Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte
Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204908
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Das Bild der schönen Kaiserin, über die man erst gelacht und von deren Jugendleben man sich die pikantesten Abenteuer erzählt hatte, war bald in allen Händen – nicht nur die Franzosen, auch die deutschen Damen beeilten sich, es in ihre Phothographie-Albums (die ja auch unter ihrer Herrschaft mode wurden) aufzunehmen und entwickelten das höchste Interesse für diese neue wunderbare Heilige.
Und man mußte es gestehen: in vielen Dingen hatte sie Geschmack und wahrhaft geniale Einfälle. Die langen, knapp anliegenden und doch anmuthig gefalteten Schneppentaillen, die hoch hinaufgehend, aber vorn über weißen Untertaillen mit den zierlichsten Stickereien oder Spitzenarrangements geöffnet getragen wurden, ließen die Gestalt vortheilhaft erscheinen, die Aermel erweiterten sich zu graziösen Formen und als die Taillen sich noch mehr zu Schößchen verlängerten, welche die Hüften glatt umschlossen, die Röcke breite Falbeln und Sammetausputz erhielten und sich schleppenartig verlängerten, da war eigentlich einmal eine Tracht gefunden, welche den Malern zusagte und im Haus, wie auf der Straße und im Theater das gleiche Glück machte.
Aber dergleichen Perioden währen selten lange; im Reich der Mode ist eben kein Stillstand und wenn einmal eine Tracht vernünftig ist, so wird sie bald zur Unvernünftigkeit übertrieben.
Wie die Pariser einst die Göttin der Vernunft angebetet hatten, so beteten sie bald die schöne Kaiserin an, die Göttin der Mode. Auf der Weltausstellung in Paris 1855 war es der größte Stolz der Aussteller, wenn irgend ein Gegenstand den Beifall der Kaiserin erhalten, war er gar von ihr gekauft worden, so war das Glück der Firma gemacht. Bald wetteiferten alle Industriellen damit ihre Produkte nach Eugeniens Namen zu nennen und ihren Einfällen zu huldigen. Es war dies allerdings nicht nur eine Form, wie man sie gegen andere Fürstinnen auch beobachtet – Eugenie hatte in der That Geschmack, sie verstand die Erfindungen des Luxus zu würdigen und zu beurtheilen, und es war ihr dabei nichts zu theuer. Sie griff in einen immer gefüllten Säckel und feilschte nie um den Preis, wie so manche andere Fürstin. Und dann: wenn eine andere Fürstin irgend ein Erzeugniß der Industrie sich widmen läßt, ihm ihren Namen gibt, so hat dies doch immer nur eine lokale Bedeutung – was aber die Kaiserin der Franzosen für schön und passend erklärte, das hatte ja Bedeutung für die Welt. Und weil es Eugenie, mehr als je einer andern Frau, gelang, durch ihre Schönheit und durch ihre stete Beschäftigung mit der Mode fast der ganzen Welt zu imponiren, sie von den Launen ihres Geschmackes abhängig zu machen – deshalb imponirte sie den Parisern und ward wirklich von ihnen vergöttert; welche willkommnere Nahrung konnte die französische Nationaleitelkeit finden, als das Bewußtsein, durch die interessanteste und verschwenderischste Frau den Geschmack von ganz Europa und halb Amerika zu dirigiren?
Wir sagten schon, wie von dem Tage an, wo Eugenie von Montijo eingezogen war in die Tuilerien als Kaiserin von Frankreich, die Geschichte der Mode eigentlich nur eine Geschichte der Einfälle Eugeniens war und ein eigenes Supplement bildete zur Geschichte des französischen Kaiserreichs.
Eugenie war zugleich die erste Modistin Frankreichs. Sie beschäftigte sich täglich mit der Prüfung neuer Toiletten. Bei ihren Lever in den Tuilerien waren eine Menge Gliederpuppen aufgestellt, von denen jede einen vollständigen Damenanzug vom untersten Kleidungsstück angefangen trug. Die Kaiserin war ja besonders Meisterin in der Herstellung eines vollkommenen Ensembles und repräsentirte damit gewissermaßen auch die Macht ihrer Zeit, die auf ein solches in fast allen Stücken und auf allen Gebieten mehr Werth legt, als auf die hervorragende Schönheit des einzelnen Theils eines Ganzen und als auf virtuose Einzelheiten. Man rollte diese Toiletten im Ankleidezimmer der Kaiserin auf Rädern an ihr vorüber und sie wählte davon diejenige aus, welche gerade ihrem Geschmack, ihrer Laune am besten entsprach. Die meisten Costüme mußten nach ihren eigenen Angaben verändert werden und die meisten derselben trug sie nicht mehr als einmal.
