Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ ich Euch vorhin vorschlug?«, fragte Daniel. »Jetzt, wo die Sinne nicht mehr von Hunger und Durst getrübt sind, solltet Ihr eine Entscheidung treffen!«

      Paulus Geismar sah zu seinem Sohn hinüber und sagte ernst: »Du willst also lieber Kaufmann werden, statt die Rechte zu studieren?«

      Gregor sah betroffen aus. Sein feiner Weggefährte hatte ihn verraten.

      »Herr Jobst könnte dich in seinem Kontor gebrauchen. Wenn du willst, magst du dich ein wenig im Alltag eines Hansekaufmannes umsehen. Wenn du nicht dafür taugst, oder die Ader dafür doch nicht so mächtig ist, wie du jetzt denkst, dann wirst du nach Marburg an die Universität gehen und dich mit den Aktenfaszikeln und Urteilen, den Eingaben und Widersprüchen befassen.«

      Gregors Unmut schlug in Freude um.

      »Danke, Vater! Ja, mein Sinn geht viel eher auf den Handel, und ich denke – auch, wenn ich es nicht allein darauf abgesehen habe – er ist einträglicher und ernährt eine Familie besser als die Juristerei! Ich werde dich nicht enttäuschen!«

      »Hört, hört – das geht ja schnell bei dir! Wer ist denn die Liebste, hab ich sie schon kennengelernt? Wann ist die Hochzeit? Haben wir noch Zeit, die gute Stube herauszuputzen?«

      Paulus Geismar lachte, und Gregor stimmte mit roten Ohren ein.

      »Hast wohl mit deinen Johannisgürteln schon eine Braut eingefangen?«

      »Beschäm mich nur, Vater. Du weißt doch, dass ich mir erst ein Auskommen schaffen will, bevor ich an dergleichen denke … Ich denke nicht so wie Eyb im Ehebüchel …«

      »Mein Sohn ist leider den Büchern verfallen …«, sagte Paulus Geismar, doch Daniel wehrte das Wörtchen leider kopfschüttelnd ab.

      »Da wird er in der Bibliothek meines Oheims noch so einige Lektüre vorfinden. Sollte ich sie vor ihm wegschließen, weil es sonst nichts würde mit der Kaufmannslehre? Nein, ich denke, im Grunde ist die Buchgelehrsamkeit für meinen Berufsstand unumgänglich. Also sei ihm das Lesen unbenommen. Nur in der Liebe ist es oft nicht so einfach, das Wissen aus den Büchern mit dem Leben übereinzubringen. Da wird er seine Erfahrungen in praxi machen müssen.«

      Sie einigten sich darauf, dass Gregor schon am übernächsten Tag bei Daniel anfangen würde. Gregors Gesicht glühte vor Freude, und Daniel riet ihm scherzhaft: »Fabrizier deine Johannisgürtel nur trotzdem! Kann nie schaden, da zu sein, wo Frauen sind. Ich saß viel zu lange im Kontor. Das mit deinem Gewand, das besprechen wir noch. Denn wenn Frauen eins auf den Tod nicht ertragen, dann ist es äußerliche Armut.«

      Gregor sah ohne rechtes Verständnis an sich herab. Daniel seufzte, doch dies bezog sich nicht auf seinen neuen Gehilfen, sondern auf die Last der folgenden Tage.

      »Nicht, dass du denkst, wir säßen nur da und würden Zahlen aufs Papier malen … Übermorgen um sechse?«, fragte er, als am Vititor endlich die Reihe an ihm war zu passieren.

      »Die Hand darauf!«, sagte Gregor mit stolzgeschwellter Brust. Eine glorreiche Zukunft stand ihm vor Augen. Leichte Bewegung würde ihn dabei nicht schrecken – solange das Ganze nicht in Arbeit ausartete …

      IV

      Durch das Klaustor zockelten zwei Planwagen voller Ratsherren. Je sechs Pferde arbeiteten schwer in den Geschirren, von den Fuhrmännern in weißem Wams, grüner Mütze und engen roten Hosen im Zaum gehalten und derb angetrieben. Vor den beiden Fuhrwerken, an den Seiten und dahinter ritten städtische Kriegsknechte, schwer bewaffnet mit Piken und Schwertern. Den Beschluss bildete ein Pritschenwagen mit Armbrustschützen und einer kleinen Kanone. Mochte der Herzog selbst sich zeigen, so würden sie keine Anstalten machen, Hülsen aus Papier gefüllt mit Kugeln, gehacktem Blei und Nägeln auf ihn loszubrennen und ihn mit einem Hagel von Armbrustbolzen zu spicken.

