Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ Juristen, als zu den Gebildeten gehörig, sich bemüht hätten, den Hexenprozessen Einhalt zu tun, wozu gerade sie die Möglichkeit gehabt hätten. Allein dieser Stand befleckte sich neben den Fürsten am meisten. Durch die dauernde Beziehung zu Verbrechen und zu Strafen, die noch roher als die Verbrechen waren, ohnehin verhärtet, wurden sie durch die Aussicht auf Bereicherung vollends in das Unwesen hineingezogen. Denjenigen Juristen, die an den Universitäten, um Gutachten befragt, sich für strenge Bestrafung der Hexen aussprachen, kann die Entschuldigung zugebilligt werden, daß sie keine Vorstellung von dem Elend hatten, das sie bewirkten; die Richter hingegen, vor deren Augen sich die schauerlichen Szenen abspielten, standen auf keiner höheren Stufe als die Henker, die gewohnt waren, ihr Einkommen nach der Anzahl zerfleischter und verbrannter Körper zu berechnen.

      Tröstet sich der über diesen Schandfleck der deutschen Kultur Trauernde damit, daß er meint, die Grausamkeit und Rechtlosigkeit des Verfahrens habe dem allgemeinen Bildungsstande der damaligen Zeit entsprochen, man habe es eben nicht besser gewußt, so irrt man sich. Sogar in den Kreisen des Volkes, deren Aberglaube zum Teil ein Grund der Seuche war, trat klarere Einsicht bei denen auf, die selbst betroffen wurden. Die Opfer waren sich ja bewußt, weder mit dem Teufel gebuhlt noch auf dem Brocken getanzt zu haben, sie erfuhren am eigenen Leibe, wie die Geständnisse nie begangener Absurditäten zustande kamen. Wer das Ungeheuerlichste gedankenlos für möglich gehalten hatte, fing an zu zweifeln, sowie er selbst es begangen haben sollte. Wer sich bedroht fühlte, dachte tiefer über die Anklage nach als der, den sie nichts anging; wer aber war damals nicht bedroht? Gerade die Vermögenden waren für Richter und Henker willkommene Brocken. Um die vernünftigen Einwände dieser Unglücklichen und ihrer Angehörigen kümmerte sich niemand, nur wenige vernahmen sie. Indessen gab es auch unter den Unbeteiligten viele, die das Verfahren gegen die Hexen mit Abscheu sahen und das Wahnhafte der ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen sowie die Schuld der Richter durchschauten, und einige von diesen waren gewissenhaft und tapfer genug, um das Übel zu bekämpfen.

      Oft ist Deutschland in Barbarei verfallen, kaum je in so entsetzlicher Weise wie zur Zeit der Hexenverfolgungen; aber nie hat es an solchen gefehlt, die sich darüber erhoben und das, was sie für Unrecht hielten, mit Einsetzung ihres Lebens zu überwinden suchten: Denn sowie jemand die Art, wie man mit den vermeintlichen Hexen umging, beanstandete, wurde er selbst als Zauberer verschrien und mit Folter und Scheiterhaufen bedroht. Das gräßliche Bild der zahllosen Pfähle, an denen die durch die Tortur zerfetzten Frauenleiber verbrannt wurden, würde unerträglich sein, wenn man nicht der Reihe edler Menschen gedenken könnte, die es wagten, für sie einzutreten.

