Название: Das Netzwerk
Автор: Markus Kompa
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783864896224
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Fricke lächelte milde. »Diese Tragikomödie wurde ja nun endlich vom Spielplan genommen. Wir werden dann unsere Akten in dieser Sache endgültig schließen und in dreißig Jahren haben die Historiker ihren Spaß mit unserem Fall. Wir haben ja zurzeit eine Historikerkommission im Haus, die alle Akten bis 1975 sichten darf.«
»Bei uns nimmt inzwischen auch eine solche Historikerkommission ihre Arbeit auf, was von einigen Mitarbeitern sehr kritisch gesehen wird. Vermutlich wird es zu Aktenschwund kommen.« Ellen machte ein ernstes Gesicht und fuhr dann fort. »Die V-Mann-Führer haben diesen Nazis ihr Wort gegeben, dass niemals etwas rauskommt, und sie bestehen darauf, dass ihre V-Leute nicht in die Pfanne gehauen werden, auch nicht in dreißig Jahren. Die V-Mann-Führer haben im Amt einen starken Rückhalt, und wir könnten einpacken, wenn wir unsere Quellen ans Messer liefern. Von mir wird natürlich erwartet, dass ich mich vor meine Leute stelle.«
»Ich beneide Sie nicht um diese Aufgabe. Aber Sie sind ja anscheinend geübt darin, zwischen allen Stühlen zu sitzen!«
Ellen lächelte. »Hatten Sie nicht versprochen, nicht über Bogk zu sprechen?«
»Touché!«
»Aber warum eigentlich nicht? Was halten Sie von Bogk?«
»Nun ich habe im Bundeskanzleramt Leute kommen und gehen sehen. Politiker sind nun einmal Politiker. Bogk ist einer von denen, die ihre Aufgabe verstanden haben und pragmatisch entscheiden. Die Historiker werden das eine oder andere wahrscheinlich etwas kritischer beurteilen, aber wir können jedenfalls mit ihm arbeiten.«
»Sind Sie denn nicht irritiert über seine zahlreichen Aufsichtsratsämter? Als Chef des Bundeskanzleramts sollte er doch ausschließlich den Interessen der Wähler und nicht bestimmten Unternehmen verpflichtet sein.«
»Bogk lässt doch seine Aufsichtsratsämter ruhen, solange er den ChefBK gibt. Oder haben Sie da etwa andere Erkenntnisse?«
Ellen sah ihm eine Weile schweigsam in die Augen und schielte dann nach dem Kellner, der den Raum aber inzwischen verlassen hatte.
»Bogk ist nicht nur formal, sondern auch faktisch noch immer Aufsichtsrat von Schröder-Lehmeyer. Die haben morgen Aufsichtsratssitzung, zu der auch Bogk eingeladen ist. Die Sitzung halten sie aber nicht im Büro ab, sondern in einem gecharterten Flieger. Und da werden achtzehn zusätzliche ›Stewardessen‹ mit an Bord gehen.«
Fricke legte den Kopf zur Seite. »Und die Stewardessen sind in Wirklichkeit keine?«
»Nein, die sind von einer Escort-Agentur. Hoffentlich kriegen die den Flieger hinterher wieder sauber.«
»Schröder-Lehmeyer wäre sehr verärgert, wenn der neue Schützenpanzer nicht an der Ruhr gebaut werden würde, oder?«
»Er wird an der Ruhr gebaut werden. Das werden die tüchtigen Stewardessen schon hinbekommen!«, antwortete Ellen süffisant.
