Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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»Nichts Gewisses. In den Winkel, in welchem mein Dorf liegt, kommt kein Fremder, zu den armen Bauern kommen keine Zeitungen. Aber im vorigen Jahre hatten einige Burschen des Dorfes den Feldzug nach Frankreich mitgemacht, die erzählten bei ihrer Rückkehr von einem General von Steinau, der in einer Schlacht schwer verwundet worden sei; sie meinten gehört zu haben, das Bein sei ihm abgeschossen.«
»Bein für Bein! Zahn für Zahn!« warf der Dom hm hin.
»Ich möchte es ihm nicht wünschen, hochwürdiger Heu. Wer weiß auch, ob dieser General mein ehemaliger Hauptmann war.«
»Wie sah Ihr Hauptmann aus?«
»Er war ein großer, schöner Mann.«
»So, so! — Aber ich muss fort«, sagte der Domherr dann, nachdem er auf seine Uhr gesehen hatte. »Und da kommt ja auch Ihre Tochter wieder, mit der Sie lieber sprechen werden als mit mir. Sie sind ein braver Mann, Herr Schulmeister, wenn Sie auch die Bibel nicht ganz gründlich studiert zu haben scheinen. Zahn um Zahn, Auge um Auge, es steht nun einmal darin. Aber wie Sie es meinen, so mag es am Ende auch gut sein. Und Sie, mein liebes Kind«, wandte er sich darauf an die hübsche Kellnerin, die in die Laube zurückgekehrt war, »meine liebe Henriette, so heißen Sie ja wohl?«
»Henriette Brandt«, sagte das Mädchen.
»Also, meine liebe Henriette Brand, wir werden hoffentlich hier uns noch öfter wiedersehen und Freunde werden. Und hier für meinen Kaffee und für den Wein des Kutschers.«
Er gab ihr einen von seinen Krontalern.
»Der gnädige Herr bekommen zurück«, sagte die Kellnerin.
»Eigentlich nicht, und ich komme ja auch heute Abend wieder hierher. Ah, da fällt mir noch eins ein — ich hätte es beinahe vergessen. In einer Stunde wird sich hier eine lustige Gesellschaft aus dem Bade einfinden. Sie wollen an der Sägemühle einen vergnügten Abend zubringen und gar tanzen. Tanzen, heute tanzen, heute, da Tausende und Tausende armer Menschen auf den Schlachtfeldern verbluten! O, o!«
Die hübsche, frische Kellnerin war plötzlich blass geworden. Sie sah den Domherrn fragend an; sie hatte eine Frage an ihn auf den Lippen und nicht den Mut, sie auszusprechen.
»He«, sagte der Domherr, »was fehlt Ihnen?«
Da war ihr doch der Mut gekommen, die Frage zu tun.
»Hat der gnädige Herr Nachricht von der Armee?«
»He, he«, sagte der Domherr noch einmal, »ist das Herz da hinten bei der Armee? Auch hier eins?«
Die Blässe des Mädchens hatte einer dunklen Glut Platz gemacht.
Auch der Schullehrer sah sie verwundert an.
»Ich erzähle Dir alles, Vater«, sagte sie zu diesem.
»Haben Sie Nachrichten?« fragte sie so bittend wiederholt den Domherrn.
»Ich weiß nur«, antwortete der Domherr, »dass vorgestern schon in der Frühe eine Schlacht gewesen sein muss und —«
Er brach ab.
»Und?« fragte das Mädchen erschrocken.
»Hm, mein liebes Kind, mit der Wahrheit hinter dem Berge zu halten, hat noch niemals gut getan. Aber vorher auch von Ihnen ein klein wenig Wahrheit. Hat das Herz etwas da hinten bei der Armee?«
»Einen Verlobten«, gestand sie errötend.
»Und er ist?«
»Unteroffizier bei der Landwehr.«
Und zu dem Schullehrer sich wendend, setzte sie hinzu:
»Louis Becker, Vater. Er war schon im Gasthofe zu Warburg mit mir zusammen.«
»Zusammen?« fragte der Domherr.
»Er war Kellner.«
»So, so! Nun, ich hatte hinzufügen wollen, es scheine mir kein gutes Zeichen zu sein, dass wir heute, am dritten Tage, noch nicht einmal Nachricht haben. Eine Siegesbotschaft wäre schon da. Aber es ist nur meine Ansicht, liebes Kind, und lassen Sie sie nicht bis in Ihr Herz kommen. Trifft gute Nachricht ein, so bin ich der erste, der sie Ihnen hierher bringt.«
Er gab dem Schullehrer und dem Mädchen die Hand und ging.
»Die könnte heute nicht mehr tanzen«, sagte er im Gehen für sich. »Gisbertine kann es!«
Er nahm seinen Weg nach der alten Sägemühle, zu der Fähre hinter derselben. Er wollte sich über die Diemel setzen lassen. Vom jenseitigen Ufer führte durch das Gebirge ein näherer Fußweg nach Ovelgönne. Der Domherr kannte in dem Gebirge Weg und Steg.
Die Fähre fuhr mit ihm ab.
Als sie nicht weit mehr von dem andern Ufer war, wurde dort der Huf eines Pferdes laut. Sehen konnte man nichts. Durch die Berge lief ein Hohlweg bis hart an den jenseitigen Fährplatz.
Der Domherr blickte umso erwartungsvoller hin.
Ein Pferd in dem Gebirge?
Da kam ein Reiter aus dem Hohlwege hervor. Ein Führer zu Fuß begleitete ihn. Der Reiter war ein Offizier; der Domherr erkannte die hessische Uniform.
Der Nachen hatte in demselben Augenblicke das Ufer erreicht. Der Domherr sprang an das Ufer.
Der Offizier sprang vom Pferde.
»Das trifft sich ja«, sagte er. »Da brauche ich nicht zu warten.«
Er übergab dem Führer das Pferd und Geld. Er wollte in den Nachen springen. Er besann sich. Er wandte sich an den Domherrn, der neben ihm stehen geblieben war.
»Sie kommen von der Sägemühle drüben, mein Herr?«
»Wie Sie sehen, mein Herr.«
»Sind Sie bekannt dort?«
»So ziemlich.«
»Ist eine Kellnerin Namens Henriette Brand da?«
»Ja, mein Herr!«
»Teufel, das trifft sich ja wieder.«
Der Offizier wollte in den Nachen springen.
Aber nun hatte der Domherr eine Frage an ihn, auch wohl mehrere.
»Ah, mein Herr, Sie kommen vom Kriegsschauplatze?«
»Ja, mein Herr.«
»Und bringen der hübschen Kellnerin Nachricht von dort?«
»Gewiss.«
»Gute?«
»Einen Brief von ihrem Bräutigam.«
»Geschrieben nach der Schlacht?«
»Teufel! СКАЧАТЬ