Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ Schleuse zu öffnen oder zu schließen brauchten, so hätten sie auch die Jagd auf Hexen abstellen können; sie unterließen es, weil sie entweder den Aberglauben des Volkes teilten oder aus Gleichgültigkeit und Gewinnsucht. Letzteres betraf die Richter und Henker, ersteres die Fürsten; der hohe Adel war großenteils ebenso beschränkt, roh und abergläubisch wie das Landvolk, das er beherrschte.

      Es ist bekannt, daß Karl der Große das Verbrennen von Hexen, das bei den Sachsen geübt wurde, bei Todesstrafe verbot. Auch die Kirche bekämpfte das Hexenwesen als heidnischen Aberglauben. Gregor VII. gebot einem Könige von Dänemark zu verhindern, daß unschuldige Frauen als Zauberinnen, die Unwetter und Seuchen angestiftet haben sollten, verbrannt würden. Eine Synode von Trier schärfte im Jahre 1310 den altkirchlichen Satz ein, kein Weib solle vorgeben, daß es des Nachts mit der heidnischen Göttin Diana oder mit der Herodias und einer unzähligen Menge von Weibern ausreite; denn das sei teuflischer Trug. Noch im Jahre 1485 heißt es in einem Lübecker Beicht- und Gebetbuch: »Hast du geglaubt an die guten Hulden und daß dich der Nachtmar ritte, oder daß du auf einer Ofengabel auf den Blocksberg rittest! Lieber Bruder, diese Stücke sind schwere Todsünden.« Aber um diese Zeit war schon eine Wendung eingetreten. Johann XXII. und Eugen IV. erließen verschärfte Bestimmungen gegen Zauberei. Gleichzeitig, im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, fanden in der Schweiz, im Wallis, im Simmenthal und in Freiburg viele Verbrennungen von Hexen statt. Im Jahre 1484 erklärte Papst Innocenz VIII., daß der Teufel seinen Anhängern die Macht geben könne, Menschen und Tiere zu verderben, und dies war der Ausgangspunkt für die Anklagen und Verfolgungen; denn gerade bei Erkrankungen von Mensch oder Vieh pflegte der Bauer, anstatt einen Arzt zu Rate zu ziehen, der auch wohl nicht zur Stelle war, die Ursache in der Zauberei einer Hexe zu suchen. In der berüchtigten Bulle Summis desiderantes affectibus beklagt Innocenz, daß in vielen Teilen Deutschlands sehr viele Personen beiderlei Geschlechts mit Hilfe der Dämonen, welche sich als Männer und Weiber mit ihnen vermischen, Unfug treiben. Sie verderben, ersticken und richten zugrunde die Kinder, die Weiber, die Früchte der Erde, das Vieh, die Weinberge, das Korn, sie plagen Menschen und Tiere mit grausamen Schmerzen. Obschon, so fährt die Bulle fort, die geliebten Söhne Heinrich Krämer und Jakob Sprenger zu Inquisitoren durch apostolische Briefe bestellt worden seien, so hätten doch einige Kleriker und Laien jener Länder, die klüger sein wollten als nötig ist, sich nicht geschämt, hartnäckig zu behaupten, sie brauchten die Verhaftung und Bestrafung solcher Personen nicht zu gestatten. Krämer und Sprenger, zwei Dominikaner, gehörten augenscheinlich zu jenen bestialischen Pedanten, in denen sich Grausamkeit und Wollust mit Beschränktheit, Enthaltsamkeit, Ehrgeiz vereinen, und die, wenn sie mit Macht ausgestattet werden, zu einer Geißel ihrer Mitmenschen werden können. Anfänglich hatten die beiden Mönche, wie auch aus der Bulle hervorgeht, mit ihrer Verfolgungswut kein Glück. In Tirol stießen sie auf Widerstand sowohl beim Erzherzog Siegmund von Tirol wie beim Bischof von Brixen, die hier, nach Beilegung des alten Streites, ehrenvoll zusammenwirkten. Auch anderswo wirkten Pfarrer und Prediger der Inquisition nachdrücklich entgegen. Um nun die Bevölkerung, das heißt vornehmlich den Klerus und die Gelehrten, im Sinne der Inquisition aufzuklären und von den durch die Hexerei drohenden Gefahren zu überzeugen, schrieben Krämer und Sprenger den Malleus maleficarum, den Hexenhammer, ein Lehrbuch der Teufelsbündnisse und des Hexenprozesses, voll von haarsträubenden und unflätigen Beschreibungen der Buhlerei zwischen dem Teufel und den Frauen und der Art, wie sie durch Folter und Henkerskniffe zum Geständnis gebracht werden können.

