Das Netzwerk. Markus Kompa
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Название: Das Netzwerk

Автор: Markus Kompa

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864896224

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СКАЧАТЬ das von mehreren Call-Centern aus scheinbar zufällig ausgewählte Personen befragte. Ein nicht unerheblicher Teil der Call-Center-Anrufe wurde jedoch auf die Leitungen von zwölf besonders vertrauenswürdigen Personen umgeleitet, die alle die gleiche käufliche Meinung hatten. Damit kein Auswerter mehrfach an den gleichen Carlo-Mitarbeiter geriet, glich ein Programm die Profile der Anrufer ab, die sich im Call-Center ins System einloggen mussten. Pro Umfrage lieferte Conny zwischen dreihundert und sechshundert Gespräche, was die Ergebnisse signifikant beeinflusste. Während die Social-Media-Trolle in der Branche ein offenes Geheimnis waren, lief Call Carlo nur unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit und über Strohleute. Zwar war alles nach dem Need-to-know-Prinzip organisiert, so dass keiner vom anderen wusste, denn alle arbeiteten im Homeoffice. Da aber niemand wissen konnte, ob einer der Call-Center-Kunden oder einer der Berufsmeiner eines Tages von der Fahne gehen und auspacken würde, war das Projekt ohnehin nur auf Zeit angelegt. Zu Conny gab es nicht die geringste Spur, und Felix würde dicht halten. Insgeheim vermutete Conny, dass das Meinungsforschungsinstitut selbst hinter dem Auftrag steckte, um seine Hände, sollte der irgendwann auffliegen, in Unschuld waschen zu können. Doch das war ihr, solange sie für ihre Arbeit bezahlt wurde, herzlich egal.

      Da sich Conny den größten Teil ihres Tages im Internet bewegte, gehörten auch ihre ernsthaft gepflegten Twitter-Accounts zum festen Inventar der Online-Szene. Hieraus resultierten vor allem online-Bekanntschaften zu Hackern, die sich als nützlich erwiesen. Vielen Nerds fehlte es an Sozialkompetenz und Geschäftssinn. Conny hingegen wusste die Leute miteinander zu vernetzen und Projekte einzutüten. Mit nun beinahe dreißig Jahren war ihr klar, dass ihr verschlepptes Studium ohne Abschluss enden würde. Doch in ihrem Abi-Jahrgang war niemand, der es finanziell auch nur annähernd so weit gebracht hatte wie sie. Connys Berliner Penthaus-Wohnung mit neuer, aus dem Stand bezahlter Luxusküche und einem Dachgarten, in dem sie sich ungestört nackt sonnen konnte, hätten jeder Managerin den Neid ins Gesicht getrieben.

      Bevor sie ihre Koffer auspackte, wollte sie noch schnell einige ihrer Wiki-Avatare bespielen. Die Netzfeministinnen warteten bestimmt schon sehnsüchtig auf Heidrun, um in ihrer Filterblase Bestätigung zu finden. Mit dem obligatorischen Whisky setzte sich Conny an einen der Rechner, die vierundzwanzig Stunden am Tag liefen und zur Tarnung zeitversetzt Postings und Tweets absetzten. Da Connys Alkoholpegel erst noch ansteigen musste, bevor sie Heidrun-Content absetzen konnte, checkte sie vorher noch den Rechner, auf dem sie sensibelste Informationen lagerte. Dazu tippte sie ein paranoid langes, fünfundzwanzigstelliges Passwort ein. Access denied. Wahrscheinlich hatte sie sich nur vertippt. Doch auch ihre nächsten beiden Versuche scheiterten. Sie schrieb das Passwort auf Papier und strich nach jedem quittierten Tastendruck ein Zeichen durch. Doch der Rechner wollte nicht aufgehen. Sie trank das Glas auf ex. Mehr aus Trotz versuchte sie es mit einem Neustart und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Noch war ein Softwareproblem nicht gänzlich auszuschließen. In Connys Rechner einzudringen, war eigentlich unmöglich. Während des Neustarts vergewisserte sie sich, dass sie ihren Schlüsselanhänger in Form eines Miniatur Darth Vader noch bei sich trug und nahm ihn beinahe ängstlich in ihre Faust. Er war ihr wertvollster Schatz.

      Auch nach dem Neustart blieb der Rechner versiegelt. Conny schwante Übles: Im besten Fall waren ihre Daten künftig weg. Im schlechtesten war die Hackerin selbst gehackt worden.

      Dienstag, 25.06.2013, 11:43 Uhr

      »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll!« Der Chef des Bundeskanzleramts (ChefBK) und Minister für besondere Aufgaben Jan-Gerd Bogk hatte sich in der »Präsidentenrunde« Lehrs Vortrag schweigend angehört. Jeden Dienstag tagten im siebten Stock des Bundeskanzleramts die Präsidenten der drei Geheimdienste sowie des Bundeskriminalamts im Beisein des ChefBK Bogk und seines Geheimdienstkoordinators Konstantin Irion. »Wir brauchen wohl kaum darüber zu diskutieren, dass der deutsche Geheimdienst keine Leute umbringt. Und wenn es beim Militär irgendwelche Kooperationen mit den Amerikanern gäbe, dann wüsste ich das doch wohl als Erster, oder?«

      Den Anwesenden war durchaus bekannt, dass es im Verteidigungsministerium die sogenannte »Afghanistan Connection« gab, eine Clique aus zirka dreißig hochrangigen Kommandeuren, die der Krieg in der Ferne zusammengeschweißt hatte.