      Doch kein Feind zeigte sich. Auch der grüne Jäger, der Gehörnte, der Klumpfuß, der die Forsten unsicher machte, hielt sich abseits des steilen Weges, den sie nehmen mussten. Sicher lachte er sich ins Fäustchen über ihre Angst. Nur wenige Vögel sangen im Juniwald. Sie hatten mit der Versorgung ihrer Brut erschöpfend zu tun.

      Durchs Hainholz über die Braune Haide fuhren die Ratsherren, strikt den tiefen Schrammen und Furchen entgegen, welche die Erzkarren in die Flanke des Rammelsberges gezogen hatten. Durch einen der Hohlwege ächzten ihre Gefährte bergan, die Rosse schnaubten, das Holz knarrte. Mannstiefe Schluchten waren die Erzabfuhrwege. Tag für Tag über Jahrhunderte hatten die eisenbeschlagenen Räder der Karren den Boden gemahlen, waren mal hier mal da dem Berg unsanft in die Weichen geraten, hatten die Rinnen vom Vortag vertieft. Der Regen war hineingefahren wie in trockene Bachbetten und hatte die Spuren ausgeschlämmt bis aufs steinerne Rückgrat des schiefrigen Gebirges.

      »Was glaubt Ihr, was dem Walberg da oben passiert ist?«, wandte sich Simon Raschen im ersten Wagen halblaut an Henning Heinze, sodass ihr Banknachbar Achtermann, der die beiden wegen des ratsfeindlichen Fortbetriebes des Neuwerkes schon ausführlich zur Rede gestellt hatte, nicht hören konnte, was sie weiter sprachen.

      »Wenn es kein verirrter Landsknechtspfeil war und kein simpler Raubmord, was ich ehrlich gesagt stark bezweifle, so muss der Schütze wohl aus der Ecke unserer Neider kommen«, sprach Heinze.

      »Einer aus dem Rat?«

      Raschens Stimme schlug nun doch eine Kapriole.

      »Was denkt Ihr denn? Was hatte er überhaupt da verloren, um die frühe Stunde? Seit wann übernahm Walberg die Aufgaben von Eitel Walter? Wollte er selbst das Erz abholen? Kontrollieren, ob alle bei der Arbeit waren? Ob es Behinderungen durch die Kriegsknechte des Rates gab, wie angedroht? Ob die Landsknechte des Herzogs keinen unserer Bergleute irrtümlich am Einfahren hinderten, wie schon mehrfach geschehen?«

      Raschen hatte alles durchgespielt und war ratlos.

      »Er wollte sicher überwachen, dass alles seinen geordneten Weg ging«, sagte Heinze.

      Jetzt rumpelte der Wagen heftig durch eine Reihe tiefer Schlaglöcher und schüttelte die Herren gegeneinander, die sonst Berührung mit anderen Sterblichen mieden, wo sie konnten.

      Im zweiten Wagen unterhielten sich angeregt Stadtschreiber und Stadtchirurg:

      »Was ist das?«, fragte Reddig interessiert, ein stattliches Tafelwerk im Blick.

      »Eine unschätzbare Hilfe, um zu bestimmen, welche Organe bei Schussverletzungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man nur die Eintritts- und die Austrittsöffnung einer Kugel, eines Armbrustbolzens oder eines Pfeiles sieht – Gerssdorffs Feldbuch der Wundarznei

      »Ich kann es nicht genug bewundern, dass Sie in Paris bei Winter von Andernach studiert haben! Was gäbe ich darum, auch je einmal dort gewesen zu sein!«, sagte Reddig.

      »Man macht ein bisschen zu viel Wesens davon …«, sagte der kräftige Damian Baader bescheiden.

      Er hatte viel gesehen mit seinen dreißig Jahren, mehr als die meisten der Räte, obwohl sie älter waren. Er kannte ihre Gebrechen, ihre Ängste.

      »Andernachs Verlesung des Galen’schen Lehrbuchs der Anatomie war eher lustig, denn Galen hat nur Tiere seziert. Der Mensch, behauptet er, hätte ein rete mirabile, also ein Netz von Gefäßen an der Hirnbasis. Aber, denken Sie sich: Das gibt es nur beim Rind. Sie mögen denken, in Paris wüsste man es besser. Doch, der gute Andernach ist selbst ein richtiger Rindskopf СКАЧАТЬ