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dieser schreckensvollen Zeit der Verfolgung schwand vollends dahin, was noch von alter Überlieferung und Ordnung in diesen Sekten gewesen war. Anstatt der durch Handauflegung berufenen Apostel traten Propheten auf, die durch das unmittelbare Wort des Herrn beauftragt zu sein behaupteten. Einer von ihnen war Melchior Hofmann, der sich eine Zeitlang in Straßburg aufhielt und von dem beredten und klugen Butzer in einer Disputation besiegt wurde. Schön sagte einer von den Täufern: meine Zunge könnt ihr bezwingen, Gott aber bezwingt mein Herz. Mit Disputationen konnte vollends nichts ausgerichtet werden, wenn ein Teil nur die Heilige Schrift als Maßstab gelten ließ, der andere nicht. Das war auch der Fall bei dem Propheten Mathys, einem Bäcker aus Haarlem: Die Niederlande hatten von jeher Ketzer erzeugt, solche, die der römischen Kirche und ihren festen Formen und Lehren, ihrem Zeremoniell, ihrer Pracht und Weltlichkeit tiefsinnige Mystik, solche, die ihr praktische Verständigkeit und fromme Betätigung durch Wohltun entgegensetzten. Beides konnte zuweilen in schwärmerische Verstiegenheit umschlagen, besonders als die schonungslose Verfolgung die Gläubigkeit der Gequälten zum Fanatismus steigerte. Ausgewiesen und gehetzt fand Mathys mit seinen Anhängern eine Zuflucht in der westfälischen Stadt Münster, an deren schönen Dom sich alte Erinnerungen aus der Zeit des unter den Sachsen sich entfaltenden Christentums knüpfen. Es gelang den Täufern, den begabten Pfarrer Rottmann, der erst kürzlich das Evangelium in Münster eingeführt hatte, für ihre Ansichten zu gewinnen. Man ging ernstlich an die Bereitung des Gottesreiches, das zu dem bevorstehenden Ende der Zeiten überleiten sollte. Der Glaube, daß man am Ende der Zeit stehe, war damals verbreitet, auch Luther überkam er zuweilen; wenn schon die Umwälzung und Verstörung weit und breit dazu führte, um wieviel mehr mußte er sich derer bemächtigen, für die jeder Tag ein grauenvoller letzter sein konnte. Neben Mathys trat ein junger Mann, ein Schneider aus Leyden, Jan Bockelson hervor, ein schöner, sehr begabter und kühner Mensch; beide, Mathys und Bockelson, waren durch ihre Sicherheit und ihren unerschütterlichen Mut geeignet, die Menschen und namentlich die Frauen hinzureißen. Ein Teil der Münsterschen Einwohner widersetzte sich allerdings den Täufern, und eine Auseinandersetzung mit den Waffen stand bevor; da brachte der Bürgermeister, um Blutvergießen zu verhindern, eine Versöhnung zustande, wonach gegenseitige Duldung gewährleistet wurde. Als nun der Bischof von Münster, Franz von Wartenberg, sich in Bewegung setzte, um das Regiment in seiner Stadt an sich zu nehmen, bemächtigte sich Mathys der Regierung und besetzte den Rat sowie alle Ämter mit seinen Anhängern. Es waren außer einem einzigen Patrizier lauter Handwerker, jene Schicht also, die zur Sektenbildung und zu religiös gefärbtem Tugend- und Niedrigkeitszwange stets geneigt war. Bald darauf wurden im Interesse fester Zusammenfassung aller Kräfte diejenigen ausgewiesen, die sich nicht taufen lassen wollten. Trotzdem blieben an Widerstrebenden noch einige 100 Mann und 2000 Frauen zurück. Man rühmt das Geschick und die Umsicht der Regierenden, den Heroismus der gesamten Bevölkerung, dann, daß die belagerte Stadt beinah anderthalb Jahre lang, vom Februar 1534 bis zum Juni 1535 standhielt. Nachdem Mathys, bei einem Ausfall tapfer kämpfend, gefallen war, wurde Jan von Leyden sein Nachfolger. Er zog allen Besitz ein, um ihn gleichmäßig zu verteilen, und führte die Vielweiberei ein; alle Frauen mußten entweder heiraten oder sich in den Schutz eines Mannes begeben. Diese Maßregeln hingen mit den Bedürfnissen der Verteidigung zusammen, aber sie kamen auch den ausgelassenen Trieben vieler und Jan Bockelsons selbst entgegen. Die Feinde benutzten es, um die Täufer viehischen Lebens und der gottlosen Gütergemeinschaft zu bezichtigen. Den Belagerten nützte nicht nur, daß in den Truppen des Bischofs Unordnung herrschte und manche zu ihnen übergingen, sondern hauptsächlich, daß die angreifenden Stände sich nicht darüber einigen konnten, wie es mit der Stadt nach ihrer Unterwerfung gehalten werden sollte. Gemäß der Reichsverfassung mußten nämlich die benachbarten Kreise dem Bischof bei der Herstellung der Ordnung Hilfe leisten: die evangelischen wollten nicht, daß sie einem katholischen, die Städte nicht, daß sie einem Fürsten ausgeliefert würde. In der Verlegenheit wurden Vermittlungsversuche gemacht; sie scheiterten aber an Johanns unbeugsamer Weigerung, sich mit den Papisten zu vertragen. Endlich bequemten sich