Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ ist mit uns! Er hat auch meine Kräuter nicht absaufen lassen!«

      »Lass mich raten – Gürtlerkraut?«

      Der Nasse nickte und lächelte. Er strich sich die dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und klopfte unbeholfen an seinem klammen grünen Gewand herum.

      »Johanniskraut, Beifuß, Königskerze, Ringelblume, Arnika, Himmelsschlüssel, Bärlapp, Bilsenkraut, Farn und Eisenkraut. Die Goslarer Weibsbilder sind ganz verrückt nach den Gürteln, die ich ihnen daraus drehe.«

      »Du bist ein Scharlatan, mein Freund! Wie willst du das alles gestern gesammelt haben? Nur dann – von der Kraft des heiligen Johannes erfüllt – wirkt es doch, oder täusche ich mich?«

      »O, ich bin fix und versiert! Ich sammele die Kräuter so schnell wie im Traum, auch Erz- und Wasseradern finde ich dir und ziehe selbst die Drachen an, falls dich nach ihnen begehrt. Brauchst einem vorbeifliegenden Drachen nur was Rechtes nachzurufen, und schon regnet’s Gold!«

      »Und du bist bei deinen Künsten durch Drachenschimpf nicht selbst reich geworden? Hierzulande braucht man die geflügelten Bestien künftig sicherlich, um wieder Reichtum zu erlangen. Wie heißt du?«

      »Gregor Geismar. Ich gebe zu, dass mir die Sache mit den Drachen bislang nicht gelungen ist …«

      Gregors Gesicht war von angeborener, vornehm wirkender Blässe. Volles Haar glänzte über einer breiten Stirn, und mancher Frauenblick mochte ihm folgen, dachte Daniel, auch ohne Gürtlerkraut und ungeachtet der schalen Kleider, mit denen man eine Vogelscheuche bestens hätte ausstaffieren können.

      Daniels Gewand dagegen, das hatte Gregor sofort gesehen, zeugte von Wohlstand. So kleidete sich ein erfolgreicher Kaufmann. Die Tuche wirkten zwar abgetragen, als wollten sie sagen: Unser Herr schont sich nicht, sondern arbeitet schwer trotz seines Standes. Im Kleidersack aber, den das teure, schmucke Pferd zu tragen hatte, steckte bestimmt ein prächtiges Festtagsgewand. Und der edle Bogen war aus einem Holz, das Gregor nicht kannte.

      Während Daniel ihn in seinem langen Lederfutteral verschwinden ließ, sagte er: »Ich heiße Daniel Jobst. War lange in Braunschweig, doch jetzt gedenke ich, in Goslar meinen Oheim Jonathan Unruh zu beerben. Den Namen kennst du sicher.«

      Gregor nickte. Das Unruhhaus an der Abzucht wurde allgemein die Halskrause genannt. Ebenso kannte er den markigen Spruch an der Fassade: Herr, verzeihe mir meine Sünde, stärke meinen Glauben, segne mein Vermögen, lass dir gefallen das Werk meiner Hände, zerbrich den Rücken meiner Feinde, die mich ohn’ Ursach hassen, lass sie nicht aufkommen, sondern zuschanden werden. So unverhofft einem Spross aus diesem ehrwürdigen und reichen Haus zu begegnen, schüchterte ihn denn doch ein.

      »Also das … ich … äh …«

      Daniel lächelte. Die offene und unverstellte Art des Knaben gefiel ihm. So ganz ohne falschen Respekt, ohne Unterwürfigkeit und Gedrücktheit. Dass sie sich zwanglos duzten, fand er ganz natürlich, auch wenn kaum ein anderer es an seiner Stelle geduldet hätte.

      »Schon gut. Ich hoffe nicht, dass du dich vor mir verbiegen willst, bloß weil mein Onkel im engen Rat saß. Erzähl mir lieber, was du machst. Ich bin seit Langem weg, damals musst du noch so kurz gewesen sein …«

      Er deutete mit der rechten Handfläche eine derart unvorteilhaft niedrige Höhe über dem Boden an, dass Gregor die Wut in den Kopf schoss. Aber dann lachte er.

