Ein Mann. Joachim Nettelbeck
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Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118167

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СКАЧАТЬ target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_2bce6890-7a00-5fa6-9f87-ec309c58c63f.png" alt="N"/> Nach diesem betrübenden Abschiede langte ich mit dem Schiffe bei Königsberg an und meldete mich bei den Reedern desselben. Hier war es sofort das erste, daß wir sämtliches Schiffsvolk zu einer eidlichen Erklärung über alle einzelnen Umstände des dem Schiffer widerfahrenen Unglücks aufgefordert wurden. Wir alle, und ich insonderheit, mußten uns auf gleiche Weise von jedem Verdachte einer Veruntreuung seines Eigentums reinigen und unsere Unkenntnis, wohin die verschwundenen Sachen gekommen, erhärten. Hätte nur diese gerichtliche Prozedur zugleich auch meine Unschuld vor den Augen der Welt und der giftigen Stimme der Lästerung zu rechtfertigen vermocht! Aber leider! fiel hier die Sache ganz anders! Ich mußte mir hinter meinem Rücken Dinge nachsagen lassen, an die meine Seele nie gedacht hatte. Ich galt wohl überall für den Dieb, der Witwen und Waisen verkürzt habe, und mußte es dulden, daß oftmals auch in meinem Beisein mit spitzigen Worten auf dergleichen gedeutelt wurde. Wie oft, aber auch wie schmerzlich bitter habe ich's Gott geklagt und darüber im stillen meine Tränen geweint!

      Die nächste Wirkung dieses unseligen Verdachtes war, daß, nachdem das Schiff ausgeladen worden, ich, anstatt die Führung desselben zu erhalten (wie sonst wohl geschehen wäre), es an den Schiffer Christian Kummerow übergeben mußte. Ja, meine ganze Lebenslage schien hierüber eine andre Richtung nehmen zu wollen. Als verlobter Bräutigam einer Tochter des Segelmachers Johann Meller in Königsberg und mit großen Aussichten und Plänen, war ich vormals ausgefahren: jetzt kam diese Heirat zwar wirklich zustande; aber ich ließ die Flügel mächtig hängen und beschränkte meinen in die weite Welt strebenden Sinn nunmehr auf den engen Verkehr eines kleinen Bording-Reeders, und meine weitesten Reisen begrenzten sich in dem spannenlangen Raume zwischen Königsberg, Pillau und Elbing. Es war der leidige Gang eines Langohrs in der Mühle!

      Wäre aber mein freier, immer ins Weite gestellte Sinn eines solchen Austernlebens nicht schon an sich selbst frühzeitig müde geworden, so waren doch Zeit und Umstände ebensowenig dazu gemacht, mir diese Unlust durch anderweitige Vorteile zu vergüten. Mein Bordingskahn war ein altes Fahrzeug, das meinem Schwiegervater gehörte, und worauf ich ihm die Hälfte des taxierten Wertes von zweitausend preußischen Gulden bar ausgezahlt hatte. Es währte auch nicht lange, so ward ich, gleich vielen andern meinesgleichen, von den Russen, die damals in ganz Preußen den Meister spielten, gepreßt und zum Transport von Proviant und Militäreffekten von Pillau nach Elbing und Stuthof gebraucht. An Bezahlung war hierbei im geringsten nicht zu denken: desto reichlicher aber gab es hier üble Behandlung und allerlei Verdrießlichkeiten zu verdauen, die mir die Galle ins Blut jagten. Ich entschloß mich daher kurz und gut, der Pauke ein Loch zu machen.

      Eben lag ich auf dem Frischen Haff bei Stuthoff vor Anker. Ich war ledig und sollte nach Pillau gehen. Ein russischer Soldat war mir an Bord zur Aufsicht gegeben, der keinen Augenblick von mir weichen sollte. Dennoch war leicht ein Vorwand gefunden, ihn ans Land zu locken und dort bei der Flasche so angelegentlich zu beschäftigen, daß ich mich auf mein Fahrzeug zurückschleichen, den Anker lichten und meines Weges davonsegeln konnte. Der arme Kerl, der mich indes nur zu bald vermißte, lief mir wohl eine halbe Meile am Strande nach, schrie und beschwor mich bei all seinen Heiligen, daß ich ihn wieder einnehmen möchte. Dazu hatte ich nun freilich keine Ohren; ich spannte vielmehr noch ein Segel mehr auf und kam ihm so bald aus dem Gesichte, bis ich auf dem Pregel bei Fischhof anlegte. Hier wimmelte es eben von Schiffen, welche Bordings brauchten, um ihnen einen Teil ihrer Fracht nachzuführen, und wo ich auf eine bessere Ernte zu rechnen hatte.

      Wirklich auch akkordierte ich hier sogleich eine gute Fracht nach Pillau; doch machte ich, zu meiner Sicherheit, dem Schiffer die Bedingung, daß ich jenem Orte nicht näher als über den Grund in der Rinne (dem Fahrwasser) kommen dürfte, und daß er mich, sobald ich ihm die Güter wieder an Bord gegeben, durch seine Leute sogleich aufs Haff zurückbugsieren helfen sollte. So dachte ich denn dies Spiel noch öfter zu wiederholen, ohne den Russen in die Scheren zu geraten und sie obenein ins Fäustchen auszulachen. Diesmal zwar gelang es, aber dennoch war der Handel, als ich Fischhof wieder erreichte, schon verraten, und ein paar bekannte Lotsen, die von Pillau kamen, warnten mich, dort dem Frieden nicht zu trauen, indem mir von meinen Widersachern bereits aufgepaßt werde.

