Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ formale Geschlossenheit (griechischer Typus), welcher relativ bleibt, einerseits gebildet, andererseits aber aus ihrer Relativität erlöst und ins Absolutum der Kunst durch Kritik und Ironie erhoben (moderner Typus).249 – Die »Poesie der Poesie« ist der zusammenfassende Ausdruck der reflexiven Natur des Absoluten. Sie ist die ihrer selbst bewußte Poesie, und da Bewußtsein nach der frühromantischen Lehre nur eine gesteigerte geistige Form dessen ist, wovon es Bewußtsein ist, so ist Bewußtsein der Poesie selbst Poesie. Es ist Poesie der Poesie. Die höhere Poesie »ist selbst Natur und Leben …; aber sie ist die Natur der Natur, das Leben des Lebens, der Mensch im Menschen; und ich denke, dieser Unterschied ist für den, der ihn überhaupt wahrnimmt, wahrlich bestimmt und entschieden genug«250. Diese Formeln sind nicht rhetorische Steigerungen, sondern Bezeichnungen der reflexiven Natur der Transzendentalpoesie. »Ich vermute, daß sich auch über Shakespeare über kurz oder lang in Dir die Kunst in der Kunst spiegeln wird«251, schreibt Friedrich Schlegel an seinen Bruder.

      Das Organ der Transzendentalpoesie als diejenige Form, welche im Absolutum nach dem Zerfall der profanen Formen überdauert, bezeichnet Schlegel als die symbolische Form. In dem literarischen Rückblick, mit welchem er 1803 die »Europa« eröffnet, sagt er von den Heften des »Athenäums«: »Im Anfange derselben ist Kritik und Universalität der vorwaltende Zweck, in den späteren Teilen ist der Geist des Mystizismus das Wesentlichste. Man scheue dieses Wort nicht;252 es bezeichnet die Verkündigung der Mysterien der Kunst und Wissenschaft, die ihren Namen ohne solche Mysterien nicht verdienen würden; vor allem aber die kräftige Verteidigung der symbolischen Formen und ihrer Notwendigkeit gegen den profanen Sinn«253. Der Ausdruck »symbolische Form« deutet auf zweierlei: er bezeichnet erstens die Beziehung auf die verschiedenen Deckbegriffe des poetischen Absolutums, vor allem auf die Mythologie. Die Arabeske beispielsweise ist eine symbolische Form, die auf einen mythologischen Inhalt deutet. In diesem Sinne gehört die symbolische Form nicht in diesen Zusammenhang. Zweitens ist sie die Ausprägung des reinen poetischen Absolutums in der Form. So wird Lessing von Schlegel verehrt, »wegen der symbolischen Form seiner Werke … wegen dieser … gehören … seine Werke in das Gebiet der höheren Kunst, da eben sie … das einzige entscheidende Merkmal derselben ist«254. Nichts anderes als die symbolische Form ist unter dem allgemeinen Ausdruck »Symbol« verstanden, wenn Schlegel von der höchsten Aufgabe der Poesie sagt, sie sei »schon oft erreicht worden, durch dasselbe, wodurch überall der Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung gesetzt und eben dadurch in sie aufgelöst wird: … durch Symbole, durch die an die Stelle der Täuschung die Bedeutung tritt, das einzige Wirkliche im Dasein«255. Diese Bedeutung, d. h. die Beziehung auf die Idee der Kunst verleiht die symbolische Form den transzendentalpoetischen Werken durch die Reflexion. Die »symbolische Form« ist die Formel, unter der die Tragweite der Reflexion für das Kunstwerk zusammengefaßt wird. »Die Ironie und Reflexion sind die Grundeigenschaften der symbolischen Form der romantischen Dichtung«256 – da aber die Reflexion auch der Ironie zugrunde liegt und also im Kunstwerk mit der symbolischen Form völlig identisch ist, müßte es genauer heißen: Die Grundeigenschaften der symbolischen Form bestehen einerseits in solcher Reinheit der Darstellungsform, daß diese zum bloßen Ausdruck der Selbstbegrenzung der Reflexion geläutert und von den profanen Darstellungsformen257 unterschieden wird, andererseits in der (formalen) Ironie, in der sich die Reflexion ins Absolute erhebt. Die Kunstkritik stellt diese symbolische Form in ihrer Reinheit dar; sie löst sie von allen wesensfremden Momenten, an die sie im Werk gebunden sein mag, ab und endigt mit der Auflösung des Werkes. Daß trotz aller begrifflichen Prägungen es im Rahmen der romantischen Theorien niemals zu völliger Klarheit in der Unterscheidung von profaner und symbolischer Form, von symbolischer Form und Kritik kommen kann, drängt sich der Betrachtung auf. Nur um den Preis solcher unscharfen Abgrenzungen können alle Begriffe der Kunsttheorie, wie die Romantiker es zuletzt erstrebten, in den Bereich des Absolutums einbezogen werden.

