Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ der Fall Konstantinopels gewesen sein würde, wenn nicht bald darauf der siegreiche Bajazeth in der Schlacht von Angora dem noch größeren Gewaltherrscher Timur erlegen wäre. Von den Gefangenen der Schlacht von Nikopolis ließ Bajazeth nur diejenigen am Leben, die weniger als 20 Jahre alt waren; einer von diesen, ein Bayer, namens Schildburger, ist nach 32jähriger Gefangenschaft zurückgekehrt und hat seine Erlebnisse beschrieben. Siegmund retteten seine treuen Freunde Graf Hermann von Cilly, der Burggraf von Nürnberg und der ungarische Adlige Nikolaus von Gara. Unter dem Schutze der venezianischen Flotte entkam er nach Konstantinopel und von da nach Dalmatien. Einige Jahre später eroberte er Bosnien und Dalmatien und durch seinen Feldherrn und Freund Pippo von Ozora, der in 23 Schlachten gegen die Türken gefochten haben soll, auch Friaul. Dies war der Punkt, wo Siegmund Gegner Venedigs wurde, das ihm den Besitz von Friaul und Dalmatien streitig machte. In einem Zirkularschreiben an die deutschen Reichsstände hob er die Wichtigkeit von Friaul als besten und leichtesten Eingang zu Italien hervor, und daß es deshalb notwendig sei, die Kirche von Agley, die, solange man denken könne, ein Glied des Reiches gewesen sei, beim Reiche zu erhalten. Aber auch für Venedig war Friaul als Handels weg nach Deutschland von größter Wichtigkeit, und es hatte deshalb, als die Grafen von Görz ihre Bedeutung einbüßten, deren Politik der Unterdrückung des Patriarchats aufgenommen. Wiederum griff Siegmund zu einem kühnen und ungewöhnlichen Mittel, um einen Druck auf Venedig auszuüben; er verhängte nämlich eine Handelssperre und versuchte den Handel der deutschen Kaufleute von Venedig nach Genua zu verlegen. Allein wie kräftig er auch die Sache angriff, scheiterte sie doch an dem Widerstande der Kaufleute, die lieber den Ausgang des Kampfes abwarten, als die alte Verbindung mit Venedig aufgeben wollten. Während die kriegerischen Aktionen mit wechselndem Glück verliefen, begab sich Siegmund selbst nach Friaul, wo er von den Ghibellinen mit Jubel aufgenommen und in Belluno von einer Braut, deren Hochzeit er mitfeierte, mit ihrem eigenen Kranze gekrönt wurde. Trotz aller Anstrengungen jedoch ließ sich das von Venedig beeinflußte Land nicht halten. Um 1412 kam der letzte deutsche und der letzte unabhängige Patriarch von Aquileja zur Regierung, bald darauf gingen die beiden Hauptstädte des Friaul, Udine und Cividale, freiwillig unter ehrenvollen Bedingungen an Venedig über, und ihnen folgte das ganze Land. Ludwig von Teck, der Patriarch, starb im Exil zu Basel, sein Nachfolger verzichtete auf seine weltlichen Besitzungen, wofür ihm die Stadt Aquileja mit einigen kleinen Ortschaften überlassen wurde. Wie einst von den Hunnen, wurde die altberühmte und altheilige Stadt nun von den Türken überfallen; aber ihr Untergang hatte schon viel früher begonnen. Die heiße grüne Wüste wucherte langsam über den versinkenden Patriarchenpalast und die Ruinen aus der Römerzeit.

      Ging Friaul verloren, so wurde doch die Grafschaft Görz durch eine Erbverbrüderung der dem Erlöschen nahen Grafen mit Österreich dem Reich erhalten; denn an Österreich sollte mit der Hand Elisabeths, der einzigen Tochter Siegmunds, das mächtige Ostreich, das die Luxemburger aufgebaut hatten, übergehen. Hier sammelte sich, während das übrige Deutschland sich in kleinen Händeln zersplitterte, eine gewaltige Macht mit weltwichtigen Aufgaben, würdig, das Haupt des heiligen Reiches zu werden. Zunächst freilich wurde das Bestehen des ganzen Reiches durch die Überfälle der Hussiten, die bald nach Hussens Verbrennung begannen, in Frage gestellt.

