Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ er gefaltet. Allerdings war der Oberkörper mit zwei Astgabeln abgestützt, damit er nicht nach vorne umkippte. Es sah teuflisch aus.«

      »Eine Zurschaustellung!«, rief Wegener. »Als sollte jedem bedeutet werden, dass hier ein Unbußfertiger, ein Heuchler, hingerichtet wurde.«

      »Privat-Inquisition?«, fragte Weidemann, und Reddig erschauerte bei dem seltsamen Wort genau wie die anderen. »Als wenn wir nicht schon genug Schwierigkeiten hätten …«, sagte er aufseufzend, mehr für sich als für die Umstehenden.

      »Wieso konnte er so aufgestellt werden? Musste er denn nicht schon längst steif sein?«, fragte der schicke Herr Tilling mit einer seltsamen Interessiertheit. »Ich meine ja nur …«

      Er wusste offenbar doch mehr über den menschlichen Körper, als man wissen musste, wenn man sich salbte, dachte Baader.

      Dann fiel ihm ein, dass der reiche Herr ja die Rechte studiert hatte und ein Magister war. Daher sagte er: »Bitte rufen Sie sich die Faustregel des Coroners in Erinnerung. Warm und nicht steif heißt, höchstens einige Stunden tot. Warm und steif: gestorben vor maximal zwölf Stunden. Kalt und steif bedeutet gestorben vor einem halben bis zu zwei Tagen; kalt und nicht steif – bereits mehr als zwei Tage tot. Bei Walberg ist der Rigor mortis da, er ist noch flexibel. Der Algor mortis ist noch unvollendet, er hat noch etwas warmes Blut in sich. Der fleckige Livor mortis an den Beinen fehlt indes. Das heißt, er ist vor höchstens zwölf Stunden, also gegen elf in der Nacht, gestorben. Der Mond nimmt ab, aber hell genug war es, dass man in der Nacht noch gut sieht, wenn sich die Augen ans Halbdunkel gewöhnt haben. Als Meister Walter ihn heute Morgen fand – vor sieben Stunden –, wird er vielleicht fünf Stunden tot gewesen sein. Da konnten Sie mit ihm noch alles anstellen, er war flexibel wie Gummi arabicum

      »Bitte bedenken Sie Ihre Wortwahl«, sagte Tilling bleiweiß. »Ich habe gar nichts mit ihm angestellt. Nicht einmal geschäftlich.«

      Baader fuhr unbeirrt fort, während sie noch immer neben dem Neuwerksschacht standen:

      »Er wurde nicht hier getötet, dessen bin ich mir sicher. Hierher brachte man ihn nur, damit er schnell gefunden und seine seltsame Darstellung gesehen und bezeugt werden würde. Hier im Gras sind noch Fußtritte zu sehen. Das wird der letzte Meter gewesen sein, den ihn der Schütze geschleppt hat. Bis hinter den ersten Busch dort dürfte er ihn den Hang herabgeschleift haben. Die Tat wird weiter oben am Berg geschehen sein. Sehen wir nach, ob ich Recht habe.«

      »Unzweifelhaft!«, sagte Reddig, noch ehe er an der bezeichneten Stelle war. Er besah den Boden. »Wahrlich, hier ist eine Spur. Eine eindeutige!«

      Obwohl es beschwerlich war, wollte keiner der Herren zurückbleiben. Schmidt stöhnte erst und meinte, da könnten die feinen Herren ja ruhig alleine weiter am Boden herumschnobern, er würde nicht dem Hirngespenst eines eingebildeten Steinschneiders nachjagen. Doch als er das Blut an den niedergetretenen Grashalmen sah, pfiff er seine Gefolgsleute herbei. Auch die Leibwächter des Rates folgten, sodass sich kurz darauf eine breite menschliche Trittwalze den Berghang hinaufschob.

      »Wer etwas findet oder sieht, was ihm seltsam vorkommt, möge Laut geben!«, rief Schmidt donnernd die Reihe entlang.

      Bald schon blieben Tilling, Wegener, Wachsmut, Heinze, Gunter, Grimm, Doktor Mechtshausen, Papen und auch der bullige Achtermann keuchend zurück. Weidemann, Balder und Raschen indes hielten mit den Kriegs- und Landsknechten tapfer mit, ebenso Reddig und Baader, vom Bergmeister Walter nicht zu reden. Für den war das ein Spaziergang.