      Das Schiff, dessen Güter ich diesmal eingenommen hatte, war indes schon vor mir nach Pillau abgesegelt, und es blieb nichts übrig, als ihm nachzufolgen; aber zu gleicher Zeit verließ mich mein Schiffsvolk heimlich, dem es wohl bange werden mochte, mit mir bei den Russen in die Patsche zu kommen. Ich sah mich also auf meinem Bording allein, ohne mir Rat zu wissen, bis am andern Tage ein betrunkener Mensch (er war Nachtwächter in Pillau) seines Weges von Königsberg, längs des Dammes einhergetaumelt kam, dem ich die freie Fahrt nach Hause anbot, wenn er an Bord kommen und mir etwas helfen wollte. Das ward gerne angenommen; und obwohl er sich einigermaßen wunderte, daß er mich so mutterseelenallein hantieren sah, so beruhigte ihn doch meine Versicherung, daß sich mein Volk wohl finden werde; er half mir mein Fahrzeug losmachen und die Segel aufziehen, sogut er's in seinem Zustande vermochte, und suchte dann bald einen Winkel, sein Räuschchen vollends auszuschlafen.

      Der Wind war günstig und ich steuerte, sogut es gehen wollte, auf Pillau zu. Gegen den Abend sah ich das Schiff, welches ich suchte, bereits in der Rinne vor Anker liegen. Allein in eben dem Augenblicke, wo ich mich ihm an Bord legte, erblickte ich auch ein Boot mit russischen Soldaten angefüllt, die sich mir näherten und es unfehlbar auf mich gemünzt zu haben schienen. Nun galt es denn im Ernste! Auf mein Bitten versprach mir indes der Schiffer, nicht nur mich in seiner Jolle und durch seine Leute alsogleich bei dem Schwalkenberge an Land bringen zu lassen, sondern auch meinen Bording, sobald er ledig geworden, hinter den Haken in Sicherheit zu schaffen.

      Schnell warf ich mich nun in das Boot und schlüpfte in der eingebrochenen Dunkelheit an meinen Verfolgern glücklich vorüber. Der Wind ging heftig aus Westen, und es gab eine hohe See. Obenein kamen wir, noch in weiter Entfernung vom Lande, auf den Grund zu sitzen, so daß das Boot hoch voll Wasser spülte. Während die Kerle fluchten und schöpften, bedachte ich mich nicht lange, über Bord zu springen. Ich kam auf der Bank bis an den halben Leib ins Wasser, sowie ich aber dem Ufer näher watete, geriet ich immer tiefer – jetzt bis unter die Arme, dann bis an den Hals – hinein, und endlich mußte ich mich zum Schwimmen bequemen. So erreichte ich triefend das Land und ging nach Lockstädt, wo ich nicht nur Gelegenheit fand, mich am warmen Ofen zu trocknen, sondern mir auch ein Pferd bestellte, auf welchem ich früh vor Tage mich davonmachte und zu Mittag Königsberg mit dem Vorsatze erreichte, mich im Hause meines Schwiegervaters zu verbergen.

      Doch etliche Stunden später fand sich auch bereits ein russischer Offizier mit vier Mann Wache und in Begleitung des Bordings-Faktors Mager ein, um mich hier aufzusuchen und festzunehmen. Sie trafen sogleich auf der Hausflur mit mir zusammen, und der Faktor, welcher sich stellte, mich nicht zu kennen, fragte mich, wo der Schiffer Nettelbeck zu finden sei? Ich stutzte einen Augenblick, ermutigte mich aber doch alsbald zu dem Bescheide: Den würden sie wohl in Pillau suchen müssen. »Nein! nein!« unterbrach mich der Offizier, welcher deutsch sprach, »wir wissen, daß er hier schon wieder zu haben ist. Wir wollen ihn wohl herausklopfen.« – Klopft nur, dachte ich, und schritt ganz lässig zur hinteren Hoftüre hinaus. Kaum aber hatte ich diese auch nur im Rücken, so hätte man sehen sollen, was für lange Beine ich machte, um in den Garten und über alle Zäune, Planken und Hecken hinweg an den neuen Graben zu kommen, wo ich bei einem guten Freunde, Heinrich Topen, eine neue Zuflucht zu finden wußte.

      Hier blieb ich unentdeckt, während im Hause meines Schwiegervaters jeder Winkel aufs sorgfältigste nach mir durchstöbert wurde. Dagegen ward in Pillau mein Bordingskahn nicht so bald ledig, als ihn die Russen in Beschlag nahmen, neu bemannten und bis spät in den Herbst hinein zu ihrem Gebrauch verwandten, wo sie ihn endlich, rein ausgeplündert und der Segel und des Tauwerkes beraubt, als ein Wrack liegen ließen. Vergebens bat ich schriftlich einige Freunde in Pillau, nach meinem Eigentum zu sehen, denn niemand wollte sich damit befassen, um sich nicht vielleicht mit den Russen böse Händel zu machen.

      Endlich verblutete sich die Geschichte, so daß ich es allmählich wagte, aus meinem Verstecke hervorzukommen; СКАЧАТЬ