die Kreise zur Hilfeleistung, und da das nichts fruchtete, bequemte sich auch das Reich; aber doch brachte erst Verrat die unglückselige Stadt zu Fall. Nach dem Aufstand in Münster, der eine so lange, kostspielige Rüstung nötig gemacht hatte, nach den Ausschreitungen, die alle verketzernden Anklagen rechtfertigten, war der Haß auf die Wiedertäufer noch ärger als zuvor. Der einzige Fürst, der sich weigerte, ein Todesurteil an ihnen zu vollstrecken, war Philipp von Hessen; wenn Sektierer in seinem Lande gefangen wurden, bemühte er sich persönlich oder durch seine Geistlichen, sie durch gütliches Zureden für die Kirche zu gewinnen. Luther hatte anfänglich Mitleid mit den Verfolgten und hielt mit endgültigem Urteil zurück, weil er nicht genügend Bescheid über sie wisse, verstand sich aber schließlich doch zur Billigung von Hinrichtungen. Die Probleme indessen, die die Täufer anrührten, haben ihn zeitlebens beschäftigt. Schon im Jahre 1526 schrieb er: »Diejenigen, die mit Ernst Christen wollen sein und das Evangelium mit Hand und Mund bekennen, müßten mit Namen sich einzeichnen und abgesondert von dem allerlei Volk in einem Haus allein sich versammeln, zum Gebet, zum Lesen, zum Taufen, die Sakramente zu empfangen und andere christliche Werke zu üben. In dieser Ordnung könnte man die, so sie sich nicht christlich hielten, kennen, strafen, bessern, ausstoßen oder in Bann tun. Hier könnte man auch ein gemeines Almosen der Christen auflegen, das williglich gegeben und unter die Armen ausgeteilt würde.« Es waren täuferische Ideen, die ihn da bewegten, Erinnerungen vielleicht auch an die Alt-Evangelischen und ihren Führer Staupitz. Immer wieder hat er sich gefragt, ob es nicht möglich sei, Menschen, denen es mit der Nachfolge Christi Ernst sei, in kleinen Kreisen zusammenzufassen, wo seine Gebote eher verwirklicht werden könnten, als es innerhalb seiner Kirche möglich war. Wenn er gelegentlich ausgesprochen hat, daß es eine dreifache Kirche geben sollte, eine für die Einfältigen, Kinder und Bauern, eine für die werdenden Christen und eine für die Vollendeten, wo die Kuppel fällt, um den offenen Himmel einströmen zu lassen, so muß man an die bei Ketzern und Mystikern geltende Stufenreihe denken.
Melanchthon, der ein sehr reizbares Gemüt hatte und an trüben Stimmungen litt, war einstmals besonders niedergedrückt und geneigt, an aller Welt zu verzweifeln. Da geschah es, daß er im Hause eines Freundes dessen Frau sah, wie sie am Herde mit der Zubereitung des Essens beschäftigt, ein kleines Kind auf dem Arme trug und ein etwas größeres, das ihr am Kleide hing, das Vaterunser lehrte. Als ihm so vor Augen stand, was für Mühe von der Frau täglich getragen, was für Arbeit täglich geleistet wird, wie mitten durch die rohen und bösartigen Leidenschaften des Lebens ein Strom von wirkender Güte von ihr ausgeht, löste sich das Gewicht von seiner Brust, er sah zuversichtlicher in die Zukunft. Er mochte das Gefühl haben, welches ein nordischer Dichter in den Ausspruch gefaßt hat: die Frauen sind die Stützen der Gesellschaft. Man hätte sie bewundern können, wenn sie nur die schweren Aufgaben des täglichen Lebens, die gerade auf ihnen, den zarten, lasteten, freudig, ihrer eigenen Bequemlichkeit nicht achtend, auf sich genommen hätten; aber sie beteiligten sich auch mit ganzer Seele an den Kämpfen der Zeit. Die dramatischen, besonders die religiös gefärbten Epochen sind der Entfaltung der Frau günstig; denn die Frau, die weniger als der Mann gewöhnt ist, für den Erwerb zu sorgen, die alle Gefühlswerte höher schätzt als der Mann, deren Erleben sich zum großen Teil auf der Ebene der Phantasie abspielt, gibt sich im allgemeinen ihren Überzeugungen rückhaltloser hin als der Mann, vor allem, wenn sie sich auf das Göttliche beziehen. Wie alle Menschen, die ihre Kraft weniger aus einem starken, gesunden Körper als aus seelischen Quellen ziehen, scheint sie ihr in Kämpfen eher zu wachsen als sich zu erschöpfen, weicht sie vor keiner Anstrengung, keinem Opfer zurück. Das gilt besonders von der deutschen Frau, deren geistiges Leben, wieviel Ausnahmen es auch geben mag, zum Religiösen neigt.
An der humanistischen Bewegung hat die deutsche Frau sich nicht beteiligt, wenn es auch einzelne Frauen gab, die Latein lernten und die alten Schriftsteller lasen, aber Fragen über ciceronianischen oder taciteischen Stil, oder ob dieser oder jener Text der echte sei, interessierten sie wenig. Den Glauben aber verstanden sie, hier entschieden sie sich mit Leidenschaft und Sicherheit. So waren sie in den Anfängen des Christentums gewesen, so unter den
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