Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ nicht.

      »Ich habe keine Furcht, Jettchen. Ich kenne jeden Winkel im Gebirge und führe die Schmuggler auf Wegen, die noch kein Grenzbeamter gesehen hat.«

      »Aber die Kugeln ihrer Büchsen fliegen weit.«

      »Und in der finstern Nacht und zwischen den Bäumen unsicher.«

      Sie waren an dem Hause angelangt.

      Die Kellnerin schickte einen Knecht mit dem Wasser zu den Juden. Den Kaffee hatte die Köchin noch nicht fertig. Sie mussten darauf warten. Sie traten vor die Tür und wollten plaudern.

      Aber sie konnten nicht.

      Der Offizier, dem der Domherr von Aschen am andern Ufer der Diemel begegnete, war in dessen Nachen herübergefahren und hatte eben deshalb kein »Hol’ über!« rufen müssen. So war man am Hause nicht früher auf ihn aufmerksam geworden, als bis er in der Nähe war.

      Er sah vor dem Hause das hübsche Mädchen mit dem Knaben stehen; das musste die Kellnerin sein oder er musste von ihr über die Kellnerin Auskunft erhalten können. Er beschleunigte seine Schritte.

      So sah ihn das Mädchen. Sie ging aufmerksam dem Eiligen entgegen.

      »Was befehlen Sic?« wollte sie fragen.

      Da fragte der Offizier sie:

      »Sind Sie die Mamsell Henriette Brand?«

      Sie wurde rot. In ihrem Leben war sie noch nicht Mamsell tituliert worden. Wer hätte zu jener Zeit in Deutschland zu einer Kellnerin Mamsell gesagt! Dann kam ihr plötzlich ein anderer Gedanke; sie wurde blass.

      »Ich heiße Henriette Brand«, sagte sie mit zitternder Stimme.

      »So habe ich einen Brief an Sie von dem Herrn Louis Becker, Lieutenant im fünfzehnten preußischen Landwehrregiment.«

      »Mein Herr!« rief sic, und sie wurde schneeweiß und musste sieh auf den Knaben stützen, der neben ihr stand.

      Der Offizier zog unter seiner Uniform eine kleine verschlossene Tasche hervor, schloss sie auf, nahm einen Brief heraus und übergab ihn der Kellnerin.

      Ihre Hände konnten das Papier kaum halten. Sie wollte es öffnen, sie zerriss es fast. Aber lesen konnte sie es nicht.

      »Er lebt?« fragte sie nur den Offizier.

      »Er lebt und ist frisch und munter.«

      »Bernhard, lies Du«, sagte sie zu dem Knaben.

      Sie gab ihm den Brief.

      Es flimmerte ihr wohl vor den Augen.

      Der Knabe wollte den Brief lesen, da rief die Köchin nebenan in der Küche des Hauses:

      »Henriette, der Kaffee ist fertig.«

      Und der diensttreuen Kellnerin flimmerte es nicht mehr vor den Augen.

      »Ich komme«, rief sie zurück.

      Sie nahm dem Knaben den Brief wieder aus der Hand; der Brief des Geliebten war ihr ein Heiligtum; der treue Freund ihrer Kindheit hätte ihr ihn wohl vorlesen dürfen, aber allein durfte er ihn nicht lesen.

      Sie steckte den Brief in den Busen, eilte in die Küche und kam mit dem Kaffee zurück.

      Da fiel ihr eine andere Pflicht ein. die sie vergessen hatte.

      »O mein Herr«, sagte sie zu dem Offizier, »werden Sie mir nicht böse, dass ich Sie hier so stehen lasse. Ich bin im Augenblick wieder da.«

      »Der Dienst geht vor«, lächelte der Offizier.

      Sie eilte mit dem Kaffee zu den Juden.

      Aber sie konnte nicht im Augenblick zurück sein.

      »Was sind wir schuldig, Jungfer?« fragte Aaron Levi.

