Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ da sie selbst Schrecken verbreitet hatten. Wer sich zum Schaf macht, den frißt der Wolf. Eben hatten die Hussiten noch Brandenburg verheert, wo ihnen nur die kleine Stadt Bernau widerstand, da brachten Abgeordnete des Konzils mit dem Kurfürsten von Brandenburg ein Schreiben des Konzils nach Eger, wo bereits böhmische Abgeordnete eingetroffen waren, um zu verhandeln. Nachdem auch Siegmund freundlich an Prokop geschrieben hatte und nachdem vorausgeschickte Böhmen sich in Basel umgesehen und den Eindruck gewonnen hatten, daß es der Kirchenversammlung ernstlich um Verständigung zu tun war, wurde die denkwürdige Gesandtschaft unternommen. Wo die Fremdlinge durchkamen, staunte jung und alt. Das waren die heillosen Ketzer, der unbesiegbare Prokop unter ihnen, die wie ein Gewitter durch das Reich gebraust waren, unwiderstehlich, erbarmungslos, ein unentrinnbares Verhängnis. Waren sie menschenähnlich? Waren sie Unholde wie einst die Hunnen und Magyaren? Am 4. Januar 1433 zogen sie zu 300 Personen in Basel ein. Der päpstliche Legat und Vorsitzende des Konzils, der geistvolle und vornehm gesinnte Cesarini, hieß die Deputierten willkommen und sorgte dafür, daß sie mit Wein und Lebensmitteln versehen wurden. Einige Tage darauf begrüßte er sie in langer Anrede, die der Erzbischof Rokyczana beantwortete; die Sitzungen fanden im Predigerkloster statt. Die gegenseitige Höflichkeit machte die gegenseitigen Gründe nicht überzeugend; nachdem fünfzig Tage lang disputiert worden war, blieb jeder bei seiner Meinung. Logik überwindet Andersdenkende nicht; aber daß die Raubzüge der Hussiten fortfuhren, Schrecken zu verbreiten, während das Konzil tagte, das war ein Beweis, der einleuchtete. Es war einleuchtend, daß die einzige Hoffnung, mit den radikalen böhmischen Elementen aufzuräumen, darin bestand, daß mit den gemäßigten ein Vergleich erzielt wurde. Deshalb ersuchte das Konzil, als die Gesandten nach Prag zurückgekehrt waren, um den Besuch neuer zu nochmaliger Besprechung, worauf die Böhmen – gleichfalls des Friedens bedürftig – eingingen. So kam denn wirklich, als das Jahr zu Ende ging, eine Verständigung zustande, bei der die Kirche nachgab. Der Papst löste die Kalixtiner vom Banne und nahm sie wieder in den Schoß der Kirche auf. Nachdem die Kalixtiner die Taboriten unterworfen hatten, konnte Siegmund als König von Böhmen in Prag einziehen, das als überwiegend deutsche Stadt ihn jubelnd begrüßte.

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      So hatte denn das germanische Wesen, schon das seit langem unterirdisch glimmend an den Grundlagen des römischen Reichsgebäudes nagte, ein paar Steine aus dem festen Gefüge gelockert; denn germanisch war ja Hussens Lehre, die zwar die Wiclifs nicht ganz übernommen hatte, aber doch überwiegend von ihr beeinflußt war. Das Konzil hatte auch bei Hussens Prozeß stets auf Wiclif zurückgegriffen und seine Lehre verdammt. Jahrhunderte nachdem ein Angelsachse das Christentum der germanischen Welt dem römischen Papst unterworfen hatte, bereitete ein Angelsachse eine Losreißung vom römischen Papst vor. Siegmund war zu sehr Kaiser, um nicht, wie vorurteilsfrei er auch war, an der Idee der Einheit des Abendlandes unter Papst und Kaiser festzuhalten. Wenn er den Hussiten Zugeständnisse machte, hatte er dabei den Hintergedanken, daß er sie doch vielleicht allmählich zur allgemeinen Kirche zurückführen könnte, und begann mit Begünstigung der katholischen Böhmen, kaum daß er die Zügel wieder in der Hand hatte. Als er Widerstand merkte, lenkte er ein und versuchte es mit mündlichen Verhandlungen, bei denen seine Beredsamkeit so manchen Erfolg verzeichnen konnte. Diese Haltung Siegmunds brachte einen Teil der Böhmen gegen ihn auf und entfachte das nationale Bewußtsein, das von Anfang an die hussitische Bewegung genährt hatte; man verargte es ihm in diesen Kreisen, daß er einen deutschen Fürsten, Albrecht von Österreich, als seinen Nachfolger bezeichnet hatte. An der Verschwörung, die sich vorbereitete, hatte Siegmunds eigene Frau, Barbara von Cilly, Anteil, die er aus Dankbarkeit gegen ihren Vater, seinen Retter in der Schlacht von Nikopolis, geheiratet hatte. Es mag sein, daß Siegmund, der schöne Frauen gern sah, nicht immer ein treuer Ehemann gewesen war; aber wenn das auch ihre Treulosigkeit entschuldigt, so macht es sie und ihre Handlungsweise doch nicht anziehender. Die Cilly waren ein leidenschaftliches, grundsatzloses, wildes Geschlecht, und die Gnaden, mit denen Siegmund sie überhäufte, nahmen sie an, ohne sich dadurch gebunden zu fühlen. Der Plan der Verschworenen war, daß Barbara einen als Thronfolger in Aussicht genommenen, jungen polnischen Prinzen heiraten sollte, eine Verbindung, welche ein polnisch-böhmisch-ungarisches Reich begründen würde. Es sollte, so war die Meinung, eine eigene hussitische Kirche haben. Das bedeutete die Ausschaltung der Deutschen aus dem großen Österreich, in das seit Jahrhunderten so viel deutsches Wesen eingeströmt war. Albrecht von Österreich, Siegmunds Schwiegersohn, der von der Verschwörung Kunde bekommen hatte, riet dem König, zu fliehen; da er sehr leidend war, konnte die Notwendigkeit einer Luftveränderung den Vorwand zur Reise liefern. Es war im November des Jahres 1437, als der 69jährige von Prag aufbrach, um sich nach Znaym zu begeben; einige böhmische und einige ungarische Edle begleiteten ihn, auch seine Frau zwang er, ihm zu folgen. Sein Schwager Friedrich und dessen Sohn, die er kurz vorher zu Reichsfürsten erhoben hatte, entflohen.

