Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Es ist bezeichnend für die damalige Auffassung von Nationalität, daß der treueste Freund und Anhänger Waldemars der Herzog Erich von Sachsen war, der ihn auf allen seinen Feldzügen begleitete. Da Herzog Erich zugleich mit der Stadt Lübeck befreundet war, trafen sie ein Übereinkommen, wonach der Herzog Waldemar auf dem Meere unterstützen durfte, zu Lande aber Frieden mit Lübeck halten wolle. Auch der deutsche Adel auf Rügen, die Putbus, Moltke, von den Lanken, stand im Dienste Waldemars, seine sagenhafte Geliebte, die Tove Lille, soll eine Putbus gewesen sein; allerdings hatte der Herzog von Pommern erst kürzlich Rügen vom Kaiser zu Lehen genommen. Waldemar selbst fühlte sich als deutscher Fürst. Im Jahre 1363, demselben, in welchem in Lübeck der Bürgermeister Johann Wittenborg hingerichtet wurde, weil man ihm die Schuld an der erlittenen Niederlage zuschrieb, weilte Waldemar als Gast in Krakau bei der Hochzeit Kaiser Karls IV. mit der jungen, schönen und starken Elisabeth von Pommern, einer Enkelin König Kasimirs des Großen von Polen, die der königliche Blaubart nach dem Tode seiner dritten Frau, Anna von Schweidnitz-Jauer, heimführte. Er begleitete nach der Hochzeit Karl nach Prag und ließ sich von ihm eine Urkunde bestätigen, durch die der Kaiser ihm vor 14 Jahren die Reichssteuer der Stadt Lübeck zugesprochen hatte. Nach Ablauf der vertraglich ausgemachten 15 Jahre bestand Lübeck trotz des Widerspruchs mancher Städte darauf, daß die Sundschlösser Dänemark übergeben wurden, worüber die Königin so froh war, daß sie eine Wallfahrt nach Aachen unternahm. Lübeck suchte die Handelsprivilegien der Hanse nicht mit Gewalt, sondern durch gute Beziehungen zu Dänemark zu erhalten und war bis zu solchem Grade entgegenkommend, daß ihm die Dänenfreundschaft zuweilen als Verrat vorgeworfen wurde. »Gy van Lubeke, zi zynt Densch!« riefen einmal die preußischen Städte, »Sla dot de vorreder van Lubeke, wente ze hebben den Denschen got!« Mit der Königin Margarete, Waldemars großer Tochter, blieben sie in gutem Einvernehmen, selbst als sie Schleswig, mit dem sie im Anfang ihrer Regierung den Grafen Gerd von Holstein erblich belehnt hatte, wieder an sich nehmen wollte, nachdem die Dithmarscher im Jahre 1404 den Grafen erschlagen hatten. Ein letzter Erfolg glückte ihr, indem sie Flensburg einnahm; dann starb sie auf ihrem Schiff im Hafen vor Flensburg an der Pest. Trotz Hamburgs Unwillen über die Besetzung Schleswigs und obwohl die unteren Volksschichten Lübecks den Krieg gegen Dänemark verlangten, blieb der Rat bei seiner zurückhaltenden Vermittlungspolitik. Der Kampf um Schleswig zog sich, von Stillständen unterbrochen, jahrelang hin, bis der drohende Abfall Schwedens den Nachfolger der Margarete nachzugeben bewog. Infolge des Friedens vom Jahre 1435 blieb das Herzogtum Schleswig in den Händen des Grafen von Holstein, ohne daß die Frage der Lehensabhängigkeit von Dänemark berührt wurde. Etwa zehn Jahre vorher hatte der Kaiser Schleswig den Grafen von Holstein aberkannt und dem König von Dänemark zugesprochen.
