Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ das Universum einer gespannten Saite, die, wenn man sie an einem Ende berührt, überall anklingt. In jedem einzelnen ist ein Anklang des Ganzen, am meisten im Menschen, der ein vollendetes Bild des Universums ist, in dem alle Kräfte, auch die der alles erfüllenden, alles durchdringenden Weltseele, zusammenströmen. Deshalb können menschlicher Geist, Phantasie und Wille, die aus den Augen des Menschen hervorblitzen, bezaubern. Er führt Alexander an, der Licht und Feuer gesprüht habe, als er in der Schlacht umringt gewesen sei. Schrecken und Freude können töten, Liebe und Vertrauen zum Arzt heilen mehr als Arzneien. Solche Taten, sagt er sehr schön, seien so wenig über oder wider die Natur wie die Bezauberung, die ein Musiker durch die Macht der Töne über seine Zuhörer ausübe. Auch Paracelsus glaubte, daß der Mensch durch bloßes, inbrünstiges Wollen einen anderen stechen könne; das sei kein Werk des Teufels, sondern natürliche Kraft. Auch er leitete wunderbare Wechselwirkungen aus dem Zusammenhang des Universums ab, in dem jeder Körper beseelt, der Tod eine Wiedergeburt sei. Der Abt Trithemius, der bei Gelegenheit ziemlich in heiliger Einfalt schwelgte und die verfänglichen Fragen des Kaisers Maximilian nicht, wie dieser es wünschte, aus der Natur, sondern an der Richtschnur der Kirche beantwortete, hielt doch die Beschäftigung mit den geheimen Wissenschaften nicht für Sünde. Er wollte ein Buch über die von ihm entdeckte Kunst schreiben, einem Eingeweihten seine Gedanken oder seinen Willen auf jede Entfernung mitzuteilen, sowohl durch einen Boten, der aber das Mitzuteilende nicht kenne, wie ohne Vermittler. Wer die Kräfte der Natur nicht kenne, meinte er, werde das für Zauberei halten; es gehe aber ohne abergläubische Mittel und ohne den Beistand von Geistern vor sich. Wegen des Mißbrauchs, den schlechte Menschen mit dieser Kunst treiben könnten, unterließ es Trithemius, das Buch zu schreiben.

      Wenn aber auch diese Männer das Zaubern aus natürlichen Kräften erklären wollten, konnten sie ihm doch, schon weil gesteigertes menschliches Wollen und Phantasie dabei mitwirkte, das Gefährliche und Anrüchige nicht nehmen. Seit Urzeiten beruht das menschlich-gesellige Dasein auf der Übereinkunft, nicht anders als durch die Mittel zu wirken, die Natur und Kunst dem Menschen darbieten. Wie wir die Kraft der Schlange, ihr Opfer durch das Blicken ihrer Augen bewegungslos zu machen, als teuflisch empfinden, so graut es uns auch vor Menschenaugen, in denen eine zwingende Kraft zu liegen scheint; die Menschen begriffen, daß Zauberei ein geordnetes Dasein unmöglich machen würde. Gegen Verbrechen kann man sich schützen, ihnen ausweichen oder entgegenwirken, sie bestrafen; Zauber ist unentrinnbar, unfaßbar, allzerstörend. Den Zauber und das Wunder hat Gott sich vorbehalten. Er kann Zauberkraft Menschen verleihen; das ist die weiße Magie, die zum Heile der Menschen oder zur Verherrlichung Gottes ausgeübt wird. Lehrt der Teufel, der Affe Gottes, die Menschen zaubern, so ist es nur Blendwerk, da er ja nicht schaffen kann, und sie müssen mit dem Heil ihrer Seele dafür zahlen. Die Kirche unterschied in vorkommenden Fällen die weiße von der schwarzen Magie, der des Teufels; aber sie pflegte in einer so subtilen Sache lange zu untersuchen, ehe sie ihr Urteil aussprach, und glaubte nicht leicht, daß Gott den sündhaften Menschen mit so großen, göttlichen Gaben ausgestattet habe.

      Widmann, der Verfasser des Faustbuches, das 1599 erschien, hat die Sage in den Gegensatz von Luthertum und Papsttum eingespannt. Ihm ist Faust ein Lutheraner, den die Katholiken mit ihrer Zauberei betört haben; denn für ihn wie für viele Protestanten trieben sie Zauberei, indem sie Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi verwandelten; das opus operatum, die Handlung die durch den bloßen Vollzug wirkt, wurde als Zauber aufgefaßt. Das aber ist ein theologischer Schnörkel Widmanns; das älteste Faustbuch sagt ausdrücklich, Fausts Abfall sei sein Stolz und seine Vermessenheit, die hätten ihn getrieben, Gott gleich sein zu wollen, es vergleicht ihn mit den Riesen, die Berge zusammentrugen, um Gott zu bekriegen, mit dem bösen Engel, den Gott wegen seines Hochmuts aus dem Himmel verstieß. Auch an den persischen König Zoroaster wird erinnert, den der Teufel reizte, etwas Neues und Unerhörtes zu beginnen, damit er unter die Götter gezählt werde; der Teufel führte ihn über sich in die Lüfte, wo er die Götter und Gestirne sehen wollte, aber vom himmlischen Feuer verbrannt wurde. Augenscheinlich fühlte die Sage, wenn es ihr auch nicht deutlich zum Bewußtsein kam, die Verwandtschaft mit Luther, dem Riesen, der den schützenden und engenden Ring zerbrach und sich in die Geheimnisse Gottes drängte. Er erlaubte seinem Volke, das bisher Gott angebetet hatte, Gott zu denken, mit seinen gebrechlichen Sinnen, seinem mangelhaften Verstande, seinem belasteten Gewissen sich der Ewigen Glut zu nähern. Den Dämon Luther verzehrte sie nicht, weil er die Macht des Gebetes wie einen Zauber gebrauchen konnte; den Dämon Faust erfaßte sie und wurde ihm zur Hölle.