Als der Krimkrieg ausbrach und Frankreich und England auf der Seite des Sultans kämpften, bekamen die Moden einen orientalischen Anstrich. Bunte türkische Muster kamen auf, die großen, kostspieligen Doppelshwals, die zwar niemals ganz verschwunden, aber doch Jahrelang sehr zurückgedrängt worden waren, gehörten bald zu den unerläßlichsten Toilettenstücken einer distinguirten Dame und Wien eiferte mit Paris um die Wette in ihrer Herstellung, da die echten ostindischen doch eben nur den Wenigsten erschwinglich waren. Daneben tauchten die malerischen Beduinen auf vom feinsten weißen Kaschmir mit oder ohne seidene Streifen oder Stickereien an, bis zu praktischeren, dichteren Wollstoffen, weite Radmäntel und Burnusse, Kopfputze von Sammt und Federn mit Gold und jene reizenden Gewebe von Chenille, die um Kopf und Hals sich gleich sanft und weich zu schmiegen wußten. Dachte die Kaiserin eine Zeit lang doch selbst an einen Triumphzug über Wien und Konstantinopel nach der Krim – wo man vielleicht gerade zur Einnahme von Sebastopol anlangen wollte.
Indeß ließ diese doch zu lange auf sich warten und man fand es gerathen, diese Reste zu unterlassen. Die Kaiserin kränkelte und im August 1855 ward durch den Moniteur verkündet: daß sie sich Mutter fühle. In dieser Zeit erfand Eugenie die Krinoline – wie die Einen sagten, um den erwähnten Zustand nicht auffällig zu machen, wie die Anderen sagten: gerade um dies zu thun – bekanntlich ward die Krinoline immer mehr erweitert und alle Damen in der ganzen zivilisirten Welt ahmten dies nach – werden das spätere Geschlechter für möglich finden? und wie werden sie darüber urtheilen, daß danach über ein Jahrzehnt lang sich alle Damen in Tonnen verwandelten, die nur noch durch die weitesten Flügelthüren gehen konnten ohne anzustreifen? Erst hatte ein Gewebe von Roßhaar diesem Gegenstand den Namen gegeben, bald aber war dasselbe unzureichend und jenes Stahlgestell, das einem großen Vogelbauer glich, trat an seine Stelle und behauptete sich so lange, wie es auch von allen Seiten verhöhnt werden mochte, von der Straßenjugend angefangen bis zu den Herren der Presse und der Salons, wie auch die Männer in der Familie und in der Wissenschaft, z.B. die Aerzte, dagegen eifern mochten, wie auch die Aesthetiker und Künstler sich entsetzten, daß die Frauen aufgehört hatten, menschlichen Gestalten zu gleichen und von einem malerischen Fallenwurf nicht mehr die Rede sein konnte. In Konzerten, Theatern, Eisenbahn-Waggons – überall inkommodirten die Damen einander, sich selbst, überall mußten sie die Witze und aufgebrachten Blicke der Männer ertragen, die neben diesen aufgebauschten Kleidern sich kaum mehr zu rühren wußten und unsichtbar wurden – aber es war Alles vergeblich – allmälig trug sogar jede ländliche und städtische Magd ihre Krinoline so gut wie jede Künstlerin auf dem Theater, selbst wenn sie eine Johanna D'Are oder Venus darzustellen hatte! Aber man muß auch hinzufügen: wagte eine Dame ohne jede Krinoline auf dem Theater zu erscheinen, so lächelte die jeunesse d'oré und das Parterre lachte – und hatte eine Dame den Muth, überhaupt keine zu tragen und so über die Straße zu gehen, so sahen ihr die Leute staunend nach als einer Abnormität, bezeichneten sie vielleicht höhnisch als Sonderlingin, Gelehrte, Blaustrumpf, Emanzipirte! Und der Ehegemahl, der, wenn er mit seiner Gattin am Arm promeniren wollte und bei jedem Schritt, den er that, mißmuthig darein sah, weil er immer von ihren Stahlreifen gestoßen und inkommodirt ward, fand daheim, daß seine Gattin sich und ihn vernachlässige, wenn sie beim ersten Frühstück ohne Krinoline unter dem Schlafrock erschien – mochte dieser noch so sauber, das ganze Negligé noch so elegant sein, sie sah ihm »salopp« aus, sobald das Kleid nicht von dem gewohnten Aufbau getragen ward.
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