Die Bestie im Turm. Tom Wolf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Bestie im Turm - Tom Wolf страница 7

Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

isbn:

СКАЧАТЬ Mein Freund Dellinghausen kann ihm einiges darüber erzählen, jedermanns Sache ist es nicht.«

      Geismar kratzte sich hinterm Ohr und zog zu diesem Antrag die Stirn kraus.

      »Euer Angebot ehrt mich. Ob sich aber mein Sohn Eures Vertrauens würdig erweisen kann? Habt Ihr die Kräutersäcke gesehen, die er wieder angeschleppt hat …? Sicher, er verdient ein paar Pfennige mit seinem Tand, aber ich bin so in Sorge ob der nächsten Wochen … Was wird mit dem Handel in unserer Stadt, wenn die Bedrohung durch den Herzog nicht aufhört? Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich sehe keinen Sonnenstrahl, sondern nur höllische Glut am Horizont und würde mir, vergebt mir, einen ordentlichen Strick drehen, wenn ich mit Blei und Silber und teuren Dingen handelte wie Ihr …«

      Daniel lachte.

      »Ich sehe nicht so schwarz. Ich weiß, was Ihr denkt – wir Händler zögen alle davon, sobald der Lindwurm aus Wolfenbüttel Erfolg hätte und seine Ansprüche durchsetzte. Aber solange es der Herzog noch nicht geschafft hat, kann Euer Sohn noch viel lernen und durchaus mit Gewinn aus der Sache gehen, selbst wenn ich Bankrott erlitte.«

      »Es mag einfältig von mir sein, aber wenn ich schon einmal einen da habe, der es besser versteht, dann muss ich fragen: Was heißt es, wenn der Herzog den Berg wiederhaben will? Worauf ist der Wolfenbütteler aus? Es ist doch sicher nicht der Zehnte, den die Goslarer Bergherren und auch der Rat laut der alten Verträge ihm jetzt verpflichtet sind zu geben? Ich habe gehört, das seien so kleine Summen, dass sie den hohen Herrn nie und nimmer dazu bewegen könnten, so einen Aufwand zu treiben und sich in unsere Stadtmauern zu verbeißen.«

      »Da habt Ihr ganz Recht – er hat es auf das Vorkaufsrecht auf Erz und Metall abgesehen, was den Rat und die Stadt und alle Bürger reich gemacht hat. Goslar lebt von den Auswürfen des Berges. Deshalb hat man immer darauf gesehen, anständige Preise für die Mineralien zu zahlen. Wenn Blei und Silber, Kupferrauch und Galmei dagegen dem Herzog abgeliefert werden müssen, der sie nur zu einem lächerlich geringen Preis abzunehmen bereit ist, um sie dann um ein Vielfaches teurer wieder zu verkaufen, sind die Bergherren bald am Ende. So viel kostet der Bergbau, dass sich keiner die Arbeit mehr leisten könnte. Der Herzog spekuliert darauf, denke ich, die Gruben ganz in seinen Besitz zu bringen.«

      Nach einer Pause, in der Geismar wie erschlagen wirkte, schob Daniel zuversichtlicher hinterdrein: »Dellinghausen betrachtet die Sache juristisch noch lange nicht als ausgefochten oder aussichtslos. Kann durchaus sein, dass noch viele frohe Jahre ins Land gehen … und Fortunens Launen sind noch unergründlicher als Justitias.«

      Paulus Geismars Miene hellte sich nun ebenfalls auf: »Kommt erst einmal herein, Herr Jobst, und leistet uns Gesellschaft bei Tisch. Langt kräftig zu! Mit Hunger im Bauch soll man keine Entscheidung fällen, kein Geschäft machen – so viel hat mich die Erfahrung gelehrt!«

      Das Lächeln des Seilers, eines braunhaarigen, hochgewachsenen Mannes, erzählte von den Wonnen des einfachen Lebens. Sie gingen ins Haus und setzten sich in der Herdstube an den Buchenholztisch. Gregors jüngerer Bruder Hans, ein Lausbursche wie er im Buche stand, zwinkerte Daniel zu und zeigte ihm ein Heft mit Schreibübungen. Der fragte ihn, wo er zur Schule ginge und erhielt zur Antwort: »In die Schule im Kaiserhaus, zu Meister van Stelten, dem man die Frau weggebrannt hat, weil sie eine Hexe war!«

      »Nur, weil sie einigen Frauen aus Nöten geholfen hat und mit ihnen am Kinderborn war«, sagte Hilde Geismar, die anklagenden Blicke ihres Hausmädchens tapfer ignorierend.