       Inhaltsverzeichnis

      In merkwürdiger Verkennung pflegt man im Hinblick auf Luthers Umgang mit dem Teufel zu sagen, er sei in rohem mittelalterlichem Aberglauben befangen gewesen, während man doch ebensogut seinen Verkehr mit Gott hätte abergläubisch nennen müssen. Für Luther war die Macht des Bösen ebenso persönlich wie die Macht des Guten. Es wäre falsch, zu sagen, er personifizierte sie; es hängt wohl mit der Bewußtseinsstufe zusammen, auf der sie sich befinden, daß die Menschen zuzeiten die übermenschlichen Gewalten persönlich auffassen, zuzeiten dies nicht vermögen, ja nicht einmal begreifen, daß andere es können. In dem Buche, das Luther liebte und neu herausgab, der Theologia teutsch, ist mit klaren Worten ausgesprochen, daß der Teufel die Selbstsucht ist. »Ichheit und Eigenwille, Eigenwilligkeit, Selbstheit, Ich, Mein, Mir, Sich, Natur, Falschheit, Teufel, Sünde: das ist alles ein- und dasselbe.« An anderer Stelle heißt es, die Hölle sei nichts anderes als der Eigenwille. Man ist durchaus berechtigt anzunehmen, daß Luther diese Ansicht teilte, und man erkennt es auch da, wo er den Teufel ins Feld führt. Das Selbst schiebt sich zwischen den guten Willen oder die klare Erkenntnis. Es versteht sich, daß das Ich nicht selbst der Teufel oder das Böse ist, sowenig wie es Gott sein kann. Luther sah das Leben als ein grandioses Drama: das Ringen Gottes und des Satans um die menschliche Seele, bei dem der Tau der Gnade das Höllenfeuer löscht und die lechzenden Zungen sich immer wieder aufbäumen und Nahrung suchen. Glaubte er an Gott und den Teufel und ihr Wirken auf den Menschen, so mußte er auch glauben, daß sich einige Menschen dem Bösen ergeben, wie sich andere Gott weihen. Daß die dem Teufel Verbundenen sich höchst strafbar machten, ist selbstverständlich; waren sie doch ärger als Atheisten, denn sie glaubten an Gott und widersetzten sich ihm, gelobten mit den ihnen von ihrem Gebieter verliehenen Kräften Schaden zu stiften.

      Ob und wieviel Macht über die Natur und die Menschen der Teufel seinen Anhängern geben könne, das war eine Frage, die verschieden beantwortet wurde; Luther glaubte an die Zauberkraft des Bösen, worauf ihn auch die Bibel hinwies.

      Zur Erklärung der Hexenverfolgungen kann man Luthers Stellung zum Teufel schon deshalb nicht anführen, weil sie in den katholischen Ländern ebenso, ja fast noch mehr wüteten; andere Erklärungen, die von katholischen Verhältnissen ausgehen, stimmen nicht für die protestantischen Länder. Diese furchtbarste Verirrung, die das Abendland gesehen hat, ist nur zu erklären durch die Verwilderung, die mit dem Zusammenbruch der alten Fundamente zusammenhing, in Verbindung mit dem heidnischen Aberglauben, der sich auf dem Lande erhalten hatte. Staat und Kirche waren diesem Aberglauben entgegengetreten; aber er war niemals ausgerottet worden und regte sich lebhafter, je mehr die Bildung des Klerus sank und die, welche führen sollten, den zu Führenden nicht mehr überlegen waren. Es wohnen in allen Menschen, ganz gewiß in den deutschen, uralte abergläubische Grundvorstellungen und mit diesen verwachsen die Sehnsucht nach unmittelbarer Verwirklichung des Willens, nach magischer Beherrschung der Natur, die immer wieder die von gotterfüllten Menschen in den Anfängen des Menschendaseins aufgerichteten Ordnungen zu durchbrechen suchen. Nach großen Erschütterungen drängt sich das Chaos durch aufgerissene Spalten und vernichtet die Kultur, wenn nicht hohe Vernunft die Lava der Tiefe eindämmt. Dem ungebildeten, vernachlässigten Volk konnte es nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß es vermeintliche Hexen für seine Bedrängnisse verantwortlich machte, verhängnisvoll und unverzeihlich war es, daß die Führenden, anstatt dem dumpfen Treiben zu wehren, es bestärkten, ja anfeuerten. Ein fürchterliches Beispiel sind für alle Zeiten die Hexenverfolgungen für das Unheil, das entsteht, wenn Regierende die rohen Triebe und Vorurteile des Volkes nicht СКАЧАТЬ