Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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      Die Hochmesse stand noch aus, als die Ratsherren vor dem Wartturm hielten und sich stöhnend von den ungewohnt harten Pritschen erhoben.

      »Was soll das werden, meine Herren? Was führt der Rat im Schilde?«, fragte Arno Schmidt, ein Schrank von einem Mann, mit einem braunen Lederwams und gelben Beinkleidern angetan. Seine schwarzen Ringellocken zuckten unruhig, während die großen blauen Augen fest auf die Abordnung des Rates gerichtet waren. So stellte man sich einen Bergrichter vor: ein Standbild von einem Mann, umgeben von Landsknechten, die ihre Armbrüste gesenkt hielten. Ein Wink von ihm, und sie würden sie anlegen …

      Doch auch die Armbrustschützen und Pikenträger der Ratsherren bauten sich schützend auf. Bürgermeister Weidemann hatte sich mühsam seinen Weg durch diese Unzahl von Leibwächtern zu bahnen. Endlich stand er dem Bergrichter des Herzogs gegenüber.

      »Ich muss darauf pochen, dass die Sechsmannen des Rates die alleinige Oberhoheit in allen Fragen, die Gerichtsbarkeit am Rammelsberg betreffend, innehaben!«

      »Worauf Sie pochen müssen, sei Ihnen unbenommen, Herr Bürgermeister. Am besten Sie gehen dazu in eines der stillliegenden Pochwerke«, entgegnete Schmidt.

      Chirurgus Baader, der sich auch vorgeschoben hatte, registrierte es mit Unbehagen. Weidemann schwoll der Kamm ob dieser Frechheit.

      Der Bergrichter des Herzogs, dieser dreiste Birkhahn, kollerte fort: »Worauf ich hingegen pochen muss, wissen Sie ja. Mein hochgnädigster Fürst und Herr hat mich mit meinem Amte betraut, und dieses auszufüllen, nach Recht und Gesetz, bin ich nicht minder bestrebt wie Sie das Ihrige. Da ich nicht weiß, was es mit dem Toten auf sich hat, und es keinen Anhalt dafür gibt, dass Walbergs Tod mit dem ringsum ruhenden Grubenbetrieb zu tun hat, ließ ich nach unten trommeln, dass man ihn flugs wegholt und hinfort schafft. Umso mehr erstaunt es mich, dass Sie nun gleich im Dutzend hier anrücken und eine Ratsaffäre daraus machen. Mit einem halben Heer noch dazu im Gefolge. Ich hoffe nicht, dass Sie es auf eine bewaffnete Konfrontation anlegen.«

      Die Abordnung des Rates bestand neben Bürgermeister Weidemann aus je drei Sechsmannen des alten und des neuen Rates: Zacharias Papen, Heinrich Gunter, Hieronymus Grimm, Hans Tilling, Johannes Barnabas Achtermann, Kerstian Balder, Walbergs Mitgewerken in der noch aktiven Grube Neuwerk sowie dem Syndikus, dem Stadtschreiber und dem Stadtchirurgen. Bis auf die beiden letzten stand somit ein Gutteil der Finanzkraft und des Ansehens der Stadt dort versammelt. Was, wenn ich es darauf ankommen lasse, und sie alle erlege? , dachte Schmidt. Mein Herr wäre mir sicher Dank schuldig

      »Wir sind hier, um Klarheit darüber zu erlangen, was vorgefallen ist«, sagte Weidemann, der seine Ruhe wiedergefunden hatte.

      Schmidt antwortete achselzuckend: »Sebastian Walberg wurde von unbekannter Hand mit einem Pfeil erschossen. Das ist passiert. Es muss ein versierter Bogenschütze gewesen sein, denn der Pfeil traf ihn gut. Aber ein Feigling, denn sein Schuss kam von hinten.«

      Reddig zuckte zusammen.

      Baader murmelte: »Sieh an …«

      Weidemann blickte erbost und sagte: »Der Getötete war kein gewöhnlicher Mann. Sebastian Walberg war Mitgewerke der Grube Neuwerk, und er saß im engen Rat.«

      Schmidts Lachen war die Verachtung selbst.

      »Noch nie habe ich dieses Ratsgehabe verstanden. Wir alle sind sterblich, egal ob wir in der Gosse liegen oder im Goslarer Rat sitzen!«

      Schmidt rollte drohend mit den großen Augen. Die Adern über seinem kantigen Schädel schwollen an wie die Abzucht nach einem Unwetter. Weidemann holte tief Luft und schluckte seinen Groll hinunter. Es brachte nichts, sich mit diesem Unflat auf Disputationen einzulassen.

