Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ sehr gut zu bereiten.«

      »Diese Heiligen«, entfuhr es Daniel. »Keinen vernünftigen Bissen Fleisch gönnen sie einem.«

      Gregor machte ein entsetztes Gesicht, dann grinste er vorsichtig.

      »Ich rate dir, bei uns zu Hause vorsichtig zu sein. Wir haben ein erzfrommes Hausmädchen, das könnte dich leicht in Verruf bringen. Ich muss auch aufpassen mit meinen Kräutern, dass es ihr nicht beifällt, mich als Teufelsjünger anzuschwärzen. Nur der Heilige Johannes wird mich vor dem Scheiterhaufen bewahren. Meine Eltern dagegen sind offener, mögen sowieso den Sachsen Martin mehr als den Römer Clemens … ich übrigens auch, also brauchst du vor mir keine Angst zu haben.«

      Daniel lächelte. Er musste sich am Riemen reißen, gerade in Goslar, wo seit Jahren die Fronten des Kirchenstreites heftig aufeinanderprallten. Zwar hatte sich die Stadt vor einem Jahr auf dem Reichstag in Speyer der evangelischen Sache angeschlossen, doch die einfachen Leute waren schwer zu überzeugen.

      Daniel selbst war in der Sache nicht fanatisch. Wohl sah er, dass sich die Kirche ändern musste, wenn die Welt sich fortentwickeln sollte. Luthers Angriff auf den Ablasshandel war da ein guter Anfang. Es gab so vieles, was man prüfen konnte. Die Sache mit den Heiligen etwa war ein Kreuz. Nicht allein in der Fastenzeit musste man darben, auch vor jedem Heiligentag durfte man kein Fleisch essen und an Freitagen und Sonnabenden sowieso nie. Jetzt nährte er sich schon seit vier Tagen förmlich von Blättern und Wurzeln … Ein saftiges, gebratenes Stück vom Schwein stand ihm duftend vor Augen. Tags zuvor an Sankt Johannis hatten ihm Appetit und Ruhe auf seinem Ritt gefehlt. Morgen nun kam schon der Johann- und Pauls-Tag, da würde er seine Gelüste auch unterdrücken müssen. Erst übermorgen war noch einmal Fleisch erlaubt, anschließend kamen schon wieder Freitag und Sonnabend, das bedeutete Grünzeug und Fisch.

      Außerdem litt der Handel. 52 Sonntage und 48 Heiligentage, an denen nicht gearbeitet und gehandelt werden durfte: Wie sollte da die Wirtschaft je florieren?

      »Was geschieht, wenn du ohne Not einen Mitesser bringst?«, fragte er Gregor.

      »Was soll schon geschehen? Wir haben ein gastfreies Haus! Nun, sei ehrlich – leidet dein weit gereister Magen jetzt Not oder nicht?«

      Daniel verspürte plötzlich einen solchen Hunger und Durst, dass die Vorräte der kleinen Schänke vorm Vititor niemals ausgereicht hätten, beide notdürftig zu stillen.

Der Klosterbezirk St. Georg image

      Der Klosterbezirk St. Georg

      II

      Markus Reddig, ein feingliedrig wirkender Mann von 32 Jahren, mit schmalem, etwas zu großem Kopf und schwarzem Haar, trug deutliche Spuren seiner nächtlichen Schreibertätigkeit im Gesicht. Er war seit Wochen hauptsächlich damit beschäftigt, alte Ratsakten regestenartig zusammenzufassen, das Verzeichnis der umfangreichen Ratssammlung auf Abgänge zu überprüfen und Urkunden zu archivieren. Damit er diese im Rechtsstreit mit dem Herzog existenziell wichtige Arbeit überhaupt bewältigen konnte, nahm er sich Stapel von Papier in seine Wohnung im Breiten Tor mit, sodass er auch dann arbeiten konnte, wenn er nicht zu schlafen vermochte. Seine Schreibstube im Rathaus lag im Zwischentrakt zwischen Ratsdiele und Gebeinkapelle. Ein großes Schreibpult mit einer Unschlittlampe, ein kleiner Tisch und zwei Stühle, mehr war nicht drin. Das kam seinem vormals geistlichen Stand sehr zupass und gemahnte ihn an seine Zelle im Kloster der Franziskaner am Köketurm. Der Goslarer Stadtschreiberposten wurde traditionsgemäß an Priester oder Ordensleute vergeben, da man diesen am meisten vertraute. Inzwischen war diese Regel gelockert, es gab auch schon einmal vertrauenswürdige Weltliche auf dem Posten. Der Stadtschreiber war Protokollführer bei allen Sitzungen der Räte. Doch diese Regel, das wusste Reddig inzwischen, hatte mit der Wirklichkeit wenig zu tun.

