Das Netzwerk. Markus Kompa
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Название: Das Netzwerk

Автор: Markus Kompa

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864896224

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      »Gut. Nächster Tagesordnungspunkt: Inoffizielles präventives Auslieferungsgesuch gegen den US-Staatsbürger Edward Snowden«, verkündete Geheimdienstkoordinator Konstantin Irion und verlas ein geheimes Schreiben.

      Wir fordern die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf, sollte der US-Bürger Edward J. Snowden versuchen, aus irgendwelchen Gründen nach Deutschland einzureisen, umgehend die Botschaft zu benachrichtigen und die Rückkehr Herrn Snowdens in die Vereinigten Staaten zu bewirken – durch Verweigerung der Einreise, Deportation, Ausweisung oder andere rechtmäßige Mittel.

      »Für den Fall einer konspirativen Einreise Snowdens müssen wir davon ausgehen, dass die Amerikaner sich den Mann auch eigenmächtig greifen und ihn ausfliegen. Die CIA hat zu diesem Zweck bereits eine Gulfstream-Maschine nach Dänemark geschickt.«

      »Ist Ihre Vermutung nicht ein bisschen übertrieben?«, erkundigte sich BKA-Präsident Vetter. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CIA auf dem Boden eines NATO-Partners Wild West spielen würde.«

      »Da haben wir andere Erfahrungen gemacht«, antwortete Irion. »Die CIA hat bereits einen 1991 untergetauchten Ex-Mitarbeiter der NSA von deutschem Boden entführt, obwohl dieser die deutsche Staatsbürgerschaft besaß. Und in Italien hat sich die CIA 2003 einen Terrorverdächtigen gegriffen und ihn heimlich über Ramstein ausgeflogen. Bei Snowden wird sie erst recht nicht zimperlich sein.«

      »Sollte sich abzeichnen, dass die CIA Snowden bei einer Einreise entführen will, erwartet die Bundesregierung, dass die deutschen Behörden im Interesse des Staatswohls wegsehen und nur formal ein wenig gegen die USA gepoltert wird!«, instruierte Bogk. »Dass die CIA, was Snowden betrifft, scheinbar eigenmächtig und gegen unseren Willen handelt, würde der Regierung auch im Wahlkampf eine komfortablere Position verschaffen, als wenn wir ihn auf Geheiß der Amerikaner ausliefern würden. War es das für heute?«,

      »Da wäre noch die Sache mit den Hackern!«, meldete sich Geheimdienstkoordinator Konstantin Irion. Während Bogk politisch für die Geheimdienste zuständig war, leitete Irion die ausschließlich für die Nachrichtendienste zuständige Abteilung Sechs des Bundeskanzleramts und war für die administrativen Angelegenheiten zuständig. »Die Amerikaner haben uns gebeten, auf eine Hacker-Gruppe namens DEANON ein Auge zu haben. Die Gruppe ist so eine Art deutsches WikiLeaks. In Washington beobachtet man mit Sorge, dass sich Berlin derzeit zur Welthauptstadt der Hackerszene entwickelt. Einige bekannte US-Internetaktivisten sind nach Berlin ausgewandert, und die CIA glaubt, dass Snowden ebenfalls vorhat, nach Berlin zu kommen, und die deutschen Journalisten finden das ja alles ganz toll. Das DEANON-Netzwerk ist aus der deutschen Anonymous-Bewegung hervorgegangen, war der Nährboden für WikiLeaks und arbeitet streng konspirativ. Keiner kennt den anderen, die Führungsebene besteht aus einer Zelle von sieben Mitgliedern, die miteinander nur im Internet verschlüsselt kommunizieren. Die CIA interessiert sich für die Identität des mutmaßlichen Rädelsführers, der im Netz unter dem Namen ›Der_Baron‹ auftritt. Die Amerikaner glauben, dass diese Hacker den Bundestagswahlkampf und die öffentliche Stimmung gegen die USA aggressiv beeinflussen wollen, etwa durch Leaks. Die Gruppe stellt also eine ernst zu nehmende Gefahr für das eh schon strapazierte deutsch-amerikanische Verhältnis dar. Ich bitte Sie daher, bis zur nächsten Sitzung die jeweiligen Erkenntnisse Ihrer Behörden über diese Hackergruppe und insbesondere über diesen Baron zusammenzufassen.«

      »Das wäre es dann. Ich danke Ihnen«, schloss Bogk die Sitzung. »Frau Strachwitz, bleiben Sie bitte noch einen Moment im Raum. Ich möchte Sie noch kurz sprechen.«

      Als der ChefBK und seine Verfassungsschutzpräsidentin alleine waren, schenkte ihr Bogk unaufgefordert Kaffee nach. »Sagen Sie mal, Frau Strachwitz, diese neue rechtspopulistische Partei da, die AEP – woher hat die eigentlich das viele Geld für den Wahlkampf?«

