Ein Mann. Joachim Nettelbeck
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Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066118167

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СКАЧАТЬ Reise nach Surinam vor, wo es denn keines langen Zuredens bei mir bedurfte, um auf seinem Schiffe meine alte Stelle als Steuermann anzunehmen.

      

Es war gegen Ende Dezember 1758, als wir, mit einer großen Flotte von Kauffahrern und unter Bedeckung von drei holländischen Kriegsschiffen aus dem Texel mit einem tüchtigen Sturm aus Nordosten in See gingen. Allein es gibt so mancherlei Verzug und Beschwerde, sich – zumal bei den langen Winternächten – im Gedränge einer solchen zahlreichen Konvoi zu befinden, daß wir uns die erste beste finstere Nacht zunutze machten, uns heimlich von unserer lästigen Begleitung abzudrücken und unser Heil in uns selbst zu suchen. Der anhaltende günstige Wind ließ uns auch bald einen weiten Vorsprung gewinnen; so daß wir binnen kurzem die östlichen Passatwinde erreichten und die gesamte Fahrt vom Texel bis in den Fluß von Surinam, – eine Strecke von zweitausend Meilen – in der ungewöhnlich kurzen Zeit von zwanzig Tagen zurücklegten.

      Meine Beschäftigungen an diesem unserem Bestimmungsorte waren die nämlichen, die ich schon früher angeführt habe. Ich befuhr beide Ströme in der Kolonie, versah die Plantagen mit den bedürftigen Artikeln unserer Ladung, und brachte von dort eine neue Rückfahrt an Zucker und Kaffee zusammen. Dies setzte mich nun mit einer Menge Plantagendirekteurs in Verbindung, die großenteils meine näheren oder entfernteren Landsleute waren und mir sämtlich viele Liebe und Güte erwiesen. Ihrer unbegrenzten Gastfreundlichkeit danke ich die vergnügtesten Tage meines Lebens, die unstreitig in diesen achtmonatigen Aufenthalt in dieser Kolonie fielen.

      Auf unserer Heimfahrt nach Amsterdam hatten wir einen der vermögendsten Plantagenbesitzer an Bord, den die Sehnsucht nach dem vaterländischen Himmel zurück nach Europa trieb. Er hieß Polack, war ein geborener Wiener und in seiner Jugend als gemeiner Soldat nach Surinam geraten. Glück und Tätigkeit hoben ihn hier allmählich zu einer glänzenden Lage empor. Eine der größten Kaffeeplantagen, genannt »der Maas-Strom« und am Kommendewyne gelegen, war sein Eigentum, das er unlängst seinem aus Europa zu sich berufenen Schwestersohne zum Geschenk übergeben hatte. Nie sah ich einen rührenderen Anblick, als wie ich ihn von dort in unserer Schaluppe an Bord abholte. Alle Sklaven der Pflanzung, vierhundert Männer, Weiber und Kinder an der Zahl, hatten sich versammelt, um ihrem alten gütigen Herrn das Lebewohl zu sagen. Sie fielen rings um ihn nieder, weinten, umfaßten seine Füße und Hände und umklammerten seinen Leib, als wollten und könnten sie ihn nimmer von sich lassen.

      Sobald wir unter Segel gegangen waren, ersuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolke bekannt zu machen, daß er demjenigen, der ihm zuerst ansagen könne: er sehe europäische Erde – ein Geschenk von fünfzig Dukaten zugedacht habe. Diese Nachricht verbreitete unter allen eine gespannte Aufmerksamkeit; und der Wetteifer, eine so leicht zu verdienende Belohnung vor den übrigen davonzutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns unserm heimatlichen Erdteile näher brachte. Selbst als wir, in der achten Woche unserer Fahrt, unserer Schiffsrechnung nach, dieses Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend Meilen übrig, da, wie bekannt, in jenen Zeiten die genaue Bestimmung der zurückgelegten Längengrade mehr auf einer mutmaßlichen Schätzung, als auf astronomischen Berechnungen oder der Sicherheit der Seeuhren beruhte.

      Jetzt wimmelte es schon seit einigen Tagen auf unsern Masten und Stangen von Menschen, die mit angestrengten Blicken nach Europa ausschauten. Eines Nachmittags, als ich meine Wache beendigt hatte und ehe ich mich in meine Koje verfügte, stieg ich nach oben, um mich nach allen Seiten umzusehen; wie dies denn nicht bloß damals, sondern zu allen Zeiten, meine unverbrüchliche Weise war. Mein erster Blick nach dem östlichen Horizont zeigte mir etwas, das beinahe wie eine entfernte Küste am Rande aufblickte. Dennoch stieg mir einiger Zweifel auf, ob nicht eine ähnlich gestaltete Wolke, oder eine Nebelbank, mich täuschte. Allein je länger und sorgfältiger ich mir die Erscheinung überlegte, desto zuversichtlicher ward meine Überzeugung, daß ich recht gesehen. Um mich her und hoch über mir saßen Matrosen, denen gleichwohl von meiner Entdeckung noch kein Schatten ahnte.

