Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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»Es war das Treffen bei Quatrebras.«
»Sein Ausgang?«
»Die Preußen mussten sich zurückziehen.«
»Und was folgte weiter?«
»O, mein Herr, gestern, am sechzehnten, die unglückliche Schlacht bei Ligny. Die Alliierten wurden auf allen Seiten geschlagen. Sie haben Wunder der Tapferkeit verrichtet, furchtbare Verluste erlitten; das Unglück verfolgte sie, warf sie nieder. Ich bin aus dem Blücher’schen Hauptquartier zum Kurfürsten nach Kassel geschickt, um ihm Meldung zu machen.«
»Und heute?« fragte der Domherr.
»Heute ist Ruhetag für alle Teile, und was morgen und übermorgen werden wird, steht in Gottes Hand.«
»Also Niederlage!« sagte der Domherr, »Blutbad, Gemetzel. Es fehlte noch.«
Dann wandte er sich wieder an den Offizier.
»Mein Herr, darf ich Sie um den Namen des Bräutigams der Kellnerin bitten?«
»Lieutenant Becker, mein Herr.«
»Offizier?«
»Seit gestern. Auf dem Schlachtfelde ernannt, vom alten Blücher selbst. Er war bis dahin Unteroffizier gewesen.«
»Hm, hm! Noch eins, mein Herr. Sie erwarten noch schwere Schlachten in den nächsten Tagen?«
»Ströme von Blut, mein Herr. Es muss zur Entscheidung kommen, unumgänglich. Und es muss ein furchtbarer, entsetzlicher Kampf werden.«
»Mein Herr, sagen Sie es dem Mädchen da drüben nicht.«
»Ich werde nicht. Sie wird es ohnehin früh genug erfahren.«
»Alle Welt, alle Welt!« sagte der Domherr.
Er ging in das Gebirge hinein.
Der Offizier fuhr über den Fluss nach der Sägemühle. Er suchte dort die Kellnerin, denn er hatte eilig.
Er fand sie bald, und zwar sehr beschäftigt.
Neue Gäste waren noch nicht wieder eingetroffen, aber die schon da waren, hatten desto mehr zu befehlen.
Es waren die beiden übermütigen Handelsjuden mit den vollen Geldkatzen und der Besuch, den sie erwartet hatten. Dieser bestand aus zwei Bauerburschen.
Bald nach der Ankunft der beiden Juden war wieder am jenseitigen Ufer der Diemel »Hol’ über« gerufen worden. Der Nachen war hinübergefahren und mit zwei Burschen zurückgekommen.
Dem einen von diesen — er mochte in dem Alter von fünf- bis sechsundzwanzig Jahren stehen — sah man schon die volle Verkommenheit an. In schmutzigem, zerrissenem Anzuge ging er schlotterig einher; das Gesicht war ihm hohl und aufgedunsen, die Augen lagen darin tief und hohl zurück. Er war trotzdem noch eine kräftige, stark knotige Gestalt.
Sein Begleiter war sein völliger Gegensatz Es war ein junger Bursche, dessen zarter und feiner Körperbau ein Alter von kaum vierzehn bis fünfzehn Jahren anzeigte, dem man aber in dem hübschen und klugen Gesichte mindestens ein, wenn nicht gar zwei Jahre mehr mochte ansehen wollen. Wie der Blick seiner hellen blauen Augen ein lebhafter und unternehmender war, so erschien auch sein ganzes Wesen lebendig und keck. Seine Kleidung war zwar eine ärmliche, aber weder schmutzig noch zerrissen.
Der ältere der beiden machte den Führer.
Sie gingen, nachdem sie den Boden der Sägemühle betreten hatten, nach dem Wirtshause hin. Sie erblickten dort alsbald die beiden Juden.
»Da sind sie schon. Siehst Du sie?« sagte der ältere der beiden Burschen zu seinem Begleiter; er sprach mit einer heiseren Schnapsstimme.
Der Kleinere sah sich die Juden an.
»Die könnten mir nicht gefallen, Konrad.« sagte er.
»Meinst Du, sie gefielen mir?« lachte der andere.
»Echte Spitzbubengesichter!« fuhr der Knabe fort.
»Sie sind auch Spitzbuben!«
»Und das sind Deine Herren?«
»Man muss leben, mein Junge.«
»Und ich soll auch in ihre Dienste gehen?«
»Steht Dir der Fleischtopf in Deines Vaters Hause so voll?«
Der kleinere Bursche antwortete nicht. In seinem Gesichte zeigten sich Abscheu, Widerwillen, aber auch Unentschlossenheit. So ging er neben seinem Begleiter zu den Juden.
Die beiden Juden hatten sich seitab von dem Rasenplatz an einen Tisch gesetzt, der halb versteckt zwischen einem kleinen Gebüsch von Flieder und Nussbaumsträuchern stand. Man sah sie dort nur von der alten Sägemühle, von dem Rasenplatze sowohl wie von dem Wirtshause her waren sie nicht zu sehen. Sie hatten den verborgenen Platz wohl absichtlich gewählt.
Die beiden Burschen begaben sich dorthin zu ihnen.
»Guten Tag, Ihr Herren!« sagte der ältere zu ihnen.
»Ihr Herren!« sagte er zwar, sie waren ja auch seine Herren, wie er seinem jungen Begleiter gesagt hatte Aber viele Umstände machte er im Übrigen nicht mit ihnen.
Seine Mütze berührte er kaum und ohne weiteres setzte er sich zu ihnen auf die Bank.
Und seinem Beispiele folgte sein junger Begleiter, oder auch wohl nicht seinem Beispiele.
Zwischen dem deutschen Landvolke und den Juden besteht seit uralten Zeiten eine unauslöschliche Antipathie.
Sie hat wohl nicht allein in religiösen Ansichten und Vorurteilen ihren Grund. Je ärmer der Bauer und je reicher der Jude ist, desto mehr hasst und verachtet der Bauer den Juden, denn desto mehr ist er in den Händen des Geldjuden, desto mehr wird er von diesem betrogen, desto herrschsüchtiger, übermütiger ist dieser gegen ihn.
Da, wo das Hessen- und Westfalenland aneinander grenzen, ist das Landvolk aus beiden Seiten arm und der Handelsjude hat dort seinen blühenden Sitz.
»Das ist der Bursche?« fragte einer der Juden den älteren Burschen, indem er auf den Knaben zeigte.
»Das ist er.«
Der Jude wandte sich an den Knaben.
»Wie heißt Du?«
»Bernhard Henke«, war die Antwort.
»Woher?«
»Aus Niederhelmern.«
»Der Konrad Maurer hat Dir gesagt, was wir von Dir wollen?«
»Ja!«
»Und Du bist bereit?«
»Lasst einmal selbst hören, Ihr Herren«, sagte vorsichtig oder СКАЧАТЬ