      Auch dies Buch erreichte seinen Zweck nicht gleich. Im Auftrage des Erzherzogs Siegmund faßte der Jurist Molitor, Protonotar an der bischöflichen Kurie in Konstanz, ein kluges Gutachten darüber ab, in welchem er sagte, der Teufel könne keine Kinder erzeugen, Menschen könnten keine andere Gestalt annehmen und sich nicht auf zauberische Weise an andere Orte versetzen; sie könnten, sagte er, sich nur einbilden, daß sie seien, wo sie nicht sind, und sähen, was sie nicht sehen. Was die Frauen angäben von Hexentänzen sei Vorspiegelung reizbarer Phantasie oder Traum. Immerhin kam Molitor zu dem Schlusse, daß Hexen bestraft werden müßten, wenn sie sich dem Teufel ergeben hätten, was selbstverständlich war, und auch, wenn man sich an die Vorschriften der Carolina gehalten hätte, leidlich gewesen wäre. Nach der Carolina sollten nur solche Hexen die Todesstrafe erleiden, die Schaden gestiftet hatten, und der Anwendung der Folter waren gewisse Schranken gesetzt. Vor allen Dingen aber war nach der Carolina das Vermögen der Gerichteten nicht einzuziehen, und es erwuchs dem Richter kein Vorteil aus ihrer Verurteilung. Eine andere Regel der Carolina besagte, daß den Aussagen der Zauberinnen kein Glauben geschenkt werden dürfe. Gerade auf diesen aber bauten sich die Massenverfolgungen auf; die Folterung hatte nicht nur den Zweck, den Beklagten das Geständnis der eigenen Schuld zu entreißen, sondern auch die Benennung von Mitschuldigen. Die Angeklagten, fast immer schuldlose und oft gute, ehrenhafte Frauen, scheuten sich davor, andere in ihr schreckliches Schicksal hineinzuziehen; aber unter der Folter verließ sie die Kraft. Nahmen sie nach der Tortur ihre Aussage zurück, so begann die Marter von neuem. Die Qualen, denen sie unterworfen wurden, waren so entsetzlich und die Aussicht, Gerechtigkeit zu finden, so gering, ja eigentlich nicht vorhanden, daß die Geistlichen, die die Aufgabe hatten, die Opfer zum Tode vorzubereiten, ihnen rieten, von der Zurücknahme ihrer Aussagen abzusehen, da doch keine Rettung möglich sei. Obwohl es einige wenige Male vorgekommen ist, daß eine Frau die Tortur überstand, ohne zu gestehen, und entlassen wurde, so kann man doch im allgemeinen sagen, daß jede vor Gericht Gezogene verloren war.

      Die gesetzliche Grundlage zu den Hexenverfolgungen haben wohl die päpstliche Bulle Summis desiderantes und der Hexenhammer geschaffen; aber daß sie nicht die einzige war, geht schon daraus hervor, daß sie weder in Italien noch in anderen Ländern solchen Grad erreichten wie in Deutschland, in manchen überhaupt nicht stattfanden. Es muß im deutschen Volke eine Anlage zum Entstehen dieser Seuche gelegen haben, und das war wohl die Neigung zum Zauberwesen, zu den überirdischen Geheimnissen, die ihm eigen war. Es ist gewiß so, daß dieselbe Veranlagung sich in den verschiedenen Schichten eines Volkes sehr verschieden äußern kann: so führte die Phantasie, eine den Deutschen angeborene Kraft, einige zu religiösen Erleuchtungen, einige zu den edelsten Bezauberungen der Kunst, andere zu den Höhen des Gedankens, die rohen und einfältigen Bauern, wie Luther sie nannte, die in Armut verkümmerten, freudlosen und verbitterten, zu wüstem Aberglauben; und wie die alten Germanen glaubten, daß Frauen von dem göttlichen Anhauch besonders berührt würden, und die Frauen auch am ersten das Christentum und den neuen Glauben ergriffen, und wie sie deshalb im Altertum Verehrung genossen, so wendete sich die Beziehung zu den unsichtbaren Mächten gegen sie, wenn es sich um teuflische handelte. Diese auf der Phantasie des deutschen Volkes beruhende Grundlage hat immer bestanden, ohne daß es zu einem verheerenden Ausbruch gekommen wäre; zu einem solchen brachte es erst die Verwilderung einer erschütterten Zeit. Im Jahre 1535 dichtete ein Professor des Griechischen in Heidelberg: »Hellas und Latium stehn bei allen in gleicher Verachtung – Und die barbarische Flut strömt schon wieder herein.« Ist das auch vom Standpunkt des Humanisten gesprochen, der den Rückgang antiker Bildung infolge der Entfesselung religiöser Leidenschaften beklagt, so trifft es doch den Zustand von Verrohung des ganzen Volkes, der sich auch den Reformatoren so schreckhaft bemerkbar machte. Schon im Jahre 1508 klagte der Abt Trithemius, daß die Zahl der Hexen in allen Teilen Deutschlands zunehme und Mensch und Vieh durch sie verkomme; übrigens wurde er selbst der Zauberei verdächtigt. Das war in der Zeit vor dem Bauernkriege; nach demselben sah es auf dem Lande in jeder Beziehung noch ärger aus. Was für einen Unterschied der Bildungsgrad ausmacht, das zeigt sich in der örtlichen Verbreitung des Hexenwesens: Außerordentlich viel Brände waren in den Bistümern Bamberg und Würzburg, im Erzbistum Trier, im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, im Stift Fulda, im Kanton Bern, also in vorzugsweise ländlichen Gegenden. In den großen Städten dagegen, in Nürnberg, Frankfurt am Main, Lübeck fanden fast gar keine statt. Der Rat von Nürnberg schrieb an den von Ulm, er habe von dergleichen Trudenwerk nie etwas gehalten, auch allemal befunden, daß es keinen Grund habe; er habe deshalb nie anders gehandelt, als daß er dergleichen Personen aus seinem Gebiet verwiesen habe. Im Erzbistum Trier wurden in den Jahren 1593-97 306 Hexen verbrannt, wobei die Stadt Trier nicht mitgerechnet war, im Kanton Bern 1597-1600 über 300, im Würzburgischen in einem einzigen kleinen Orte in einem Jahre 99. Aber auch in kleineren Städten wurde gräßlich gewütet, so in Lemgo und Osnabrück, in beiden Fällen unter СКАЧАТЬ