      Er schritt trotz seiner fühlbaren Gliederschwere, unausgesetzt gähnend und verzweifelt bestrebt, die eiserne Klammer der Müdigkeit abzustreifen, durch den Laubengang am Gerichtsraum bis zur Tür des Sitzungszimmers. Der Erweiterungsbau des Rathauses roch noch immer neu. Man hatte den Beratungsraum bewusst so platziert, dass es keine Möglichkeit gab, die Oberen der Stadt zu belauschen.

      In der letzten Zeit entbehrte man des Stadtschreibers bei Sitzungen sehr oft. Die Herren wollten unter sich sein und keinerlei Aufzeichnungen für den Chronisten hinterlassen. Es genügte nicht, dass Reddig klopfte. Mit beiden Fäusten hämmerte er gegen die Tür, bis sie endlich aufging und der Bürgermeister des gerade amtierenden neuen Rates erschien.

      »Ihr seht ja fürchterlich aus!«, sagte Johannes Weidemann in besorgtem Tonfall. Er war nicht eben groß, doch seine gedrungene Gestalt glühte vor Kraft. Das rötlichbraune Haar passte zu seiner vom Wetter gegerbten Haut – sein zweites Gewerbe neben dem Bergbau war der Fischfang. Der Rat selbst war ein gewichtiger Kunde bei ihm …

      »Was gibt es denn so Wichtiges?«

      Der erste Bürgermeister machte ein finsteres Gesicht. Drinnen in der reich ausgemalten Ratsstube saßen etliche, aber bei Weitem nicht alle Ratsmitglieder auf ledergepolsterten Archivtruhen beisammen. Der enge Rat war ein Auswahlgremium, das in Zeiten der Gefahr rascher handeln können und die Stadt vor Unheil bewahren sollte. Man konnte nicht immer mit den sechs Dutzend Köpfen des weiteren Rates debattieren, wenn Not am Mann war.

      Reddig räusperte sich: »Ich hoffe sehr, Herr Bürgermeister, dass Sie den gewaltsamen Tod eines Rats- und Grubenherrn als wichtig genug für die Störung erachten …«

      Er hatte die Botschaft mit ungewollter Theatralik und einer unbeabsichtigten Süffisanz verlauten lassen. Im Grunde mochte er Weidemann, auch wenn dieser eine Unnahbarkeit an den Tag legte, die auf viele abschätzig wirkte. Seit März war er im Amt, hatte erst Dienstag nach Reminescere auf die Privilegien geschworen und dirigierte den Rat doch bereits spürbar in eine neue Richtung. Er war einer der Vollmächtigen, die Luthers Forderungen unterstützten, gab in Sonderheit der Gemeine größeren Raum für ihre Interessen. Schon zwei Ratsherren hatten aus Protest gegen Weidemanns Kurs ihr Amt niedergelegt. Einer war gar mit seiner Familie aus der Stadt fortgezogen. Doch gerade jetzt, wo der papst- und kaisertreue Herzog vor der Stadt lag, der es seinen Herren gleichtat und Luther hasste wie die Pest, wäre Goslar mit jedem anderen als Weidemann verloren gewesen.

      Auch der zweite Bürgermeister, Joachim Wegener, der nun in der Tür erschien, um zu sehen, was es gab, war von diesem Schlag. Wie ein Gegenbild zum volleren, kernigen Weidemann wirkte Wegeners sehnige, dürre Gestalt. Er sah wohl auf den ersten Blick schwach und zerbrechlich aus, doch nun spannten sich seine Muskeln sichtlich.

      Weidemann machte große Augen: »Was, Herr Reddig? Wer ist tot?«

      Der erste Bürgermeister wirkte gereizt. Die Sitzung verlief wohl nicht so, wie gedacht. Es ging um die abtrünnigen Gewerken der Grube des Stifts Neuwerk – um dies zu erraten, brauchte Reddig keine große Hilfe.

      »Sebastian Walberg wird wohl den Ratssitzungen dauerhaft fernbleiben …«

      »Walberg?«, fragte Wegener entgeistert dazwischen. »Sprecht nicht in Rätseln!«

      Reddig machte eine wirkungsvolle Pause, bevor er verkündete: »Der Bergmeister vom Neuwerk-Schacht fand ihn bei Sonnenaufgang tot, mit einem Pfeil im Leib, nicht weit vom Wachturm droben. Mit der schnellen Glocke kam die Botschaft. Ein Bote des herzoglichen Bergrichters Schmidt übermittelte dessen Begehr, es möge einer kommen, den Leichnam abzuholen.« Weidemann verneinte gestisch und sagte doch gleichzeitig:

      »Ja!«

      Man sah, СКАЧАТЬ