Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ Baader, wäre der Pfeil im unteren Drittel durchgedrungen. Laut sagte er: »Das hängt von drei Dingen ab.«

      Er hatte sich neben dem Toten aufgebaut und eine Seite des Feldbuchs der Wundarznei aufgeschlagen, wo mannigfache Arten der Pfeilverletzung dargestellt waren. »Der heilige Sebastian, Schutzheiliger der Bogenschützen, dürfte seine helle Freude an diesem Schützen haben, denn er hat an des Märtyrers Namensvetter mit geringem Aufwand Erstaunliches geleistet. Selbst mit einem Bogen verschossen, kann ein Pfeil derart durchschlägig sein. Der Bogen muss erstens sehr stark und die Pfeilspitze zweitens hervorragend gearbeitet sein, ganz so wie diese Jagdspitze hier.«

      Weidemann hatte ihm die beiden Hälften des entzweigebrochenen Pfeiles gereicht, und Baader reckte das vordere Ende demonstrativ in die Höhe.

      »Beachten Sie die messerscharfen Kanten. Sehen Sie, wie flach und spitz das Oval zuläuft? Damit schießen Sie auch durch die dickste Wildschweinschwarte. Könnte mir einmal jemand helfen?«

      Achtermann, Papen, Balder und Weidemann drehten den Leichnam ihres gewesenen Ratskollegen herum. Er war noch etwas warm, aber schon steif, registrierte Baader mechanisch. Er deutete auf eine Stelle unterhalb der rechten Schulter.

      »Und damit kommen wir zum dritten Erfordernis für eine derart durchschlagende Wirkung. Der Schütze war kein Glückspilz, sondern ein Könner, wie der Herr Bergrichter ganz trefflich bemerkt hat. Er traf sein Ziel genau da, wo er wollte, knapp überm Schulterblatt. Der Pfeil fuhr zwischen zwei Rippen und riss die Schlagader, das Herz, die Lunge und die Leber an. Das war kein Anfänger, und es war kein simpler Schuss von hinten. Er kam eher …«, Baader suchte mit der Hand die Schussrichtung anzudeuten, »… von schräg oben, so etwa.«

      »Er muss von einem Turm oder einem Baum oder einer Felsklippe heruntergeschossen haben«, sagte Joachim Wegener, der zweite Bürgermeister.

      »Wir sollten uns einmal die Stelle ansehen, wo man ihn angeblich fand«, entschied Weidemann. »Wo steckt der Bergmeister Walter?«

      »Der Bergmeister Ihrer widerrechtlich weiter betriebenen und frevlerisch den Beschlüssen des Rates Hohn sprechenden Grube!«, warf der jähzornige Zacharias Papen, dieser immer feuerrote, sehr dicke Mann kampflustig aufschnaufend ein.

      »Schweigen wir nun darüber!«, beschwichtigte ihn Weidemann. »Ich glaube, wir werden uns da angesichts der neuen Umstände doch noch einig, so wie ich Herrn Raschen vorhin verstanden habe …«

      »Aha«, meinte Achtermann und schickte vielsagende Blicke zu Tilling, Papen und Balder. »Da muss also erst einer ins Gras beißen, bevor die Herren vernünftig werden und mit dem Neuwerk wieder in den Kreis des Rates zurückkehren.«

      Alle blickten auf den hoch aufgeschossenen Simon Raschen, der sicher drei Köpfe größer war als der tote Walberg und einen Kopf größer noch als der nicht eben kleine Papen. Er wurde rot. Seine Mitgewerken Heinze und Wachsmut blickten zu Boden. So hatte man sich also unterdessen besprochen.

      Das wurde auch Zeit, fand Achtermann. Sonst hätte er nicht angestanden, selbst einmal den Bogen anzulegen … Walberg war kein Patrizier gewesen, sondern ein eingebürgerter Kaufmann mit einem Talent zum Geschäftemachen. Sein protziges Haus am Schuhhof war nicht einmal fünf Jahre alt. Achtermanns Haus am Markt dagegen war so alt wie die Stadt selbst. Der Achtermann’sche Zwinger war immerhin schon 26 Jahre alt. In den Gärten vor der Stadt stand er, ein Trutzturm mit der Kaiserfigur in einer von Fialen bekrönten Nische, und war ein bleibendes Symbol ihres Geburtsadels.