      »Paulus Geismar ist mein Vater – wir wohnen draußen vor der Mauer beim Vititor in der Reeperstraße. Mein kleiner Bruder Hans wird einmal das Handwerk weiterführen. Ich soll die Rechte studieren, aber ich habe gar keine Lust dazu. Ich will viel lieber Kaufmann werden …«

      »Oh, da wohnt ihr also in einem von den kleinen Häuschen mit den endlos langen Gärten?«

      Gregor schämte sich für die Lage seines Elternhauses. Waren sie nicht Stadtbürger wie alle? Warum konnten sie dann nicht drinnen wohnen, hinter den Festungsmauern, angesehen und geschützt, wie es sich gehörte? Nur, weil die Reepschläger ihre Seilbahnen so lang ausspannen mussten und dies in der Enge der Stadt nicht zu tun vermochten …

      »Die Grundstücke müssen so lang sein, damit man lange Seile winden kann. Zugegeben, die Seiler-Häuser sind klein, mit dem Unruhhaus kann es keines aus der Reeperstraße aufnehmen … Als Kaufmann bist du sicher schon weit herumgekommen. Doch hast du, so scheint mir, nichts von Goslars Fehde mit deinem Herzog gehört, sonst wärst du fort geblieben!«

      Daniel lachte sauer.

      »Er ist nicht mein Herzog. Ich habe in Braunschweig nur als Goslarer Kaufmann gesessen, habe das Außenkontor für meinen Oheim geführt. Wir verkauften Silber, Blei, Kupfer, Farben und Gose-Bier. Im Gegenzug kauften wir Fische und Wein und Gewürze. Der Goslarer Rat hat einen großen Bedarf an diesen Gütern.«

      »An Fischen?«

      Gregor lachte, und Daniel stimmte ein.

      »Vor allem an Fischen – wusstest du, dass es ein Stör- und Hecht-Register im Rathaus gibt, wo alle Störe und Hechte verzeichnet sind, die der Rat bei seinen rituellen Zusammenkünften verspeist hat? Das reicht zurück bis in Zeiten … ja, also quasi bis in die Tage, als diese Tiere aus der Arche Noah ins Wasser zurückgesprungen sind.«

      Gregor konnte es nicht glauben.

      »Du willst mich zum Narren halten – eine Kladde in einem Schrank im Rathaus, in der Hechte und Störe aufgelistet sind?«

      »Ganz recht, und die Anlässe für ihre genüssliche Verspeisung: jedes einzelne Ratsessen, das Gewicht der Fische und wie teuer sie waren.«

      »Ich hab noch nie andere Fische als Karauschen und Forellen gegessen … Was ist denn so anders bei einem Stör?«

      »Ich glaube, du hast nichts verpasst – das Besondere an einem Stör ist bloß sein Preis. Ihn verspeisen zu können, bedeutet, dass man über anderen steht. Der enge Rat hält sehr darauf, sich von den gewöhnlichen Sterblichen und Fischessern abzusetzen … Was weißt du über den Streit zwischen dem Herzog und dem Rat?«

      »Der Herzog will den Rammelsberg zurück, denn er hat ihn einstmals nicht verkauft, sondern nur gegen ein Pfandgeld eingetauscht, um ihn jederzeit wieder einlösen zu können. Jetzt hat er Goslar das Geld zurückgegeben. Aber der Rat will den Berg behalten.«

      Die Art, in der Daniel nickte, zeigte Gregor, dass der Ältere prüfen wollte, ob er es mit einem Grünschnabel zu tun hatte. Offenbar wusste er das alles viel besser. Gregor schätzte Daniel, was das Alter betraf, schon auf jenseits von Gut und Böse, doch er fand, dass er sich für einen so alten Mann recht gut gehalten hatte.

      »Selbst, wenn ich in Braunschweig nichts davon gehört hätte – was ganz unmöglich wäre, da es in der Stadt zur Zeit keinen aufregenderen Gesprächsstoff gibt, außer vielleicht die Gerüchte um des Herzogs Geliebte –, so hätte ich doch nicht einen Meter die Seesener Heerstraße entlangwandern können, ohne die aufgedonnerte Tracht eines herzoglichen Landsknechtes an meiner Seite zu bestaunen. Der Wolfenbütteler zieht, scheint’s, seine Truppen für einen tüchtigen Schlag gegen Goslar zusammen.«

      Gregor nickte unsicher. Die Vorstellung flößte ihm Furcht ein, wie jedem in Goslar.

      »Er hat sein Heerlager im Kloster Riechenberg. Nachts können wir die Flammen der hohen Feuerstöße sehen und hören das Gebrüll der närrisch gekleideten Schurken, die sich in seinem Tross verdingen. СКАЧАТЬ