      Die Spuren führten fast lotrecht in die Höhe. Der Berg war stellenweise so steil, dass die Männer nach jedem zweiten Schritt verschnaufen mussten. Nach einer Viertelstunde standen sie unterhalb einer schroffen Klippe.

      »Da liegt Walbergs rote Samtkappe!«, rief Raschen aufgeregt.

      »Und von dort oben kam der Pfeil«, sagte Baader mit Blick auf die Felsen am Ramseck.

      »Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich dort auf der kleinen Lichtung sein Maultier grasen …«, ergänzte Reddig. »Wüsste zu gern, wieso er nicht damit nach unten transportiert wurde.«

      »Zu störrisch, nehme ich an, das Tier«, vermutete Baader. »Oder zu schwächlich, der Schütze, um den Dicken hochzuwuchten – Schleifen war leichter …«

      »Wär schön, wenn das Vieh reden könnte«, sinnierte Weidemann.

      »Wird Ihnen schwerlich den Gefallen tun, nur weil Sie Bürgermeister sind«, raunzte Schmidt, heftig keuchend.

      »Sie werden genauso wenig aus ihm herausbekommen«, konterte Baader.

      »Aber vielleicht aus der Satteltasche, die es noch trägt …«, sagte der Bergrichter und ging auf das grasende Muli zu, um seinen Gedanken zu verfolgen, ohne viel Erfolg, denn es rückte ihm mehrfach aus – zur einhelligen Freude der Herren des Rates. Man lachte unverhohlen.

      »Bastard! Missratener Sohn einer einäugigen Pferdestute und eines räudigen Eselhengstes, willst du wohl stehen bleiben?«

      Ein paar Landsknechte sprangen ihrem Anführer bei und fingen das Muli ein. Deren geschlitzten Wämser ließen es wie einen Jahrmarktstanz aussehen.

      Baader öffnete die Tasche und machte große Augen. Seine Sprachlosigkeit sprach Bände. »Das …«

      »Was?«, fragte Weidemann und sah dann selbst hinein. »Das sind mindestens fünfzig Schächtelchen, wie dasjenige, welches Walberg bei sich trug …«, er öffnete ein paar, »… und sie enthalten alle das Gleiche: Wachsabdrücke einer Münze, Vorder- und Rückseite, nebeneinander …«

      Den halben Rückweg über debattierten die Herren, aber einen zündenden Einfall, was das alles bedeuten sollte, hatte keiner. Schließlich versanken sie in dumpfes Brüten. Nach einem in Maßen respektvollen Abschied vom Bergrichter bestiegen die Ratsherren und ihre Begleiter wieder die Planwagen. Quietschend ging es den steilen Weg abwärts, über die Bottslegende und die Braune Haide, dass die Stellbremsen quietschten und die Leiber durchgeschüttelt wurden wie vormals die Säcke mit Erz.

      Baader betrachtete verstohlen die scheintote Besatzung seines Wagens. Reddig, der Stadtschreiber, schien als Einziger noch etwas Leben in sich zu haben. Die Ratsherren dagegen wirkten entseelt, sahen offenbar das Schreckgespenst der Armut dräuend am Horizont. An ihrem Lebensstandard trugen sie wie an einem Ochsenjoch. Unterm quälenden Zwang einer unduldsambigotten Frömmigkeit aber schwelten die verborgene Sinnlichkeit, Gier und Lebenslust des Nordens in ihnen wie ein unsichtbarer Brand unter dem Dickicht. Wie sollten sie nur in Zukunft weiter bestehen? Baader sah ihnen an, dass diese Grundfrage an ihren Seelen fraß. Ihr ungesunder Lebenswandel, die überreiche Nahrung etwa, die sie zu sich nahmen, oder das Gepränge, mit dem sie Leib und Haus ausstaffierten, mochten ein Übriges hinzutun, dass sich ihnen die unerklärlichen Schrecken, die der Himmel über sie verhängt hatte, wie Zangen um ihre Herzen schlossen. Aus den dunkel-geheimnisvollen Wäldern rings um ihre eingekesselte Stadt mit ihren engen Gassen, in denen der Kot an besonders trostlosen Stellen knöchelhoch stand, schlich die leibhaftige Sorge sie würgend an.

      Donnerstag nach Johann et Pauli,

      27. Juni 1527

       Noli me tangere

       Kalt und schwer war das Metall. Das war gutes Kupfer – ganz so, wie es sein sollte. Er wog es in der Hand. Die Güte der Legierung konnte er auch ohne Probe spüren. Wenn es stimmte, und jener Verhüllte davon СКАЧАТЬ