»Vermutlich. Frau Dr. Strachwitz, ich …«
»Ellen!«
»Ellen! Ich wäre nicht überrascht, wenn es in den nächsten Wochen noch gewisse Veränderungen gibt. Halten Sie die Augen offen. Berlin ist ein Haifischbecken, seien Sie froh, dass der Verfassungsschutz in Köln geblieben ist! Wir hätten auch in Pullach bleiben sollen. Man wird sofort kompromittiert, wenn man nicht die Distanz hält. Wenn ich Ihr heutiges intimes Gespräch mit Bogk richtig deute, kann ich mir vorstellen, was er von Ihnen wollte.«
»Wollten wir den Wahlkampf nicht außen vor lassen?«
»Natürlich, verzeihen Sie einem alten, vergesslichen Mann. Allerdings gibt es eine Sache, die mich bei diesem Wahlkampf doch ein bisschen umtreibt. Der BND war bislang über neue Parteigründungen stets ausgesprochen gut informiert. Diese ganzen Neugründungen waren ja überwiegend im rechten Spektrum angesiedelt. Sie wissen sicher, dass schon BND-Gründer General Gehlen mit Gestalten aus der NPD, dann der DVU und den Vorturnern der späteren Republikaner gut befreundet war. Der BND wusste immer schon lange vorher, was läuft, auch wenn die Beobachtung von Parteien im Inland offiziell nicht unserem Auftrag entspricht. Aber dass diese AEP gegründet wurde und dann so atemberaubend schnell durchgestartet ist, das hat uns schon überrascht.«
»Tja, wir beobachten sie noch nicht, jedenfalls nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Aber ich gebe Ihnen recht. Die Partei ist irgendwie anders, auch wenn sie letztlich das gleiche Wählerspektrum bedient wie die rechten Parteien. Allerdings appelliert sie auch an die bürgerlichen konservativen Wähler und bietet ihnen akademische Meinungsführer an. Sie ist halt auf eine andere Weise peinlich als diese konventionellen Rechtsparteien.«
»Ihre Gelassenheit erstaunt mich. Ich beobachte das politische Geschehen ja nun schon etwas länger, und ich sage Ihnen, in diesem Geschäft passiert nichts irgendwie zufällig. Jedenfalls nichts, was langfristig funktioniert. Parteien vertreten Interessen. Und wenn plötzlich eine ganz neue Partei sehr viel Geld hat, dann stellt sich mir die Frage: Wer bezahlt die Zeche? Niemand hat etwas zu verschenken. Nicht in diesem Bereich.«
»Solange kein Zweifel an der Verfassungstreue der neuen Partei aufkommt, werden wir uns wohl zurückhalten müssen. Etwas anderes wäre es, wenn sie Geld und Einfluss aus dem Ausland bekäme. Haben Sie etwa Anhaltspunkte für eine unlautere Einflussnahme?«
»Nein. Aber sammelt der Verfassungsschutz wirklich keine Erkenntnisse über die Parteienfinanzierung? Ich wäre da von Berufs wegen an Ihrer Stelle sicher etwas neugieriger.«
»Wenn ich solche Erkenntnisse sammeln würde, dann dürfte ich sie nicht ohne weiteres an den BND weitergeben, oder?«
»Nein, gewiss nicht. Warten wir einmal ab, wie lange die AEP sich hält. Langfristig werden sich die Wähler aus dem bürgerlichen und dem nationalistischen Lager nicht allein mit dem Thema Euro zufriedengeben. Und spätestens wenn sie nicht mehr nur auf gemeinsame Gegner eindreschen, sondern sich inhaltlich auch auf allgemeinpolitische Positionen einigen müssen, wird der kleinste gemeinsame Nenner immer geringer werden.«
»So wird es wohl kommen. Wie es aussieht, sind die ganzen Querulanten aus den anderen Parteien bei der AEP eingetreten. Noch eint die der Wahlkampf, aber das wird sich bald geben. Bei der nächsten Bundestagswahl werden wir von denen nicht mehr allzu viel sehen.«
»Ellen, es gibt da noch etwas anderes, von dem ich Sie informell vorab in Kenntnis setzen möchte. Irion hatte dem Verfassungsschutz dreihundert Millionen Euro für den Ausbau der Telekommunikationsüberwachung in Aussicht gestellt. Nach der Snowden-Sache wird das möglicherweise offiziell nicht mehr durchsetzbar sein.«
»Offiziell?«
»Ich habe mit Bogk und Irion vorbesprochen, dass wir formal den Etat nicht dem Verfassungsschutz, sondern dem BND geben. Der BND war stets populärer als der Verfassungsschutz, die Notwendigkeit der Auslandsbeobachtung wird von den Leuten verstanden. Wir planen daher, dass die entsprechenden Stellen offiziell unter das Dach des BND kommen, tatsächlich aber Ihrem Haus zur Verfügung stehen. Könnten Sie sich vorstellen, mit dieser – sagen wir Coverstory – zu leben?«
»Als Verliererin in einem Budget-Streit? Nun СКАЧАТЬ