Als Margarete im Kampf um Schleswig vor Flensburg starb, standen in Lübeck nicht mehr die Männer an der Spitze der Stadt, die mit ihr zu verhandeln pflegten, Jordan Pleskow, Heinrich Westhof; es hatte eine Umwälzung stattgefunden, die die Ämter ans Regiment gebracht hatte. Ganz anders ging es dabei zu als in Stralsund, obwohl auch in Lübeck der Rat sich weigerte, auf die Selbstergänzung zu verzichten. In würdiger Weise suchte er die Angreifer zu überzeugen, daß die Interessen der Stadt und der Hanse Schaden leiden würden, wenn das bisherige Vertrauensverhältnis zwischen Rat und Bürgerschaft zerstört wurde, daß auf der alten Verfassung das Ansehen Lübecks als Haupt der Hanse beruhe, und da diese Vorstellung nichts fruchtete, gingen 15 Ratsherren mit ihren Familien in die Verbannung, teils nach Hamburg, teils nach Lüneburg. Sie bemühten sich dort um die Vermittlung des Kaisers; es war zuerst Ruprecht von der Pfalz, dann Sigismund, der die norddeutschen Verhältnisse nicht genügend kannte, auch zu sehr sein Ziel, bei jeder Gelegenheit Geld zu machen, im Auge hatte, um schnell und durchgreifend helfen zu können. Was die Emigranten zurückführte, war der Gang der äußeren Verhältnisse, der Krieg mit Dänemark, den die Volkswut herbeizuführen drohte. In der schwierigen Lage wurde der demokratische Rat seiner diplomatischen Unbehilflichkeit inne und trat freiwillig zurück; ebenso einsichtig verhielt sich der alte aristokratische Rat, indem er auf jede Rache, wie sie sonst üblich war, verzichtete, sogar einige Mitglieder des neuen Rates in den alten aufnahm. Hernach aber setzte Lübeck den Beschluß eines Gesetzes durch, wonach Aufruhr gegen den Rat in allen Hansestädten mit dem Tode oder mit Verbannung bestraft werden sollte.
In demselben Jahre, als Waldemar Atterdag starb, besuchte Karl IV. mit seiner Frau Elisabeth von Pommern Lübeck. Seit Friedrich I. war kein Kaiser mehr dort gewesen; als Markgraf von Brandenburg hatte Karl wieder Interesse für den Norden. Wie wenig tatsächliche Hilfe auch Karl oder irgendein anderer Kaiser der stolzen Stadt geleistet hatte, das reichsstädtische Verhältnis war wichtig, und der Einzug wurde mit feierlichem Gepränge aufgeführt. Als der Kaiser die Regierenden »Ihr Herren« anredete, lehnten sie diese Betitelung als ihnen nicht zustehend ab. »Ja, ihr seid Herren«, sagte der Kaiser, und es ist anzunehmen, daß er den Städtern nicht schmeicheln wollte, daß sie ihm wirklich imponierten. Der deutsche Kaufmann des Nordens hatte das Zepter der Ottonen und der Salier ergriffen, er verwirklichte, wenn auch in anderer Weise, die Träume des unglücklichen Erzbischofs Adalbert. Er stand am hohen Bord der Schiffe, die das Meer beherrschten, seine trauliche, drollige, kernige Sprache herrschte in den Verhandlungen und Verträgen mit dem Auslande. Daß die Hanse die mit dem Stralsunder Frieden von 1570 erreichte Höhe nicht überschritt und sich doch fast noch 200 Jahre auf ihr erhielt, ist etwas Außerordentliches, um so mehr, als die Umstände immer ungünstiger wurden. Sie erreichte ihr Ziel nicht in der Art, wie die damaligen Territorialfürsten ihre Macht aufbauten, nicht durch straffes Anspannen und oft Erschöpfen aller Kräfte, namentlich der finanziellen, eines untergebenen Landes, nicht durch Zentralisation, sondern durch das dem Mittelalter eigentümliche Mittel: genossenschaftliches Zusammenwirken bei vollkommener Wahrung der individuellen Interessen und Besonderheiten.
Siegmund im Reich und im Osten
Die Reichsverfassung, wie sie sich im 14. Jahrhundert entwickelte, konnte man wohl Anarchie nennen. Nur durch dauernden Kampf konnten sich alle die tätigen Kräfte im Gleichgewicht halten, keine hatte ein solches Recht, daß sie es sich nicht beständig, beinah täglich hätte erobern müssen. Niemand versäumte, sich sein erkämpftes Recht durch Privilegien bestätigen zu lassen; aber obwohl diese besiegelten Pergamente in hoher Geltung standen und nicht leicht mißachtet wurden, mußten sie, da sie etwa durch neueroberte Rechte anderer oder durch veränderte Verhältnisse bedroht wurden, immer erneuert, immer durch Kampf gestützt werden. Eine solche Verfassung erforderte die Schwungkraft eines Volkes, das mehr im Kampf als im Genuß Genugtuung findet und das in der Verehrung gemeinsamer Ideale sich einig СКАЧАТЬ