      Ellen schwieg für einen Moment diplomatisch. »Herr Bogk, Sie werden unsere Erkenntnisse über die Parteienfinanzierung ausführlich im Bericht über den Wahlkampf nachlesen, im nicht öffentlichen Teil natürlich. Darüber hinaus beobachten wir die AEP aktuell nicht, da sie sich erst vor ein paar Monaten gegründet hat und bislang kein Verdacht auf irgendwelche verfassungsfeindliche Tendenzen besteht.«

      »Der Bericht erscheint doch erst nächstes Jahr … Die Bundesregierung ist aber an einem lauteren Wahlkampf interessiert. Wenn unbekannte Geldgeber eine neue Partei finanzieren und dadurch eventuell verfälschenden Einfluss auf den Wahlkampf nehmen, dann hat die Regierung ein legitimes Interesse daran, die Öffentlichkeit hiervor zu schützen.«

      »Was sollte die Regierung denn dagegen veranlassen? Jegliche offizielle Verlautbarung würde im Wahlkampf negativ auf die Koalition zurückfallen. Man würde argwöhnen, dass Ihre Partei den Verfassungsschutz für die eigenen politischen Ziele einspannt und Geheimdiensterkenntnisse parteipolitisch verwertet …« Ellen hatte sich weit vorgewagt. Bogk war in seiner Partei ein wichtiger Strippenzieher, dem mindestens Ambitionen auf das Amt des Außenministers nachgesagt wurden. Zweifellos hatte er nicht als ChefBK, sondern im Interesse seiner Partei gefragt, die sich auf einen harten Wahlkampf vorbereitete und ihre Wähler in den Umfragen an genau die neue Partei verlor. Bogk ließ nicht locker.

      »Die Kanzlerin muss wissen, was in der Bundesrepublik vor sich geht. Es wäre doch peinlich, wenn sie die Letzte wäre, die von destruktiven Kräften hinter der AEP erfährt. Das ist allemal eine Frage der öffentlichen Sicherheit, zumal ich durchaus verfassungsfeindliche Tendenzen bei dieser Partei sehe. Das Bekenntnis zum Euro ist ein fundamentales Staatsinteresse. Der Verfassungsschutz ist doch dazu da, um verfassungsfeindliche Tendenzen an die Regierung zu berichten, nicht wahr?«

      »Dann bitte ich Sie um eine schriftliche Anfrage mit substan­tiierter Begründung und einer Abschrift an das Innenministerium, dann will ich sehen, was ich für Sie tun kann!«, antwortete Ellen mit einem verlegenen Lächeln. Bogk ließ sich nichts anmerken. Selbstverständlich würde es eine solche, ihn kompromittierende Anfrage nicht geben. Der Verfassungsschutz war zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Es war schon peinlich genug, dass Ellen wohl wusste, wer Bogks eigene Partei so alles mitfinanzierte. Munition für seinen Wahlkampf würde sie ihm bestimmt nicht liefern. Bogk stellte seine volle Kaffeetasse ab, Ellen hatte die ihre nicht angerührt.

      »Wie Sie meinen. Das wäre dann alles für heute.«

      Im Flur des siebten Stockwerks, der sogenannten Skylobby, wartete Fricke, der Ellen zum Mittagessen eingeladen hatte. Dem alten Fuchs war klar, dass Bogk so kurz vor dem Wahlkampf in einem Vier-Augen-Gespräch mit Ellen kaum Spionagestorys besprechen würde. Doch er war zu professionell, um seine Kollegin mit einem Gespräch hierüber in Verlegenheit zu bringen. Die eisige Verabschiedung, die Bogk und Ellen beim Verlassen des Geheimschutzraums vollzogen, bestätigte ihn in seinem Verdacht ausreichend. Fricke, nicht mehr der jüngste, genoss es sichtlich, mit der adretten Verfassungsschutzpräsidentin im Kostüm an seiner Seite durch das Kanzleramt zu defilieren. Die selbstbewusste Mittvierzigerin war aus seiner Perspektive eine junge Frau. Dass ihre Ehe nur noch auf dem Papier bestand, war dem BND-Chef natürlich bekannt. Eine Scheidung kam für sie aktuell nicht infrage, da eine Behördenchefin in geordneten Verhältnissen zu leben hatte. Zwar schirmte Ellen ihr Privatleben erfolgreich ab, aber ihr Familienstand war nun einmal öffentlich zugänglich. Während ihrer noch jungen Amtszeit würde Deutschlands erste weibliche und zugleich jüngste Geheimdienstchefin den Medien ganz gewiss kein Futter liefern.

      »Sie haben Lehr eben ja ganz schön angegriffen!«, bemerkte Ellen, als Frickes abhörsicherer Dienstwagen die Schranke des Bundeskanzleramts passierte.

      »Glauben Sie?« Fricke lächelte weise. »Lehr ist mein Freund! Ich habe den Bad Cop gespielt und damit Bogk als vernünftigen Politiker dazu gebracht, den armen Lehr in Schutz zu nehmen. Damit hat er sich festgelegt und muss sich nun loyal gegenüber Lehr verhalten. Lehr wiederum hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und damit Bogk kommuniziert, dass er in Krisen bestehen kann.«

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