Die Bestie im Turm. Tom Wolf
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Название: Die Bestie im Turm

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935153

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СКАЧАТЬ neben der Krypta, aber keiner tut es. Der Herzog war in eigener Person an den Bergwerken und hat alle Inhaber auf sich vereidigt, aber nur eine Handvoll hat gehalten, was sie ihm dort in ihrer Not gelobten. Ein Bergrichter wurde eingesetzt, Arno Schmidt mit Namen. Der hat alle Grubenbesitzer einbestellt, damit sie die neuen Bedingungen annehmen. Als nur viere kamen, hat der Herzog den Grubenbesitz der Daheimgebliebenen für verwirkt erklärt. Er hat die Schächte beschlagnahmt, alle, bis auf einen.«

      »Ach, nicht alle? »

      Jetzt war Daniel doch erstaunt. Er hatte von den seit Mai laufenden Verhandlungen über seinen besten Freund, den Syndikus und Doktor der Jurisprudenz, Konrad Dellinghausen, ständig bestens Kenntnis. Konrad war Goslars Abgesandter und Unterhändler beim Reichskammergericht in Esslingen. Er hatte erwirkt, dass zwei Schlichter – die Regimentsräte Hans von Redwitz und Niklas von Kniebis – aus Esslingen nach Goslar kamen. Doch sie hatten vergeblich versucht, zwischen den Parteien einen Konsens und eine Annäherung zu erzielen. Da war nur Hass und Verhärtung. Bisher hatte es ihn belustigt, den aufgeweckten Seiler-Jungen auszufragen. Nun aber berichtete dieser Neuigkeiten.

      »Was sagst du? Es liegen nicht alle Gruben still? Wie das? Haben die Grubenherren etwa bewaffneten Schutz auf die Beine gestellt? Wachen städtische Kriegsknechte am letzten freien Göpelzelt und liefern sich Gefechte mit dem Herzog?«

      Diese Vorstellung belustigte ihn. Auch Gregor fand das ulkig.

      »Abwehrstellungen gegen des Herzogs Spießgesellen? Oh nein – der Schacht der Grube Neuwerk fördert noch, weil sich die Eigentümer mit dem Herzog verständigt haben.«

      Daniel war sprachlos. Wie konnte der Rat das zulassen? Er überlegte, um auf die Namen der Bergwerkseigner zu kommen: Sebastian Walberg, Heinrich Wachsmut, Simon Raschen und Henning Heinze. In deren Haut mochte er jetzt nicht stecken. Bevor er sich’s mit den andern im Rat verdürbe, würde er sich lieber dem Herzog entgegenstellen.

      Sie setzten auf die Insel über, wo Gregor seinen Maulesel freudig begrüßte. Nachdem sie behutsam die sanfteren Stromschnellen seitlich der Sandbank durchwatet hatten, um dann neben den Tieren die Böschung zu erklimmen, kratzte Gregor sich am Kopf.

      »Ehrlich gesagt – die Angelegenheit ist mir noch nicht so völlig klar. So ein dickes Ding wie der Rammelsberg war ja sicher eine ganze Menge Lösegeld wert?«

      Daniel lächelte. Das war alles andere als einfach.

      »Einst haben die Herzöge von den Herren von Gowische für die Überlassung des Bergzehnten eine Summe Geldes erhalten, die recht klein war. Dann kam der Zehnte an die alten Sechsmannen, in der Folge an den Rat. Über die Jahrhunderte ist immer wieder Geld für diese Abtretung an den Herzog geflossen. Nun hat er stolze 24 663 rheinische Gulden zurückgezahlt, um den Bergzehnten wieder selbst beanspruchen zu können – und noch einmal 11 370 für die ebenfalls verpfändeten Forsten. Jetzt wird er den Bergwerks- und Hütteneignern künftig das Holz teuer zu verkaufen trachten.«

      »Warum hat er den Berg aber nicht früher schon zurückgekauft, wenn ihm so viel daran liegt?«

      »Na ja, lange war unklar, ob der Berg überhaupt noch etwas abwerfen würde. Als die Gruben ersoffen, war keiner mehr am Zehnten interessiert. Die alten Sechsmannen, ohnehin irgendwie nur vorgeschoben, haben ihre Anteile billig an den Rat losgeschlagen. Dann kam der Bergmeister Claus von Gotha, sümpfte die Schächte mittels der Heinzenkünste – diesen besonders konstruierten Pumpen, in deren Rohren das Wasser von Lederbällen gehoben wird –, und seither stiegen die Erträge wieder unaufhörlich. Der Rat kaufte sich rasch den Löwenanteil am Grubenbesitz zusammen. Dem Wolfenbütteler blieb das nicht verborgen, und er witterte kräftigen Profit, wenn er sich des Berges wieder bemächtigte. Er brauchte ja nur zu sagen, dass er das Pfand wieder einlösen und das einst seinen Vorfahren geliehene Geld wieder zurückzahlen wolle …«

      Gregor stellte sich den Herzog wie ein wildes Tier vor, wie eine Bestie, etwa wie ein stachelbewehrtes Wildschwein mit Reißzähnen und blutigem Maul.