      Achtermann spürte eine ungehemmte Lust zu ausgreifenden Unternehmungen. Seine Galmei-Hütte lag zwar jetzt brach, aber es gab noch andere Mittel als den Berg, um aus der Flaute zu kommen. Ein Achtermann konnte sich schnell auf neue Umstände einstellen. Jetzt, da Walbergs Kontor vor der Auflösung stand, würde er alles versuchen, den Löwenanteil an diesem Kuchen zu übernehmen. Das war die Gelegenheit, sich endlich wieder an die erste Stelle in der Bürgerschaft zu setzen. Der gekrönte Adler mit den ausgebreiteten Schwingen würde weiter das Familienwappen zieren. Goslar war die Stadt seiner Familie – so musste es bleiben. Johannes Barnabas Achtermann schritt kraftvoller aus und fühlte, dass sich etwas in ihm bewegte.

      Eine frische Brise fuhr über den Berg, als die Herren des Rates, von reichlich Kriegsvolk umgeben, neben dem gleichfalls starken, kunterbunten Landsknechtstross des Bergrichters auf die Grube Neuwerk zusteuerten. Drinnen unterm Zeltdach drehten vier Pferde das Gestängekreuz des Göpels über dem Schacht. Man hörte, wie sich schurfend das Tau auf die große Rolle legte. Das Seilzuggestänge ächzte. Die Hufe klackerten dazu.

      Eitel Walter, der Bergmeister, der eben über die Fahrten hochgeklettert war, stand dem ersten Bürgermeister Rede und Antwort. Dass er wie seine Untergebenen im Berg arbeitete, quasi Bergmeister, Steiger und Hauer in einem war, bezeugten die rotledernen Knieschützer und das schwarze Arschleder, das ihm wie eine rücklings getragene Schürze umgebunden war. Das Schwert am Gürtel zeigte an, dass er am Neuwerk das Sagen hatte. Seine ockergelbe Kluft, die oben in eine Kapuze auslief, unter welcher er, dicht um den Kopf gewickelt, ein weißes Tuch trug, zeigte dunkelbraune Spuren der morgendlichen Einfahrt.

      »Meister Walter, wann habt Ihr Sebastian Walberg zuletzt gesprochen?«

      »Kurz vorm Vesperläuten gestern, als die Schicht zu Ende ging und drunten die Vorbereitungen für das Feuersetzen abgeschlossen waren.«

      »Wo war das?«

      »Just hier!«

      »Ging er bald wieder fort? Und wohin?«

      »Er war hier bis nach dem Nachtsang, da fuhr ich noch einmal ein und zündete die Holzstöße im fündigen Querschlag an. Als ich wieder ausfuhr, war er immer noch da und blieb auch hier sitzen, bis wir alle fort waren.«

      »Hat er gesagt, warum er dableiben wollte?«

      »Er tat höchst geheimnisvoll – von wegen, er hätte noch ein Geschäft zu erledigen … Wir haben geflachst, er wolle wohl noch einen Handel mit einer einsamen Bürgersfrau schließen … Da hat er gelacht, aber seine Augen leuchteten, wie sonst nur, wenn es um etwas Profitables ging. Seine Augen waren da immer untrüglich. Ich denke, er ist unbeweibt gestorben. Er hat sich nichts aus Wein und Weibsbildern gemacht. Er war glücklich mit seinem Geld. Das hat ihm stets als Quell der Wonne gereicht, schätze ich.«

      »Was soll man davon halten?«, fragte Weidemann in die Runde.

      »Er ist den Berg hinaufgegangen, als alle weg waren«, ließ sich Baaders Stimme hören. »Hier an der Hohen Warte, dem Wachturm, wo Meister Walter ihn fand, soll er ermordet worden sein, aber das geht schon deshalb nicht, weil der Mörder keine Flügel hatte, wenn es nicht der Gottseibeiuns war.«

      Die Herren bekreuzigten sich mechanisch.

      »Denken Sie daran, was ich von der Richtung gesagt habe, aus der ihn der Pfeil traf: von schräg oben! Der Wachturm kommt als Standort des Schützen nicht in Frage, der ist von hier doch etwas zu weit entfernt. Der Schuss käme zu flach. Und das Dach über dem Göpel hier am Neuwerkschacht ist zu spitz – da mag man sich allenfalls mit beiden Händen festklammern; aber niemand wird darauf stehen, einen Bogen spannen und sicher schießen können.«

      »Wann habt Ihr den Toten gefunden?«, fragte Weidemann den Bergmeister.

      »Heute früh, nachdem ich unten die Feuer gelöscht und die Pferde versorgt hatte. Also kurz nach dem Primläuten.«

      »Wie hat er dagelegen?«, fragte Baader.

      Der Bergmeister war aschfahl geworden. Er schien sich lebhaft СКАЧАТЬ