      Als Siegmund im Jahre 1416 in Paris war, wohnte er als Zuschauer einer Sitzung des Parlamentes bei. Da gerade ein Fall verhandelt wurde, bei dem eine Partei als nicht zum Ritterstande gehörig abgewiesen wurde, sprang Siegmund auf und schlug den Betreffenden, der ein Knappe war, zum Ritter, damit er sein Recht erlangen könne. Dies Feuer des Mitlebens aller Dinge erlosch dem König im Alter nicht, wenn auch sein lockiges Blondhaar früh ergraute. Mühselig, gefährlich, von Kämpfen und vergeblichen Anstrengungen erfüllt war sein Leben; demgegenüber waren seine nie versagende Lebendigkeit und die Anhänglichkeit einiger Freunde die einzigen Mittel, die dem nicht selten Bettelarmen stets zu Gebote standen. Von einem Reichstag zum anderen, von einem Schlachtfeld zum anderen, war er getrabt, immer Streitende beschwichtigend, immer irgendwelche Widerstände überwindend, und dazwischen, fast den Fuß im Steigbügel, leerte er mit erprobten Freunden und anmutigen Frauen einen vollen Becher der Freude. Im Kaiserornat und frischen Lorbeerkranz trat er die letzte Fahrt an. Während der Hussitenkriege hatte er die Reichsinsignien, die sein Vater nach Prag und sein Bruder Wenzel später auf die Burg Karlstein hatte bringen lassen, heimlich nach Ungarn befördert und hatte dann, da die deutschen Fürsten sie in Deutschland wissen wollten, die Reichsstadt Nürnberg zum Aufbewahrungsort bestimmt. Die Stadt ließ es sich tausend Goldgulden kosten, das ehrenvolle Recht zu erwerben, und hat die Kleinodien bis zum Ende des Reiches behalten. Schöner als die Reichskrone von massivem Golde schmückten die frischen grünen Blätter das geniale Haupt des Königs, der verraten, fliehend, sterbend in der Würde seines guten Willens ruhte. Wenn er bedachte, wie er den ihm zugefallenen Aufgaben genügt hatte, konnte er sich manches Erfolges freuen. Als die Kurfürsten ihn wählten, hatte es drei Päpste und drei Kaiser gegeben, Verwirrung und Auflösung in der Christenheit. Er hatte die Einheit wiederhergestellt, er hatte erst das Konzil gegen den Papst, dann, als die in Basel versammelten Väter den Papst ganz entrechten wollten, diesen gegen das Konzil gestützt. Vor noch nicht langer Zeit war er unermüdlich hin und her gereist, um zu vermitteln, fast immer zu Pferde; einmal hatte er den Baseler Stadtrat um Schuhe bitten müssen, weil er nicht in Reiterstiefeln das Münster betreten wollte. Selten, eigentlich niemals hat er durchgesetzt, was ihm als das Rechte vorschwebte; während er eine Erneuerung wollte, hatte er helfen müssen, das Alte zu befestigen. Aber die Türken, die gegen die Christenheit anstürmten, hatte er aufgehalten, und den furchtbaren Kriegsbrand, mit dem die Hussiten das Reich zu vernichten drohten, hatte er gestillt. Es war Frieden im Reich, Frieden hatte er mit liebenden Händen über die schöne Erde ausgebreitet, die nun winterlich schlummerte. In Znaym erwies es sich als notwendig, daß ihm eine Zehe seines kranken Fußes abgenommen wurde; er ließ es unbeweglich geschehen, als ob es einen anderen anginge. Nachdem er von dem Arzt, dem er befohlen hatte, ihm die Wahrheit über seinen Zustand zu sagen, erfahren hatte, daß sein Tod bevorstehe, ließ er sich mit dem kaiserlichen Ornat bekleiden und hörte eine Messe. Dann sagte er: »Nun tut mich an, als man mich begraben wird.« Wenn er gestorben sei, solle man ihn zwei oder drei Tage lang ausstellen, ordnete er an, damit alle sehen könnten, daß der Herr der Welt tot sei. Das wurde ausgeführt und dann die Leiche in Großwardein, in der Begräbniskirche der ungarischen Könige, beigesetzt.

       Inhaltsverzeichnis

      »Bei solchen seltsamen, wundersamen Ereignissen kam mir der СКАЧАТЬ