      »Horch!«

      Gregor deutete auf den Harz und hielt sich die Hände wie zwei kleine Schüsseln hinter die Ohrmuscheln. Helle Töne in rascher Folge erklangen. Kurz war Ruhe, dann kamen sie wieder. Sehr leise, aber unheimlich klar und deutlich in der morgendlichen Stille. Auf der Ebene waren kaum Vögel zu hören, und auch der Wind sauste nicht mehr.

      »Die Hille-Bille!«, sagten sie beinahe unisono.

      Daniel entsann sich deutlich, wie dieses seltsame Musikinstrument der Wächter aussah: Drei untereinander an Seilen hängende Holzbretter unterschiedlicher Größe wurden mit einem Stock geschlagen – das ergab so laute Töne, dass sie bei gutem Wind bis in die Stadt und darüber hinaus zu vernehmen waren.

      »Weißt du, was das heißt?«, fragte Gregor, der die überirdischen Töne der schnellen Glocke schon oft gehört, aber nie verstanden hatte, was sie bedeuteten. Es klang irgendwie fremd, er kannte wohl einige Grundsignale, aber dieses nicht.

      »Tut mir leid, da muss ich passen – was aber auch immer, es scheint wichtig zu sein!«

      Die Töne begleiteten sie die halbe verbleibende Wegstrecke bis zur Stadt. Sie passierten Jerstedt und zogen am Wartberg vorbei. Das Kloster Riechenberg ließen sie so weit rechts liegen wie möglich. Ein Spähtrupp des Herzogs hielt sich in einiger Entfernung. Es war Markttag, und den Landsknechten war offenbar befohlen worden, erst einmal alle von auswärts hineinzulassen und bis sie wieder rauskommen würden, Bier zu trinken, um sie dann zu verprügeln. Das Goslarer Bier war gut … Gose hieß es, wie der Bach, dessen Wasser man hier trank.

      Sie passierten die Landwehr, einen weit vor den Mauern angelegten, von Schlehen- und Brombeergestrüpp bewachsenen Wall mit Graben. Jetzt konnten sie schon die Kommende des geistlichen Ritterordens der Johanniter zum Heiligen Grabe und die Türme des Vititors unterscheiden. Die genaue Kopie des Heiligen Grabes verbarg sich in einer der Grabeskirche von Jerusalem Stein für Stein nachempfundenen Rundkirche. Der Keller mit der Kopie der Ruine war so groß, dass hundert Pferde darin Platz hatten. Die trutzigen Mauern und die unzähligen Türme des kleinen Roms tauchten auf. Es gab in Goslar an die fünfzig Gotteshäuser, wenn man alle Kirchen und Kapellen zusammenzählte.

      »Wer da nicht fromm wird, wird es nirgends«, murmelte Daniel.

      Gregor fragte zaghaft: »Sag, darf ich dich vielleicht meinen Eltern vorstellen? Du könntest sicher auch eine Stärkung vertragen, bevor du dich in die Stadt begibst.«

      Daniel sah die vielen Menschen, die sich am schmalen Mauer durchlass auf der Zugbrücke und dem Platz davor stauten. Von überallher strömten sie, um zum Markt zu gelangen: Bauern, fliegende Händler, Fernkaufleute. Die Bauernkarren standen am Ende der Straße, während ihre Besitzer miteinander plauderten oder in der Schänke auf die Abfertigung warteten. Die Wache an der Zugbrücke kam mit ihrem Geschäft nicht hinterher.

      Daniel Jobst hätte wohl auf sein Patriziertum pochen und mit ein paar Pfennigen ein rasches Passieren am Tor erwirken können. Doch er war neugierig. Schon seit Langem hatte er kein Handwerkerhaus mehr von innen gesehen – eigentlich seit er in die Handlung seines Oheims eingetreten war.

      »Unser Haus ist das erste vor dem Tor – schräg gegenüber vom Vitriolhaus«, verriet ihm Gregor.

      Das kannte Daniel, dort war er mit dem Oheim oft gewesen. Vitriol war eines der Produkte, die Goslar zu bieten hatte.

      »Meine Mutter ist eine Zauberin – am Herd, versteht sich.«

      Gregor wollte Daniel von der Qualität des Essens überzeugen. Wahrscheinlich fürchtete er, sich zu СКАЧАТЬ