      Um die Zeit, als der Hexenhammer erschien, wurde der Mann geboren, der zuerst gegen die Schrecknisse auftrat, die aus ihm folgten. Heinrich Cornelius von Nettesheim, gewöhnlich Agrippa von Nettesheim genannt. Erfolgreich bekämpfte er in Metz im Jahre 1519 im Verein mit dem Syndikus der Stadt den Dominikaner und Inquisitor Savini und entriß ihm glücklich eine Bäuerin, die schon gefoltert war und verbrannt werden sollte. Die Anklage stützte sich hauptsächlich darauf, daß die Mutter der Angeklagten als Hexe verbrannt worden sei und daß nach dem Hexenhammer die Kinder von Hexen entweder dem Teufel geweiht oder vom Teufel erzeugt seien. Agrippa wandte ein, daß durch diese Lehre, angenommen, die Frau sei wirklich eine Hexe gewesen, die Macht der Taufe vernichtigt werde. »Ja, ich sage dir, unserem Glauben gemäß sind wir alle sündhaft und verflucht von Ewigkeit, Kinder des Verderbens, Söhne des Teufels und Erben der Hölle, und nur durch das Heil der Taufe wird Satanas aus uns herausgerissen.« Agrippa brachte es dahin, daß der verleumderische Ankläger mit einer Geldbuße belegt wurde. Als Savini, nachdem Agrippa Metz verlassen hatte, von neuem eine Hexenverfolgung betrieb, trat ein Freund und Schüler Agrippas gegen ihn auf und predigte so eindrucksvoll, daß das Volk, das kurz vorher die Einkerkerung der Hexe verlangt hatte, nun ihre Freilassung forderte und auch durchsetzte. Ein anderer Schüler Agrippas, der den Kampf gegen Grausamkeit und Dummheit in großartiger Weise fortsetzte, war Johann Weyer, ein Mann, der ebenso ausgezeichnet war durch Klarheit und Schärfe des Geistes wie durch Güte des Herzens und Furchtlosigkeit. Er stammte aus dem nördlichen Brabant, also aus den Niederlanden, von denen so viele Bekenner aufgeklärter Religiosität ausgegangen sind. Auch Weyer war durch und durch religiös, wie ja auch Agrippa dem Verfahren des Dominikaners aus der Religion geschöpfte Gründe entgegengesetzt hatte. Seit 1550 war er Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg, desselben, den Karl V., um ihn an seine Politik zu binden, mit seiner Nichte verheiratet hatte. Trotzdem blieb Wilhelm im Herzen dem Protestantismus geneigt, ebenso Weyer. In einem großen Werk De praestigiis daemonum, das 1563 in Basel erschien, hat Weyer die Barbarei der Hexenprozesse als Arzt und human denkender Mensch bekämpft. Er leugnet das Dasein und die Wirksamkeit des Teufels nicht, wohl aber, daß sich Teufel auf körperliche Art mit Menschen vermischen und daß die angeblichen Hexen auf zauberische Art Schaden stiften können. Die Buhlschaft der Frauen mit dem Teufel war aber das Kernstück der Hexenprozesse, worauf Anklage und Strafbarkeit gegründet wurden. Auf der anderen Seite machte Weyer die Hysterie und sonstige krankhafte Zustände der Opfer verantwortlich, wenn sie selbst sich, wie es zuweilen vorkam, des ihnen zur Last gelegten Umgangs mit dem Teufel schuldig hielten. Seine Erfahrung als Arzt setzte ihn instand, zahlreiche Beispiele von Kranken anzuführen, die durch verständige Einwirkung auf Körper und Seele geheilt wurden. Gehoben wird der beweisführende Inhalt des Buches durch die feurige Anteilnahme des Verfassers, sein Mitleid mit den mißhandelten Frauen, seinen Zorn über die habgierigen und mordlustigen Richter. Nachdem er dargetan hat, wie sehr die übliche Praxis gegen die Bestimmungen der Carolina verstoße, die Vorsicht bei derartigen Prozessen verlange, den falschen Ankläger bestrafe und fälschlich Angeklagten sogar Schadenersatz zusichere, während jetzt auf ganz ungegründete Anklagen dummer und roher Leute Frauen in scheußliche Kerker geworfen und solchen Folterqualen unterworfen werden, daß sie den Tod auf dem Scheiterhaufen als Erlösung betrachten, ruft er aus: »Aber wenn einmal Der erscheinen wird, dem nichts verborgen bleibt, der Herz und Nieren erforscht, der rechte Richter aller Dinge, dann sollen eure Werke offenbar werden, o ihr harten Tyrannen, ihr blutdürstigen, entmenschten und erbarmungslosen Richter! Ich rufe euch hiermit vor das Jüngste Gericht! Gott wird urteilen zwischen mir und euch! Die zertretene und begrabene Wahrheit wird auferstehen, euch ins Antlitz springen und um Rache schreien für eure Mordtaten.« Wie gefährlich es war, diese Bluthunde anzugreifen, wußte er aus seinen Beziehungen zu Agrippa, den der wütende Dominikaner über das Grab hinaus verfolgte, indem er seinen Tod als Höllenfahrt ausmalte.

      Den fanatisch verbohrten Geistlichen und Juristen, die über Weyers Buch Zeter schrien, standen Männer gegenüber, die es dankbar und begeistert begrüßten. Bischof Simon Sultzer von Basel veranlaßte 1566 eine deutsche Übersetzung, der bald eine französische folgte. Der Abt des Benediktinerklosters Echternach, die Ärzte Zwinger von Basel, Roussel in Gouda und Ewich in Duisburg, der Jurist Borcholt versicherten ihn ihrer Zustimmung. Borcholt nannte in einem Brief an einen herzoglich braunschweigischen Rat das Buch Weyers geistreich, scharf und gelehrt, so daß alle gelehrten Männer in Burgund und Belgien es wie ein Heiligtum hochhielten. »Sooft ich des vorzüglichsten Rechtsgelehrten dieses Jahrhunderts, meines Lehrers Jakob Cujacius gedenke, und ich denke oft an ihn, dann muß ich mit ihm bekennen, daß ich noch kein Buch mit größerem Vergnügen durchgelesen habe.« Er bittet den Empfänger des Briefes, den Inhalt des Buches sich anzueignen und soviel als möglich das unschuldige Blut zu schützen; vermutlich hoffte er durch den Rat den Herzog von Braunschweig zu beeinflussen. Als vernünftig denkende Fürsten nennt Weyer außer seinem Herzog den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, den Grafen Herrmann von Neuenahr, die Grafen Wilhelm von Berg und Adolf von Nassau. Wahrscheinlich ist es auf Weyers Einfluß zurückzuführen, daß Ferdinand I. und sein Sohn Maximilian II. in ihren Erblanden keine Hexen haben verbrennen lassen. Die hauptsächlichen Gegner Weyers waren der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld, der französische Gelehrte Jean Bodin, der spanische Jesuit Delrio und der sächsische Professor Benedikt Carpzov; die haben durch ihre Bücher, erweiterte Hexenhammer, mehr Schaden gewirkt als Weyer Nutzen durch das seine. In ihren Augen war Weyer ein Patron der Hexen, selbst Zauberer oder Ketzer und Atheist. Die katholische Kirche setzte sein Buch auf den Index.

      Einmal ausgebrochene Bewegungen werden auch durch die vernünftigsten Gegenwirkungen nicht aufgehalten; dafür ist ein Beweis die Tatsache, daß die Hexenverfolgung nach dem Erscheinen СКАЧАТЬ