      »Brauchst gar nicht so scheel zu linsen, du dumme Gans! Das Wasser beschert den unfruchtbaren Goslerinnen schon seit je die Kinder, seit Josefa dort ihrem Manne, dem Gundel Karl, zwei Knaben gebar und hernach starb.«

      Gregor hatte nicht zu viel versprochen, fand Daniel. Hilde Geismar, eine Matrone mit einem Madonnengesicht, kochte ausgezeichnet. Ihre Fastensuppe war seine Rettung. Erbsenbrühe mit Semmelbröseln, Eiern und gewürzt mit Kardamom – serviert auf einem dicken Stück Tellerbrot aus Bohnen, Linsen und Gerste …

      Die Hausfrau strahlte, als sie sah, wie es sich der feine Gast schmecken ließ, unbeeindruckt von der Tatsache, dass alle mit ihren Löffeln aus einer Schüssel aßen … Die Geismars hielten sehr auf reichhaltige Kost, das merkte Daniel daran, dass es noch einen weiteren Gang gab. In einer großen Schüssel kam ein Püree von dicken Bohnen auf den Tisch. In eine Vertiefung in der Mitte waren fein geschnittene gebratene Äpfel gegeben, mit Piment aromatisiert. Ein Salat aus Sauerampfer und gekochten, in Streifen geschnittenen wilden Rüben passte ausgezeichnet dazu. Daniels Hunger war verschwunden. Ein allumfassendes Wohlbefinden machte sich breit.

      »Ich wette, selbst Goslars Räte werden heute kein so gutes Mahl haben! Frau Geismar, sie sind eine Zauberin!«

      Die erzfromme Hausmagd Judith, ein fischiges Wesen mit einem gedrückten Insektenleib, zog furchtsam die Stirn kraus. War ihre Herrin eine Hexe? Daniel schaute sie an und sagte: »Es gibt auch eine Art von Zauber, mit dem der liebe Gott leben kann. Als da wären: die Anmut, der gute Geschmack, die Freude. Leider gebricht es den meisten Christen daran. Dafür kann Gott nichts, denn die Menschen haben zwar oftmals das Gute in sich, lassen es aber verkommen und entwickeln es nicht. Heute etwa bin ich rundum froh, und das verdanke ich dem guten Essen. Auf die Köchin!«

      Er prostete Hilde Geismar mit seinem Steingutbecher zu und genoss das Gose-Bier mehr als je zuvor. Die Katze kam stolz mit einer fiependen Maus in die Stube gelaufen.

      »Ich wusste gar nicht, was ich die letzten Jahre vermisste … Das hier ist ja um Pfeilschüsse besser als das Braunschweiger Bier – fast so gut wie das Einbecker!«

      »Ein treffliches Bild«, sagte der Hausherr. »Jetzt, wo Ihr’s sagt … Ihr schießt bestimmt nicht nur weit, sondern auch sicher; ich bewundere schon die ganze Zeit den Bogen, den Ihr mitführt. Woraus ist der gearbeitet?«

      Daniel hatte Gregor gebeten, ihn hereinzuholen, damit sein Vater ihn begutachten könnte. Ehrfürchtig beinahe berührte der das schöne, gelbliche Holz, das oft mit Leinöl gefirnisst und mit Wachs eingerieben worden war.

      »Aus zwei Hölzern – der Bauch ist aus Eibe und der Rücken aus Ulme.«

      »Eine wunderschöne Maserung!«, sagte Gregors Vater voller Wohlgefallen.

      Daniel nickte: »Als ich geschäftlich im Londoner Stalhof war, hat ihn mir ein eifriger junger Bogenbauer nach meinen Angaben gemacht: Roger Ascham, ein sehr geschickter Mann, der es einmal weit bringen wird, davon bin ich überzeugt. Wann wird denn vorm Rosentor zum nächsten Mal um Preise geschossen?«

      »Am Sankt Maria-Magdalenen-Tag. Dann werden wir unsere Künste messen, ich bin nämlich auch nicht ohne Ehrgeiz, müsst Ihr wissen. Welches Pfeilholz verwendet Ihr?«

      »Zeder … und Truthahnfedern als Befiederung.«

      Geismar seufzte: »Und ich armer Mann muss mit Fichtenholzschäften und gefärbten Gänsefedern Vorlieb nehmen! Mein Bogen ist aus Esche.«

      Er ermannte sich.

      »Aber kein Bogen, und sei er noch so kostbar, schießt und trifft deshalb von alleine … Gregor ist nicht minder beschlagen darin.«

      Der Handwerker freute sich schon darauf, dem Kaufmann den Rang streitig zu machen. Schießen lernen mussten ja alle männlichen Bürger in der Schützengilde, um ihren Beitrag in einem möglichen Streitfall zu leisten. Jetzt schien gar eine Konfrontation bevorzustehen, bei der ihre Fähigkeiten auf die Probe gestellt werden könnten. Doch die geselligen Wehrübungen wurden als willkommener Zeitvertreib und Unterhaltung betrachtet. Auch der Preis, den man gewinnen konnte, spornte an. Wer beim Freischießen gewann, war ein СКАЧАТЬ