      Ungefähr 400 Jahre bevor aus Frankreich die Heere eines in seiner Tiefe aufgewühlten Volkes in einmütiger Begeisterung der Fahne neuer Ideale folgend sich zerstörend über Deutschland ergossen, geschah von Osten her etwas Ähnliches. Die Unwiderstehlichkeit der Hussiten, die jahrelang Deutschland verwüsteten, erklärt sich hauptsächlich daraus, daß sie von einem neuen Glauben durchdrungen waren, der ihnen mehr wert als Gut und Blut war, während die Deutschen wie zur Zeit der Französischen Revolution ihre Zustände nur mit halber Anhänglichkeit verteidigten. Am Anfang des 15. Jahrhunderts waren es wie am Ende des 18. bisher unterdrückte Schichten, die im Hochgefühl neuer Freiheit ein morsch gewordenes ständisches Gerüst überrannten. Wohl sahen die herrschenden Gewalten und sah die Mehrzahl des Volkes die Hussiten als Ketzer an, ja als Barbaren und Teufel, aber wenn sie ihre Scholle verteidigten und sich gegen Mißhandlung und Zerstörung wehrten, so waren sie doch weit entfernt, den Angreifern Begeisterung für ihre Kultur entgegenzusetzen. Wurde doch der Kaiser selbst zuweilen hussitischer Ketzerei verdächtigt, und tatsächlich hatte die hussitische Lehre, namentlich im mittleren und östlichen Deutschland, Anhänger. So brüchig, so entartet, so glanzlos waren alle Einrichtungen geworden, daß die Notwendigkeit einer gründlichen Reform kaum irgend jemand zu bestreiten wagte, ohne daß aber über das Ziel der Reform Klarheit oder gar Einmütigkeit geherrscht hätte. Johann Ziska, Sohn eines armen böhmischen Edelmannes, von seiner Mutter unter einer später heiliggehaltenen Eiche zur Welt gebracht, schwur, Hussens Tod zu rächen und soll, so will es die Überlieferung, von Wenzel urkundlich dazu ermächtigt worden sein. Seine kriegerischen Erfolge werden der neuen Technik seiner Kriegführung zugeschrieben, die darin bestand, daß er die Soldaten in durch Ketten verbundenen Wagen beförderte, einer Art Festung also, in deren beweglichen Straßen die Feinde sich wie in einem Netz oder wie in den Armen eines polypenhaften Ungeheuers fingen. Wie verwirrend das aber auch gewesen sein mag, den Ausschlag gab doch, daß Wut, Begeisterung, Todesverachtung die Hussiten erfüllte, ein Volk, das um sein Dasein kämpfte, während das Gefühl, das die zusammengerafften Söldnerhaufen und die Ritter und Bürger beseelte, die das Reich aufbrachte, hauptsächlich Angst und Unlust waren. Wie todesmutig hatten einst die Heere der sächsischen Könige den Ungarn standgehalten. Wie Erzengel waren sie den bewundernden Menschen erschienen.

      Siegmund, der nach dem plötzlichen Tode Wenzels als sein Erbe der Nächstbetroffene war, machte alle erdenklichen Anstrengungen, um Böhmen, sei es durch Gewalt oder durch Verständigung, zu beruhigen und zu gewinnen, obwohl er gleichzeitig Ungarn gegen die Türken schützen mußte. Nach den großen Siegen der Hussiten bei Aussig, Mies und Tauß in den Jahren 1426/27 und 1431 konnte er nicht mehr hoffen, sich mit den Waffen Anerkennung zu erzwingen. Da kamen ihm seine Kunst des Vermittelns, die Entzweiungen unter den Böhmen und der Tod der großen hussitischen Anführer zu Hilfe. Wie in Frankreich zur Zeit der Revolution sonderten sich die Besitzenden mit ihren gemäßigten Ansichten von den radikalen unteren Schichten und von denen, die zu den äußersten Tendenzen: Rückkehr zur Natur, Abschaffung kirchlicher und staatlicher Bindungen, Gemeinbesitz, übergingen. Die Abneigung dagegen und die Furcht davor bewog einen Teil des Adels und der Städte, sich in Verhandlungen mit Siegmund einzulassen. Katholisch zu sein, war für Siegmund unerläßlich, er legte Wert darauf, sich mit dem Papst gutzustellen, aber Interesse für theologische Streitfragen hatte er nicht, und ob den Böhmen das Abendmahl nur mit dem Brot oder auch mit dem Kelch gereicht würde, hielt er gewiß für eine nebensächliche Angelegenheit. Nachdem die radikalen Forderungen, die alle Tradition, die Sakramente, kurz, alles Formale und Symbolische, über das platt Verständige und Moralische Hinausgehende, abstoßen wollten, ausgemerzt waren, blieb als entscheidendes Merkmal der hussitischen Umwälzung das Abendmahl unter beiderlei Gestalt, weshalb sich die Gemäßigten Kalixtiner nannten. Es ist merkwürdig, zu denken, daß so viel Opfer an Leben und Gut gebracht wurden, so viel Zerstörung, Blutvergießen, Jammer und Elend hatte stattfinden müssen um des Rechtes willen, das Abendmahl nicht nur im Brot, sondern auch im Wein zu empfangen. Man versteht es wohl, wenn Nikolaus von Cusa den Kalixtinern vorhielt, sie hätten unrecht, um des Kelches willen Spaltung in die Kirche zu tragen; aber sie konnten mit Fug der Kirche denselben Vorwurf machen, um so mehr, als der Text der Abendmahlseinsetzung für sie sprach und als die Austeilung in Brot und Wein bis ins 3. Jahrhundert üblich gewesen war. Indessen war es beiden Teilen wohl bewußt, daß es sich nur scheinbar um den Kelch allein handelte, dahinter stand eine selbstbewußte Gesinnung, die in allen, auch in den höchsten Dingen nur die Heilige Schrift und die eigene Auslegung derselben gelten lassen wollte.

      Es war etwas Außerordentliches, ein Ereignis von unabsehbarer Bedeutung, daß ein in Basel versammeltes Konzil die Böhmen aufforderte, Abgeordnete zum Zweck der Verständigung zu schicken, denen freie Rede, um ihre Sache zu verteidigen, zugestanden werden würde. Unerhört, daß die Vertretung des Papstes Ketzer in freundlicher Absicht mit freundlichen Worten einlud, nicht, um sie zu verurteilen, sondern, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen, und daß die Böhmen, obwohl sie das Schicksal von Huß und Hieronymus nicht vergessen haben konnten, dem Versprechen trauten. Es konnte geschehen, weil sie sich als unbesiegbar im Felde erwiesen hatten, weil sie in Waffen die Stärkeren waren. Die СКАЧАТЬ