      Unter allen Darstellungsformen gibt es eine, in welcher die Romantiker die reflexive Selbstbegrenzung sowohl, als auch Selbsterweiterung aufs entschiedenste ausgebildet und auf diesem Gipfel unterschiedslos in einander übergehend finden. Diese höchst symbolische Form ist der Roman. Was vorerst an dieser Form in die Augen fällt, ist ihre äußerliche Ungebundenheit und Regellosigkeit. Der Roman kann in der Tat beliebig über sich reflektieren, in immer neuen Betrachtungen jede gegebene Bewußtseinsstufe von einem höheren Standort zurückspiegeln. Daß er aus der Natur seiner Form dies erreicht, was anderen nur durch den Gewaltstreich der Ironie möglich ist, neutralisiert in ihm die Ironie. Aber eben weil der Roman niemals seine Form überschreitet, kann jede seiner Reflexionen andererseits wieder als durch sich selbst begrenzt angesehen werden, denn keine regelartige Darstellungsform ist es, welche sie eingrenzt. Dies neutralisiert in ihm die Darstellungsform, die allein in ihrer Reinheit, nicht in ihrer Strenge in ihm waltet. Während jene äußerliche Ungebundenheit, da sie auf der Hand liegt, keiner Betonung bedurfte, ist die Gesetztheit und reine Sammlung in der Romanform wieder und wieder von den Romantikern betont worden. Daß »der Geist der Betrachtung und der Rückkehr in sich selbst … eine gemeinsame Eigentümlichkeit aller sehr geistigen Poesie« sei258, spricht Schlegel bei Gelegenheit der Meisterrezension aus. Die geistigste Poesie ist der Roman; sein retardierender Charakter ist der Ausdruck der ihm eigenen Reflexion: »Durch seine retardierende Natur kann das Stück dem Roman, der sein Wesen eben darin setzt, … verwandt scheinen«259, heißt es an der gleichen Stelle vom »Hamlet«. Novalis: »Die retardierende Natur des Romans260 zeigt sich vorzüglich im Stil«261. Aus der Erwägung heraus, daß die reflexiv in sich geschlossenen Komplexe den Roman bilden, sagt er: »Die Schreibart des Romans muß kein Kontinuum, es muß ein in jedem Perioden gegliederter Bau sein. Jedes kleine Stück muß etwas Abgeschnittenes, Begrenztes, ein eigenes Ganze sein«262. Gerade diese Schreibart rühmt Schlegel am »Wilhelm Meister«: »Durch … die Verschiedenheit der einzelnen Massen … wird jeder notwendige Teil des einen und unteilbaren Romans ein System für sich«263. Die Darstellung der Reflexion gilt Schlegel für die höchste Legitimation der Goetheschen Meisterschaft in diesem Roman: »Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schönste Beweis, den ein Künstler von der unergründlichen Tiefe seines Vermögens geben konnte«264. Der Roman ist die höchste unter allen symbolischen Formen, die romantische Poesie die Idee der Poesie selbst. – Die Zweideutigkeit, welche in der Bezeichnung »romantisch« liegt, hat Schlegel sicherlich gern in Kauf genommen, wenn nicht aufgesucht. Bekanntlich bedeutet »romantisch« im damaligen Sprachgebrauch »ritterlich«, »mittelalterlich«, und hinter dieser Bedeutung hat Schlegel, wie er es liebte, seine eigentliche Meinung, die man aus der Etymologie des Wortes lesen muß, versteckt. Man hat also, wie Haym, den Ausdruck »romantisch« in seiner wesentlichen Bedeutung durchaus als »romangemäß« zu verstehen. Dieser sagt, Schlegel vertrete die Lehre, »daß der echte Roman ein Non plus ultra, eine Summe alles Poetischen sei, und er bezeichnet folgerecht dieses poetische Ideal mit dem Namen der ›romantischen‹ Dichtung«.265 Als diese Summe alles Poetischen, wie die Schlegelsche Kunsttheorie es verstand, ist der Roman also eine Bezeichnung des poetischen Absolutums: »Eine Philosophie des Romans … wäre der Schlußstein«266 einer Philosophie der Poesie überhaupt. Oft wird es betont, daß der Roman nicht eine Gattung neben anderen, die romantische Dichtart nicht eine unter vielen, sondern daß sie Ideen sind. Dieses »Buch … nach einem aus Gewohnheit und Glauben, aus zufälligen Erfahrungen und willkürlichen Forderungen zusammengesetzten und entstandenen Gattungsbegriff beurteilen: das ist, als wenn ein Kind Mond und Gestirne mit der Hand greifen und in sein Schächtelchen packen will«,267 heißt es vom »Wilhelm Meister«.

      Die Frühromantik hat den Roman nicht allein als die höchste Form der Reflexion in der Poesie ihrer Kunsttheorie eingeordnet, sondern in ihm deren außerordentliche transzendente Bestätigung gefunden, indem sie ihn in eine weitere unmittelbare Beziehung zu ihrer Grundkonzeption der Idee der Kunst setzte. Nach dieser ist die Kunst das Kontinuum der Formen, und der Roman ist nach der Auffassung der Frühromantiker die faßbare Erscheinung dieses Kontinuums. Er ist dies durch die Prosa. Die Idee der Poesie hat ihre Individualität, nach der Schlegel suchte, in der Gestalt der Prosa gefunden; die Frühromantiker kennen keine tiefere und treffendere Bestimmung für sie, als Prosa. In dieser scheinbar СКАЧАТЬ