Ein Mann. Joachim Nettelbeck
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Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118167

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СКАЧАТЬ länger als vierzehn Tage bei sich verborgen.

      Dennoch konnte hier meines Bleibens nicht ewig sein. Es war mir daher eine erwünschte Zeitung, daß ein Kolberger Schiffer namens Martin Albrecht, der dicht neben uns vor Anker lag, am nächsten Morgen mit Ballast nach Danzig auszugehen gedenke. Zu diesem Schiffe führte mich um Mitternacht mein Freund Geertz in aller Stille. Meine ganze Reiseausrüstung bestand in einem Bündelchen mit Hemden und anderen kleinen Notwendigkeiten, welches meine Mutter mir unter der Hand zugeschickt hatte. Sobald ich an Bord hinübergestiegen war, dankte ich meinem freundlichen Beschützer zum Abschied mit einem warmen Händedruck, bat ihn, meinen besorgten Eltern meinen Gruß und Lebewohl zu bringen und ließ nunmehr meinen guten oder bösen Stern weiter walten.

      Auf dem Schiffe war alles stille. Niemand hatte mich wahrgenommen. Ich öffnete die vordere Kabelgats-Luke, rutschte hinunter, machte die Luke hinter mir zu und suchte mir auf den Tauen und Segeln, die hier verwahrt lagen, ein Ruheplätzchen. Bald aber überlegte ich, daß dieses Versteck mit Tagesanbruch auch sofort von Menschen wimmeln würde, die zu der vorhabenden Abfahrt Segel und anderes Zubehör daraus hervorlangten, wo es denn garstig für mich ablaufen könnte. Ich versuchte es also, mich durch tausend Gegenstände, die sich mir hindernd in den Weg stellten, tiefer in den Raum hinabzuminieren. Es glückte mir endlich damit: aber zu gleicher Zeit hörte ich hinter dem Ballast etwas rascheln und flüstern, das mir unheimlich vorkam. Gleichwohl kroch ich noch weiter heran und unterschied bald menschliche Stimmen, die mir, je länger ich sie behorchte, um so bekannter vorkamen. Kurz es gab hier eine ganz unvermutete Erkennungsszene zwischen mir und elf andern jungen Seekameraden, welche gleiche Not und gleiche Hoffnung hierher zusammengebracht hatte.

      Für den Augenblick hielten wir uns zwar geborgen: aber unter Furcht und Zagen hatten wir nun zu erwarten, ob das Schiff vor seiner Abfahrt nicht nach uns Flüchtlingen visitiert werden dürfte? Inzwischen brach der Tag an und am Borde ward es über unseren Köpfen lebendig. Wir unterschieden deutlich, wie man Anstalten machte, in See zu gehen; ja, ein wenig später spürten wir, mit steigender Freude, das Schiff in Bewegung, dann das Anschlagen der Brandung an die Seitenborde und endlich auch den Abgang des Lotsen, der uns zum Hafen hinausbegleitet hatte. Da auch der Wind gut sein mußte, so glaubten wir, nach Verlauf von noch einer Stunde, weit genug von Kolberg, das uns ein Schreckensort geworden, entfernt zu sein, um uns wieder ans Tageslicht hervorwagen zu dürfen. Wir setzten also die Leiter an, schoben die große Luke auf und traten wohlgemut auf das Verdeck hervor.

      Das Erstaunen des Schiffers über unseren unerwarteten Anblick kannte keine Grenzen; aber auch von seinem Volke mußten selbst die, welche vielleicht um das Geheimnis wußten, sich billig verwundern, daß wir uns, ihnen unter den Händen, in unserer Anzahl verdoppelt hatten. Eines besonders freundlichen Empfangs hatten wir uns indes nicht zu rühmen. Der Kapitän, der nur seine schwere Verantwortlichkeit erwog, tobte wie besessen. »Könnt' ich nur gegen den Wind ankommen!« rief er, »ich brächt' euch alle auf der Stelle nach Kolberg zurück und machte rein Schiff. Aber ich weiß darum wohl, wohin ich euch abzuliefern habe.« – Zugleich verbot er seinen Leuten aufs strengste, sich um uns zu kümmern und uns weder Essen noch Trinken zu reichen.

      Zwar ward es mit diesem Befehle nicht so gar genau genommen und unsere Freunde steckten uns immerfort etwas von ihren Mundportionen zu; allein da wir volle acht Tage in See blieben, so litten wir gleichwohl grausamen Hunger und Durst und waren darum von Herzen froh, als endlich die Anker im Danziger Fahrwasser fielen. Hier deutete der Schiffer seiner Mannschaft in unserer Gegenwart (und also auch wohl nicht ohne geheime Absicht) an: »Er gehe in diesem nämlichen Augenblicke an Land und nach Danzig zum preußischen Residenten, um ihm uns Deserteure anzumelden und uns in seine Hände zu überliefern. Bis dahin sollten sie uns an Bord festhalten und mit Leib und Leben für uns einstehen.« Vergeblich wandten sie ihm ein: »Die Partei sei gar zu ungleich, da ihrer nur fünf Mann, wir aber zwölf Köpfe stark wären.« – »Was kümmert's mich?« war seine Antwort, »und wenn es auch Mord und Totschlag gibt, so laßt sie nicht laufen!«