      Und sie konnte in all ihrer Herzensangst und Herzensfreude und Herzensverwirrung den Juden die richtige Rechnung machen und diese aufrechthalten und verteidigen, als Aaron Levi in seiner Weise ihr Einwendungen und Abzüge machen wollte, und auch das Geld, das der Jude ihr gab, zählte sie genau nach und besah es Stück für Stück, ob es auch echt sei; denn, las man in ihrem Gesichte, diese Schmuggeljuden führen gern falsches Geld bei sich.

      Aber dann flog sie zu dem Hause zurück, und hier musste sie zuerst in ihr Stübchen gehen, um den Brief des Geliebten still und allein für sich zu lesen.

      Als sie wiederkam, lag in ihrem hübschen Gesichte eine so selige, heilige und demütige Freude.

      Sie ging zu dem Offizier, der auf einer Bank vor der Tür saß.

      »Nun?« fragte er sie.

      »Er lebt!« sagte sie.

      »Er hat Ihnen auch mitgeteilt, wie er Offizier geworden ist?«

      »Sie würden es mir erzählen, schreibt er. Aber lassen Sie mich Ihnen vorher meinen Dank sagen, dass Sie den beschwerlichen Umweg hierher zu mit gemacht haben.«

      »Liebe Mamsell«, sagte der Offizier, »einem so braven Kameraden, wie Ihr Bräutigam ist, zu Liebe macht man schon einen kleinen Umweg, und nun ich Sie gesehen habe, wünsche ich mir deshalb Glück. Hören Sie jetzt, was ich Ihnen erzählen soll. Es war gestern ein heißer Tag. Schon vorgestern hatte es angefangen. Aber das war nur ein kleines Vorspiel. Gestern Nachmittag um drei Uhr fing der rechte, furchtbare Kampf an. Es war bei dem Dorfe Ligny und den benachbarten Dörfern.

      Napoleon warf Massen auf Massen gegen die Preußen.

      Die Preußen unter Blücher hielten ihnen Stand; ich war in dem Hauptquartier des alten Helden. Es wurde mit Verzweiflung gekämpft. Bis fünf Uhr hatten die Franzosen noch keinen einzigen Vorteil gewonnen. Da führte Napoleon seine ausgeruhten Garden in die Schlacht.

      Blücher hatte ihm nur seine ermüdeten Soldaten entgegenzustellen. Er hatte das Bülow’sche Corps erwartet; es kam nicht. Da war der Kampf kein gleicher mehr. Zwanzigtausend Preußen bedeckten das Schlachtfeld. Blücher musste sich zurückziehen. Die französischen Kürassiere drangen unaufhaltsam vor. Er warf sich ihnen persönlich entgegen mit tausend Reitern, die er noch schnell zusammenbringen konnte. Mit seinem Pferde stürzend, wurde er zwar vor der Gefangenschaft gerettet, durch ein Wunder fast, aber die Schlacht war verloren. Und in allem diesem Gewühl und Schrecken und in den eigenen Gefahren, die ihm drohten, hatte der tapfere Feldherr das Einzelne nicht übersehen. So auch nicht, wie ein junger Landwehr-Unteroffizier durch eine Tat der Kühnheit und der Geistesgegenwart ein ganzes Bataillon rettete. Das Bataillon hatte Befehl erhalten, durch einen Hohlweg zu marschieren, um auf dessen anderer Seite auf eine französische Truppe loszubrechen. Als die Leute auf dem Wege sind, gewahrt sie eine Eskadron französischer Lanciers. Wie ein Blitz fliegt die ganze Eskadron, der Chef an der Spitze, nach dem Wege. Sie wollen die Menge, die in dem tiefen, engen Wege sich nicht verteidigen, sich kaum rühren kann, überreiten, umzingeln, niederstechen, niederhauen. Hundert Schritt davon ist ein Bataillon des fünfzehnten Landwehrregiments im Gefecht mit den Franzosen. Eine Kompanie ist vorn Feinde durchbrochen. Ein Unteroffizier kommandiert die eine Hälfte, der Unteroffizier Becker. Zwei Offiziere waren schon gefallen: der mutige Hauptmann der Kompanie, der sich zu weit vorgewagt hatte, war von СКАЧАТЬ