Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ fehlte. Im 14. Jahrhundert begann dieser Glaube zu wanken. Exkommunikation und Interdikt des Papstes, Acht und Aberacht des Kaisers erschreckten niemand mehr ernstlich. Immerhin konnte eine bedeutende Persönlichkeit als Kaiser in Deutschland noch etwas ausrichten, das bewies Siegmund, wenn ihn auch die Notwendigkeit lähmte, sich auf eine Hausmacht zu stützen und dadurch viel Zeit und Kraft außerhalb Deutschlands zu verschwenden. An sicheren Bezügen hatte der Kaiser in Deutschland fast nichts mehr als die Abgaben der Reichsstädte. Die beständige Geldnot der Kaiser hemmte sie nicht nur in ihren Handlungen, sondern machte sie lächerlich, wenn sie nicht sogar zu schändlichen Gewalttaten verleitete, wie Karl IV. und Wenzel sie gegen die Juden ausübten. Siegmund, der von kaiserlichem Bewußtsein durchdrungen war, sah ein, daß er sich irgendeinen Stützpunkt im Reich schaffen müsse, eine Partei, auf die er sich verlassen, über deren Kräfte er verfügen könne. Die Vorrechte, die sein Vater den Fürsten eingeräumt hatte, die Macht der Fürsten überhaupt, konnte er nicht rückgängig machen, er konnte nur ihnen eine andere entgegenstellen: dazu schienen sich die Städte und der niedere Adel, die Ritter, zu eignen. In den Städten war hauptsächlich gesammelt, was Deutschland an Intelligenz, an Erwerbssinn, an schaffender Tätigkeit, an Reichtum und auch an Pflichtgefühl besaß; von den Rittern, einer etwas herabgekommenen und deshalb unzufriedenen Klasse, die aber trotz des Umschwunges auf diesem Gebiete für die Kriegführung noch sehr in Betracht kam, ließ sich erwarten, daß sie sich einem kaiserlichen Herrn dankbar anschließen würden, der es unternähme, sie zu heben und zu stärken. In Ungarn, wo das Städtewesen noch wenig ausgebildet war, suchte Siegmund es zu entwickeln und Städte und niederen Adel dem übermächtigen hohen Adel entgegenzusetzen; er zuerst gab den Städten auf den Reichstagen eine Stimme. Ebenso dachte er im Reich zu verfahren. Es kam darauf an, eine umfassende Organisation zu schaffen, die die kaisertreuen Kräfte zusammenfaßte, so daß sie sich wirkungsvoll verwenden ließen. Es gab damals eine Reihe von Rittergesellschaften im Reich, die teils gesellschaftliche Zwecke hatten, teils im Gegensatz zu Fürsten und Städten entstanden waren. Wo es noch keine solche Gesellschaften gab, ermunterte Siegmund die Ritter, sich zusammenzutun, dann aber auch die einzelnen Gesellschaften, eine Reichsritterschaft zu bilden und in ihren Bund die Reichsstädte aufzunehmen. Als er vor der Eröffnung des Konzils in Frankfurt war, besprach er mit dem Rat die traurigen Zustände in Deutschland. Er rechne, sagte er, bei der Herstellung des Landfriedens besonders auf den Beistand der Städte. Durch Einungen müsse dem Übermut der Fürsten entgegengetreten werden. Die Städte sollten Abgeordnete nach Konstanz schicken; wenn er mit den geistlichen Herren durchkomme, werde er wohl auch mit den weltlichen fertig werden. Man meint, die Städte müßten diese Anregungen mit Hingebung aufgenommen haben; aber das war trotz ihrer Anhänglichkeit an den Kaiser nicht der Fall. Sie waren Republiken, deren Verwaltung in bewunderungswürdiger Weise durchgebildet war, deren Finanzen geordnet waren, die eine in reifer Kultur gesättigte Atmosphäre schufen, wo edle Menschen sich wohler fühlten als irgendwo sonst, aber ihre Politik erfaßte nur das Nächste mit kluger Berechnung; es war, als ob die Mauern, mit denen sie sich schützen mußten, ihren Blick einengten. Zum Teil beruhte freilich wohl auf dieser Beschränkung ihre Größe. Zu ihrer Vorsicht, ihrem Mißtrauen hatten ihnen die Fürsten, die Ritter, ja die Kaiser selbst Ursache genug gegeben. Wie oft waren sie von den Kaisern erst ausgenützt, dann im Stich gelassen worden. Bei der zu einer Erbfeindschaft gewordenen Spannung zwischen Städten und Rittern konnte der Versuch, sie zu verbünden, wirklich wenig Aussicht haben, mochte auch der gemeinsame Gegensatz gegen die Fürsten ihnen ein solches Bündnis nahelegen. Wie reich Siegmund an genialen Einfällen war, beweist der Gedanke, ein Reichsbürgerrecht für alle Deutschen zu schaffen. Ein solcher Plan mußte teils an der allgemeinen Stumpfheit, teils am allgemeinen Eigennutz scheitern; aber folgerichtige Anstrengungen, ihn durchzuführen, machte der Kaiser auch nicht. Es hätte einer ungeteilten Kraft, vielleicht auch größerer Ausdauer bedurft, als Siegmund hatte, um so tiefverwurzelte Widerstände zu überwinden.