      Auch ich schwieg still, begab mich aufs Verdeck hinunter und flüsterte unserem Ober-Steuermann ins Ohr: »Gelt Freund, ich sehe die englische Küste! Ich steige jetzt wieder nach oben; und wenn ich dann den Arm gerade nach dem Lande hin ausstrecke, so macht danach hier unten mit dem Kompaß die Peilung.« – Unbefangen nahm ich meinen alten Sitz im Mastkorbe wieder ein; überzeugte mich dann zuvor, ob unten mein Gehilfe mit seinem Instrumente fertig stand, und deutete nun bestimmt nach der erblickten Küste hin. Kaum nahmen meine Nachbarn umher diese Bewegung wahr, so schrien sie auch allesamt, wie aus einer Kehle: »Land! Land! Land!« – aber zu spät! Ich hatte ihnen bereits vorgefischt!

      Als ich mich wieder unten zeigte, forderte mich unser Kapitän auf, zu Herrn Polack in die Kajüte zu gehen und ihm zum Anblick von Europa zu gratulieren. Mein Ehrgefühl aber wollte es nicht zulassen, mir irgend den Schein zu geben, als habe ich mich unter die Bewerber zu seiner ausgesetzten Prämie gedrängt. Nicht so aber dieser Ehrenmann, der mich selbst zu sich hinab nötigte, mir das bestimmte Päckchen Gold in die Hand drückte und mich bat, es zu irgendeinem Andenken an ihn und diese Reise zu verwenden. Am 1. Dezember 1759 erreichten wir Amsterdam; und unsere Fahrt hatte diesmal ein rundes Jahr, weniger einige Tage, gewährt. Von unserer Bemannung, die vierundvierzig Köpfe betrug, hatten wir neun Menschen durch den Tod verloren.

      

Untätigkeit und träge Muße waren mir unleidlich. Ich engagierte mich daher sofort wieder, als Unter-Steuermann, auf das Schiff unter Kapitän Siewert, welches schon im Texel lag, nach St. Eustaz bestimmt war und kurz vor Anfang des Jahres 1760 die Anker lichtete. Die späte Jahreszeit ließ uns eine schwere stürmische Fahrt in der Nordsee und im Kanal erwarten. Auch traf diese Befürchtung nur zu pünktlich ein, denn wir büßten nicht nur mehrere Segel, sondern auch Stangen und Raaen ein und fünf Matrosen, samt dem Schiffszimmermann, hatten das Unglück, ohne Rettung über Bord gespült zu werden. So kamen wir, in einem äußerst beschädigten Zustande, in St. Eustaz an; bewirkten jedoch binnen vier Wochen unsere Ausbesserung und Rückladung, und mochten kaum die Hälfte unseres Weges nach Holland zurückgelegt haben, als wir von einem englischen Kriegsschiffe genommen wurden. Die gesamte Mannschaft, bis auf vier Mann, mußte an dessen Bord hinüberwandern, und so wurden wir im Monat Mai nach Portsmouth aufgebracht. Unser Prozeß, ob recht oder unrecht, kam zu einer kurzen Entscheidung: denn da man für gut fand, in unserer Fracht französisches Eigentum zu wittern, so wurden Schiff und Ladung kondemniert, die Mannschaft aber mit der ausgezahlten Gage von einem Monat abgefunden. Noch verdrießlicher aber war uns das Erschwernis, welches wir fanden, England zu verlassen.

      Unter diesen Umständen blieb mir nichts übrig, als Dienste auf einem englischen Schiffe, unter Kapitän Keppel, zu nehmen. So kam ich Anfang Juli nach Danzig, von wo ich sofort an meine Eltern nach Kolberg schrieb und ihnen meine Lage schilderte. Dies hatte die, für mich sehr überraschende Folge, daß meine gute Mutter persönlich mit der Post nach Danzig kam, sich hinter den preußischen Residenten steckte und durch diesen es mit leichter Mühe dahin brachte, daß ich, als preußischer, und also Untertan einer befreundeten Macht, von dem englischen Schiffe entlassen wurde. Unmittelbar darauf ging ich mit meiner gütigen Befreierin nach unserer Vaterstadt ab.

      

Kaum fünf oder sechs Wochen hatte ich im väterlichen Hause zu meiner Erholung zugebracht, so trat für Kolberg der Zeitpunkt jener zweiten denkwürdigen Belagerung ein; und da die Russen diesmal, beides zu Wasser und zu Lande, operierten, so war auch der Hafen gesperrt, und ich saß also wieder in der Kaltschale! Indes tat ich meinen Dienst, wie ich wußte und konnte, ebenso, wie vor zwei Jahren; nur ging es diesmal noch um vieles wärmer her. Glücklicherweise dauerte unser Notstand nur etwa drei Wochen, da dann die Festung durch den braven General Werner, wie durch ein Wunder, entsetzt wurde.

      Während dieser Zeit des siebenjährigen Krieges blieb den preußischen Schiffen und Seeleuten, um ihrem Erwerbe nachzugehen, kaum etwas anderes übrig, als unter der neutralen Danziger Flagge zu fahren. СКАЧАТЬ