Zappes trat in das kleine Schlafzimmer nebenan und schloß hier das Fenster, das die Magd am Morgen offengelassen. Während sie sich dabei an den Schubriegeln mühte, hatte Traudchen einen Gegenstand ins Auge gefaßt, der in hohem Grade ihre Aufmerksamkeit fesselte; ihr Arm zuckte danach, fiel dann wieder nieder, und dann erhob er sich aufs neue, und die Finger streckten sich aus, wie in unwiderstehlicher Begehrlichkeit ... es war ein sauberes rotes Portefeuille, das auf dem Tische Huberts unter Büchern und Heften lag ... und jetzt hatte Traudchen es mit zitterndem Griffe gefaßt und hastig in ihre Tasche geschoben.
»Ich will es ihm aufbewahren,« sagte sie sich, »es wäre unvorsichtig, es liegenzulassen«; und damit war ihr Gewissen beruhigt, und mit dem Tone großen Gleichmuts konnte sie jetzt Frau Zappes, die eben wieder eintrat, fragen: »Hat denn der Herr Bender vielleicht seine Verwandten hier in der Nähe, zu denen er gegangen sein kann?«
Frau Zappes schüttelte den Kopf. »In der Nähe?« sagte sie ... »Denk' nicht daran ... er ist weit her, von jenseit des Rheins... er ist der Sohn eines Chirurgus da im Lande, glaub' ich, aber seine Eltern leben nicht mehr. – Schließen Sie zu, Traudchen!«
Traudchen eilte, in ihre Wohnung heimzugelangen. Und als sie endlich in dieser war, die Tür wohl verschlossen hinter sich – mit welcher Aufregung zog da das junge Mädchen die Brieftasche aus den Falten ihres grünen Sergerockes hervor, und mit wie zitternden Händen öffnete sie die roten Korduandeckel! Es lagen ein paar alte Quittungen darin, auf die eingebundenen Pergamenttafeln waren allerlei Notizen geschrieben, kleine Ausgaben notiert, Adressen, Büchertitel, lange lateinische Namen verzeichnet... auf einem der Blätter stand oben ein großes, sauber in Frakturschrift gemaltes T, und darunter ein zweites, und dann ein drittes; und neben dem dritten stand in höchst zierlichen, aber fast unlesbar kleinen Buchstaben noch raudchen dazugeschrieben und umher waren schöne, höchst kühne und schwungvolle Schnörkelzüge gezogen ... es war wirklich ein Meisterstück von Kunst, und außerordentlich schön anzusehen; und wenn es im allgemeinen der Zweck der Kunst ist, zu erheben und zu erfreuen, so können wir in Wahrheit sagen, daß sie hier in einem ganz schrankenlosen Umfang ihren Zweck erreichte. Denn Traudchens Auge flammte förmlich, als ihr Blick darauf traf, und dann haftete es sicherlich ebensolange darauf, als die Augen des Schreibers auf diesem Pergamentblatt gehaftet hatten, während seine Hand mit so viel Fleiß die Buchstaben gemalt hatte.
Nach langer Pause erst untersuchte Traudchen Gymnich weiter den Inhalt des Portefeuille. Sie nahm noch ein versiegeltes Papier heraus, es fühlte sich an wie ein kleines Päckchen, es führte auch eine Aufschrift; und als Traudchen auf diese blickte, zuckte es plötzlich in ihrer zitternden Hand. Die Aufschrift bestand aus einem Kreuz und den Worten darunter: Rattengift, präpariert von mir aus Datura Stramonium.
Welche Gedanken gingen mit einem Male durch Traudchens Haupt, als sie diese Worte gelesen hatte und die Brieftasche hastig schloß, um sie wieder in die Falten ihres Kleides zu verbergen, aber das Päckchen mit dem Gift neben sich auf den Tisch legte? Sie versank in ein unruhiges Sinnen; bald erhob sie sich und schritt auf und ab in dem kleinen Wohnzimmer, bald setzte sie sich wieder und nahm das Spinnrad, welches neben dem Ofen stand, vor sich, und ihr kleiner Fuß legte sich so energisch auf das Trittbrett unten, daß das Rad sich umzuschwingen begann, als ob es den Verstand verloren habe, und daß die Spindel schnurrte, als wolle sie dem großen Rade zeigen, sie, die kleine Spindel, könne, wenn es auf Verrücktheit ankomme, noch tausendmal mehr leisten als solch ein großes ungeschlachtes Rad. Und dabei griffen Traudchens Hände wie fieberhaft in den Flachswocken und zogen den Faden mit einer Hast heraus, daß derselbe sehr bald zerriß und dann abermals СКАЧАТЬ