      »Da Sie nicht gewillt zu sein scheinen, eine adäquate Untersuchung einzuleiten, ist es wohl an uns, eine solche vorzunehmen. Gleichviel, wem die Gerichtsbarkeit über den Berg nun untersteht, stellt es uns Gott anheim, den Schuldigen ausfindig zu machen, weil sein Zorn alle trifft, die eine Missetat ungesühnt lassen.«

      Der Hinweis auf Gottes Zorn entlockte dem trutzigen Bergrichter ein weiteres bedrohliches Birkhahnkollern.

      Weidemann fügte hinzu: »Aber dazu müssen wir wissen, wie er gefunden wurde, wo und wann; auch ist zu fragen, ob es Augenzeugen gibt, die etwas Hilfreiches zu sagen wissen. Wir müssen mit Ihren Männern sprechen und sie einzeln vernehmen. Ohne etwas unterstellen zu wollen, so besteht doch die Möglichkeit, dass eine der von Ihnen aufgestellten Wachen in Herrn Walberg einen feindlichen Späher sah, ihn für einen Saboteur oder Angreifer hielt und daher auf ihn schoss. Zeigen Sie uns jetzt den Toten!«

      »Dieser Dünkel ist es, der Ihren schönen Rat dermaleinst zu Fall bringen wird. Ich wünsche Ihnen sehr, Herr Bürgermeister, dass nicht Sie es dann sein werden, der den Hass des Haufes auf sich zieht. Diese Überzeugung, alles besser zu verstehen als ein anderer, nur weil man dem Rat angehört, muss jedem gewöhnlichen Sterblichen wie Gift ins Gesicht spritzen. Hier gab es keine Zeugen, und die Befragung meiner Wachen können Sie sich getrost sparen, denn sie würden Ihnen ohnehin nichts sagen, weil sie Ihre Zuständigkeit nicht anerkennen. Der Tote lag auf der Wiese, neben dem Neuwerkschacht – was sollten sie da schon gesehen haben? Auf dem Plateau selbst stehen keine Wachen, die stehen weiter unten am Berg, zur Stadt hin – im Wachturm indessen hause bloß ich, und ich habe nichts gesehen. Fragen Sie lieber den Bergmeister Walter. Wir haben Walberg den Pfeil aus dem Rücken gezogen und ihn in den Turm verfrachtet. Da drinnen ist es kühl, und er fängt nicht so schnell an zu stinken.«

      »Möge Gott Ihnen diese lästerlichen Reden entgelten«, zischte Weidemann, doch Schmidt blieb ihm die Antwort nicht schuldig.

      »Gott hat den Beweis zugelassen, dass die Mitglieder des Goslarer Rates nicht unsterblich sind! Und das sie auch stinken werden, wenn sie zu lange tot in der Sonne liegen!«

      Weidemann enthielt sich mit zusammengebissenem Kiefer weiterer Kommentare zu diesen Sottisen.

      Sebastian Walberg ruhte im kühlen dicken Turm auf dem Rammelsberg. Sein gelbes Wams war rot verfärbt. Die Stelle, wo der Pfeil aus dem Körper gedrungen war, lag eine Handbreit über dem Nabel.

      »War denn in seiner Kleidung nichts, was Aufschluss geben kann?«, fragte Weidemann den Bergrichter, der ihm widerwillig etwas in die Hand gab.

      »Nur das hier, der Wachsabdruck von zwei Seiten einer Münze in einem kleinen hölzernen Schächtelchen.«

      Der Bürgermeister runzelte die Stirn, gab die Schachtel dann in die Runde.

      »Ein Numismatiker müsste man sein …«, sagte Heinrich Wachsmut, während er das wächserne Relief betrachtete. »Mir ist frisches Geld immer lieber als altes.«

      Ein paar der Herren lachten kurz auf. Weidemann steckte die kleine Schachtel ein und nahm Baader in die Pflicht: »Der Chirurgus möge seine Arbeit tun!«

      Aller Interesse galt dem Pfeil, der Walberg tödlich getroffen hatte.

      »So stark ist doch eigentlich nur eine Armbrust – dass die Spitze vorne wieder … ich meine …«, sagte Tilling, ein kleiner, bleicher, reicher Mann, der vom Bogen- und Armbrustschießen herzlich wenig verstand. Sein Haus war nach Unruhs das größte und eindrucksvollste. Es hieß wegen seines unglaublich spitzwinkligen Dachtrapezes und der Auskragung an der Stirnseite das Brusttuch.

Die Rekonstruktion des »Heiligen Grabes« image

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