      »Ja, das Ganze ist völlig absurd«, pflichtete MAD-Chef Lehr bei. »In Afghanistan wirken wir gerade einmal bei der Auswahl von Zielpersonen mit. Außerhalb des militärischen Operationsgebietes hat die Bundeswehr mit Liquidierungen der Amerikaner nichts zu tun, jedenfalls nicht operativ. Wir geben der NSA zwar Informationen, die sie für die Auswahl von Zielpersonen nutzt. Wir dulden auch die Stützpunkte der CIA in Deutschland und drücken bei der Steuerung von Drohneneinsätzen von Ramstein Airbase aus alle Augen zu. Aber wenn die CIA am Boden jemanden mit einer nassen Sache vom Spielfeld nehmen will, dann macht sie das schon selbst. Die Amerikaner würden uns da schon deshalb nicht mit reinziehen, weil sie ohne Not keine Geheimnisse mit uns teilen wollen. Schon gar keine, die sie in Verlegenheit bringen könnten. Auch eigenmächtiges Vorgehen seitens einiger Kommandeure kann ich mir nicht vorstellen.«

      »Plemplem scheint mir Ihr Soldat aber auch nicht zu sein …«, warf Bogk ein.

      »Nein, ist er nicht. Bis letzte Woche hatte er ausgezeichnete psychologische Beurteilungen. Hat sogar den Tod seines Kameraden und besten Freundes gut verkraftet. Unsere Psychologen sind sich sicher, dass er glaubt, was er sagt.«

      Ellen und Fricke sahen Lehr irritiert an. Das konnten Lehrs Leute nur durch Analyse des abgehörten Gesprächs bei Reinecke herausgefunden haben, von dem Bogk nichts erfahren sollte. Doch die Frage, worauf der MAD-Chef seine Einschätzung gründete, interessierte Bogk offenbar nicht. Er war Profi und Pragmatiker, ihn interessierten nur Ergebnisse, nicht aber Details, die zu kennen in einem Untersuchungsausschuss peinlich für ihn werden könnte.

      »Es wäre vorstellbar, dass KSK 656 unter falscher Flagge angeworben wurde«, fuhr Lehr fort. »Vielleicht hat ein ausländischer Dienst dem Mann vorgespielt, er würde für uns arbeiten.«

      »Möglicherweise eine Provokation, um uns zu diskreditieren?«, vermutete Fricke.

      »Das ergäbe am ehesten Sinn«, pflichtete Lehr bei. »Immerhin hat ihm de facto jemand Geld gegeben und ihn professionell unterstützt. Allerdings war die Ansprache bei Reinecke etwas ungeschickt, wenn man Desinformation platzieren will. Ergibt einfach alles keinen Sinn.«

      »Sehen Sie das Risiko, dass der Mann durchdreht und eine polizeiliche Gefahr darstellen könnte?«, fragte BKA-Präsident Vetter.

      »Nein, er gilt als umsichtig und verantwortungsvoll. Ich denke nicht, dass wir mit einem Amoklauf oder Ähnlichem rechnen müssen. Privat besitzt er keine Schusswaffen oder Sprengmittel.«

      Fricke holte Luft: »Erfolgte der Zugriff nicht etwas früh? Hätte man ihn unter langfristige Beobachtung genommen, hätte man seine Kontakte vielleicht aufklären können.«

      »Unsere Erwägungen zur Gefahr in Verzug habe ich dargelegt«, antwortete Lehr in sachlichem Tonfall. »Das Risiko weiterer Journalistenkontakte und eines Untertauchens haben den Zugriff aus unserer Sicht notwendig gemacht. Ich stehe hinter der Entscheidung meiner Leute.«

      »Wie konnte die Festnahme eigentlich schiefgehen?«, wollte Fricke wissen. »Es waren doch sechs Männer im Einsatz, von denen vier eine Schusswaffe mitführten.«

      »Wir wollten kein Aufsehen erregen und hatten ihn zu einem informellen Gespräch ins Ministerium komplimentiert«, erklärte Lehr. »Hätten die Feldjäger ihn offiziell in Berlin-Mitte verhaftet, könnten Sie das heute zumindest in der Lokalpresse lesen. Hätten wir etwa ausgerechnet im Berliner Botschaftsviertel rumballern sollen?«

      »Meine Herren, das bringt uns nicht weiter!«, fuhr Bogk dazwischen. »Wenn ich es richtig sehe, dann können wir im Augenblick nur abwarten, bis er wieder auftaucht. СКАЧАТЬ