      Das hieß nun wohl deutlich genug: Immerhin, laßt sie laufen! – Kaum hatte er auch nur den Rücken gewandt, so machten wir uns zum Abzuge fertig. Zum Schein gab es zwischen uns und dem Schiffsvolk ein unbedeutendes und unblutiges Handgemenge, worauf wir unseres Wegs gingen, uns sofort über die Weichsel setzen ließen und längs dem Seestrande die Richtung nach Königsberg einschlugen. So mochten wir ein paar Stunden wacker zugeschritten sein, als wir den Weg zu beschwerlich fanden und darum gern auf den Vorschlag einiger Gefährten hörten, die ihn früher schon mehrmals gemacht hatten und das Fortkommen an der anderen Seite der Nehrung, längs dem frischen Haff, als angenehmer und gemächlicher priesen. Sogleich schlugen wir uns nach dieser Seite hinüber und entgingen dadurch, ohne es zu ahnen, einer Gefahr, die das bisherige Spiegelfechten leicht in bitteren Ernst verwandelt haben würde.

      Denn seinerseits hatte der Kapitän in Danzig nicht umhin gekonnt, seine Pflicht zu tun. Wir waren gesucht, vermißt und auf fernere Anzeige bei der Ortsobrigkeit sofort verfolgt worden. Ein Kommando von einigen Danziger Stadtdragonern setzte uns längs dem Seestrande nach und würde uns gar bald eingeholt haben, wenn wir uns nicht bereits landeinwärts gelenkt hätten. So verfehlten sie uns und kehrten unverrichteter Dinge nach Danzig zurück, während wir ohne weitere Anfechtung Königsberg erreichten und, vor weiterer Entdeckung sicher, uns im Gewühl dieses lebendigen Handelsplatzes verloren.

      

Es traf sich sehr gelegen, daß es hier, bei eben wieder eröffneter Schiffahrt, Mangel an unterrichteten Seeleuten gab, die als Steuerleute gebraucht werden konnten. Daher währte es kaum zwei oder drei Tage, bis wir uns samt und sonders, und meist in jener Eigenschaft, mit Vorteil angebracht hatten. Ich selbst fand einen Platz als Steuermann auf einer kleinen Jacht von fünfzig Lasten und fünf Mann Equipage. Mein Schiffer hieß Berend Jantzen und war mit einer Ladung Hanf nach Irwin in West-Schottland bestimmt; sollte aber, um die französischen Kaper zu vermeiden, oben herum durch die Nordsee und die Orkaden steuern.

      Wir gingen unter Segel; aber schon im Sunde erlebten wir das Unglück, daß das eiserne Band eines Wasserfasses beim Zerspringen dem Schiffer von hinten gegen die Wade schlug und dadurch das Bein so heftig gegen eine scharfe Holzecke schleuderte, daß wir ihn in die Kajüte tragen mußten und er an dem Schaden mehrere Monate lang das Bett zu hüten hatte. Da nun er so wenig als einer unserer Matrosen, an welchem sich bald ein venerisches Übel offenbarte, auf dem Deck ausdauern konnte, unser Schiffsjunge aber (eigentlich ein verdorbener Tischlergeselle) bei dem geringsten Sturmwetter mit Seekrankheit zu tun hatte; so beruhte nunmehr die Führung des Schiffes einzig auf mir und einem Matrosen; und ich darf wohl gestehen, daß mir bei der Sache nicht gar zu wohl zumute wurde.

      In der Tat gehört auch die Schiffahrt in diesen Gewässern, zwischen Schottland und der Insel Lewis und den übrigen zahlreichen Hebriden hin, zu den gefährlichsten, die es geben kann; nicht nur des engen Fahrwassers zwischen den Inseln und der vielen Klippen wegen, sondern hauptsächlich weil hier so starke Strömungen gehen, daß es oft überall brandend aufschäumt und nicht anders aussieht, als ob alles rings umher dicht mit blinden Klippen besät wäre. Noch unglücklicher aber ist es, daß die holländischen Seekarten, deren wir uns damals allein bedienen konnten, hier durchaus unzuverlässig sind und jeden Augenblick irreführen. Das begegnete denn auch mir, und so darf man sich denn nicht wundern, daß ich hier endlich gar nicht mehr aus oder ein wußte.

      In dieser Bedrängnis kam uns ein englisches Schiff zu Gesicht, welches zwischen zwei hohen Landspitzen hervorsegelte und von welchem ich richtigeren Bescheid zu erlangen hoffte. In dieser Absicht richtete ich die Segel nach jener Seite hin, indem ich zugleich die preußische Flagge aufsteckte, welche bekanntlich weiß ist und in der Mitte den schwarzen Adler führt. Aber auch die französische Flagge ist von weißer Farbe; und da sich bei dem mäßigen Winde die meinige zu wenig entfaltete, um den Adler anstatt der Lilien erblicken zu lassen, so ward ich von dem Engländer für einen französischen Kaper angesehen, und er setzte bei СКАЧАТЬ