      Ebensowenig wie mit der Einung von Städten und Rittern drang der Kaiser mit seinem Plan durch, das Reich in Kreise einzuteilen, der einer besseren Handhabung des Landfriedens dienen sollte. Danach sollte Deutschland, soweit es nicht unter mächtigen Fürsten stand, in vier Kreise geteilt werden, deren erster den Rhein, das Elsaß und die Wetterau, deren zweiter Schwaben, deren dritter Franken, deren vierter Thüringen, Meißen und Hessen umfassen sollte. An der Spitze eines jeden Kreises sollten vom König gesetzte Hauptleute stehen, an der Spitze des Ganzen ein Obmann. Es war ein Entwurf, der in das fließende Leben des Reiches den Mechanismus einführen wollte, wie die zunehmende Zersetzung es verlangte, der aber dem Kaiser Einfluß gewährt hätte. Die Zurückhaltung der Städte, die wohl in jeweiligen Bedrängnissen Hilfe suchten, aber von einer allgemeinen, umwälzenden Maßregel nichts wissen wollten, verstimmte Siegmund allmählich und raubte ihm die Unternehmungslust, die ihn anfangs beschwingt hatte. Als ihn die Stadt Köln später einmal um Beistand gegen ihren Kurfürsten bat, sagte er: »Ich kann euch jetzt nicht helfen. Die Kurfürsten betrachten sich selbst als das Recht. Zieht heim und sucht euch in der Sache zu helfen, so gut ihr könnt. Es wird in Zukunft sich hoffentlich besser mit Deutschland gestalten.« Als der Erbkämmerer des Reichs, Konrad von Weinsberg, schwäbische Kaufleute, die zur Frankfurter Messe reisten, überfallen und ausgeplündert hatte, beschuldigte Siegmund auf dem Reichstage zu Preßburg im Jahre 1429 die Fürsten der Mitschuld an diesem Frevel. Wenn solche Gewalttaten unbestraft blieben, sagte er, müsse sich alles in Anarchie auflösen. Seine Anwesenheit in Deutschland allein genüge nicht, die Fürsten müßten guten Willen haben. Wenn es so weiterginge, möchte er sich des Reichs entschlagen. In einem Ausschuß der Städte sagte er, nur bei den Städten sei noch das Reich, wenn die nicht wären, möchte er die Krone nicht länger tragen. Er war damals 61 Jahre alt und hatte noch acht Jahre zu leben.

      Siegmunds Vorliebe für die Schweizer rührte wohl daher, daß er dort einer Bevölkerung mit politischer Energie begegnete, die das Ziel der auf Einigkeit begründeten Freiheit unentwegt verfolgte, wenn auch mit der dem Bürger und Bauer eigentümlichen Scheu vor allzu weitgreifenden Plänen. Wieviel Wert er auf freie Bauernschaften legte, geht daraus hervor, daß er Schritte tat, um die Friesen wieder mehr an das Reich heranzuziehen. Er habe sich aus Urkunden belehren lassen, schrieb er ihnen, sie wären immer ein freies Volk, nur dem Römischen Reich unterworfen gewesen. In ihnen hoffte er im Nordwesten ein Gegengewicht gegen die zu Frankreich hinneigenden Fürsten zu gewinnen. Als Hüter vielbegangener Pässe nach Italien waren die Schweizer Eidgenossen allen Kaisern wichtig gewesen; keiner aber hatte die Beziehungen mit so viel Wärme und so viel Sinn für ihre Eigenart gepflegt wie Siegmund. Im Juli 1414 besuchte er zum ersten Male, von Turin kommend, die Reichsstadt Bern an der Grenze Burgunds. Bis Bümpliz gingen ihm die Berner in feierlicher Prozession entgegen. An der Spitze des Zuges gingen 500 Knaben, von denen keiner mehr als 16 Jahre alt war und deren schönster das Reichsbanner trug. An ihren Hüten waren Täfelchen angebracht, auf denen der Reichsadler gemalt war. Als diese blühende Jugend vor ihm niederkniete, überkam ihn wohl die Ergriffenheit des Älteren, der plötzlich inne wird, daß andere im Lichte wirken werden, wenn er selbst in der Vergangenheit versunken sein wird. »Da wächst uns eine neue Welt«, sagte er zu den Fürsten und Herren, die an seiner Seite ritten. Am Stadttor empfing ihn der Schultheiß Petermann von Krauchthal und überreichte ihm nach alter Sitte die Schlüssel der Stadt. »Nehmt sie wieder«, sagte der König, »und verwahrt sie wohl.« Umgeben von den Ratsherren, unter einem Traghimmel, den die vier Venner der Stadt trugen, ging er die Hauptstraße hinunter am Zeitglockenturm vorüber zum Dominikanerkloster, wo er abstieg. Später pflegte er zu sagen, es habe ihm keine Stadt größere Ehre erwiesen als Bern. Während seines dreitägigen Aufenthaltes huldigte ihm der Graf von Savoyen und bestätigte er die Privilegien des Landes Uri. Das Verhalten Friedrichs von Österreich auf dem Konzil ermöglichte es dem König, sich die Eidgenossen zu verpflichten, indem er sie aufforderte, die Reichsacht zu vollziehen und sich in den Besitz der ihnen benachbarten österreichischen Länder zu setzen. Bei dieser Gelegenheit eroberten sie den Aargau; sie taten es ungern, nur auf des Königs ernstlichen Befehl, gaben ihn aber nicht wieder heraus, als Siegmund nach erfolgter Versöhnung mit Friedrich es wünschte. Als Siegmund im Jahre 1431 zur Kaiserkrönung nach Italien zog, begleiteten ihn außer einigen Ungarn Eidgenossen durch Graubünden über die Alpen; es waren 800 Züricher dabei unter ihrem Bürgermeister Stüssi. Da die Eidgenossen die ersten waren, die ihn beglückwünschten, ehrte er sie öffentlich vor dem Papst und dem römischen Volk durch besondere Zeichen СКАЧАТЬ