Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ sie war so zärtlich, denn sie trat auf die Seite des lahmen Fußes und legte seinen Arm in den ihrigen, dass er sich im Gehen auf sie stützen konnte.

      Der lahme Mann freute sich ihres frischen, blühen den Aussehens.

      Als beide sich recht ausgefreut haben mochten, flog das Mädchen flink aus der Laube in das Haus; nach wenigen Minuten war sie wieder da mit Kaffee und Milch und Zucker und Zwieback und dabei zwei Tassen, wie wenn zwei Gäste zwei Portionen Kaffee bestellt hätten.

      Sie trug es in die Laube zu ihrem Vater; sie setzte sich zu ihm; sie schenkte ihm, sie schenkte sich ein; der arme kränkliche Mann sollte sich einmal etwas zugutetun, und damit es ihm recht gut tue, trank sie mit ihm.

      Sie konnte nur nicht lange bei ihm bleiben.

      Es kamen neue Gäste, zwei Handelsjuden mit breiten, runden Geldkatzen um den Leib, mit listigen Gesichtern, deren Übermut der vollen Geldkatzen sich bewusst war.

      »Wirtschaft!« riefen sie.

      Die Kellnerin musste zu ihnen eilen.

      »Kaffee!« befahl der eine.

      »Gott's Wunder«, rief der andere, »wer wird trinken heißen Kaffee bei dieser Hitze? Wir trinken Wein.«

      »Willst Du ihn bezahlen?«

      »Kann ich es doch! Also Wein, Jungfer, bringe Sie Wein! Ein ganzes Maß gleich und auch eine Flasche Schnaps und vier Gläser! Wir erwarten Gesellschaft.«

      Und nun befahl auch der erste, der nur hatte Kaffee trinken wollen; er verlangte Brot und Butter und Käse und Fleisch.

      Und wie das Mädchen ging, alles zu besorgen, hörte sie drüben vom andern Ufer, hinten an der Fähre, schon wieder ein »Hol’ über!« rufen; es kamen also neue Gaste, die sie dann wieder bedienen musste. Ihre Freude war für den Augenblick, vielleicht für längere Zeit dahin. Sie ging verdrießlich zu der Laube, sich und den Vater zu vertrösten; dann machte sie ihre Besorgungen.

      Der lahme, kränkliche Mann saß so allein und traurig da.

      »Hm, hm«, sagte der Domherr, und er stand auf und ging näher zu der Laube, um sich den Mann näher zu besehen.

      Der Mann fiel ihm auf, schien ihm interessant zu werden.

      Die ärmliche Kleidung war keine bäuerliche der Gegend; das Gesicht des Mannes hatte feine, intelligente Züge; es war so leidend, so tief und traurig nachdenklich; der Mann war so riesig groß, so hager und dürr, und dabei lahmte er.

      Der Domherr kehrte zu seinem Tische zurück, nahm seine Tasse Kaffee und ging damit zu der Laube.

      »Ist’s erlaubt?« sagte er.

      Damit setzte er seine Tasse Kaffee auf den Tisch und sich auf die Bank zu dem lahmen Mann.

      Der Mann zog höflich seinen Hut, rückte ein wenig und sagte:

      »Es ist ja Platz hier!«

      »Richtig«, sagte der Domherr. »Und darum sollten Sie nicht rücken. Wenn nachher Ihr Kind zurückkommt, rücke ich, oder ich gehe auch ganz. Ihr Kind hatte eine rechte Freude, Sie wiederzusehen. Es tat mir wohl. Sie hatten sie wohl lange nicht gesehen?«

      »Seit zwei Jahren nicht.«

      »Sie sind hier in der Nähe zu Hause?«

      »Ich bin Schulmeister in Heimsen, drüben im Preußischen, eine Stunde von hier.«

      »So, so, Schullehrer! Und wo war Ihre Tochter in den zwei Jahren?«

      »Hm, Hochwürden—« sagte der Mann.

      »Ha, Sie kennen mich, Herr Schulmeister?«

      Der Schulmeister zeigte schweigend auf das Domherrnkreuz.

      »Ja so! Nun, was wollten Sie mir sagen?«

      »Zuerst, Hochwürden, dass das Mädchen nicht meine Tochter ist.«

      »Sie nannte Sie doch Vater und freute sich wie ein Kind, das seinen Vater wiedersieht.«

      »Und auch ich freute mich wie ein Vater, der seine Tochter wiedersieht. Ich liebe sie auch wie mein Kind, und ich habe sie — aber das wäre eine lange Geschichte.«

      »Könnten Sie sie mir erzählen?«

      Der Schullehrer sann einen Augenblick nach. Auf die Frage antwortete er nicht.

      »Hochwürden«, sagte er, »wünschten zu wissen, wo das Mädchen in den zwei Jahren war. Sie war Kellnerin bei dem Wirt in Kassel, der für diesen Sommer die Wirtschaft hier auf der Sägemühle gepachtet hat.«

      »Und sie hatte Sie in der ganzen Zeit nicht besucht?«

      »Das kostet Zeit und Geld, die. solch ein armes Mädchen nicht übrig hat. Seit zehn Tagen ist sie hier. Vor fünf Tagen konnte sie es mir erst sagen lassen. Heute konnte ich sie erst besuchen Ich habe auch nicht immer Zeit.«

      »Und die lange Geschichte?« fragte der Domherr doch noch einmal.

      Der Schullehrer sann noch einmal nach.

      In dem Gesicht des Domherrn war so klar die Gutmütigkeit zu lesen. Kirche und Schule, wenn sie recht und echt sind, gehören doch nun einmal zusammen.

      »Wenn sie Sie interessiert«, sagte er.

      »Gewiss, Herr Schulmeister.«

      »Aber ich muss weit ausholen.«

      »Das pflegt man bei langen Geschichten zu müssen.«

      »Ich war zuerst Soldat —«

      »Mit Ihrem lahmen Fuß?«

      »Ja und nein. Ich war schon in meinem achtzehnten Jahre so groß gewachsen, wie Sie mich jetzt sehen; ich war noch größer; ich lahmte noch nicht; ich maß sechs Schuh und fünf Zoll. Mein Vater war Schullehrer im Ravensbergischen. Ich sollte sein Nachfolger werden; dann konnte ich auch nicht zum Soldaten ausgehoben werden.

      Ich wurde in ein Seminar geschickt, nach Bielefeld. Das war mein Unglück. In der Stadt lag eine Garnison Zu ihrer Inspizierung kam einmal ein General aus Berlin hin. Er sah mich. Der muss zur Garde nach Potsdam, war das erste Wort, das er zu den Offizieren gesagt hatte. Er ist im Seminar, er braucht nicht zu dienen, wurde ihm erwidert. Der General hatte dazu gelacht. Nach vierzehn Tagen kamen zwei Unteroffiziere in das Seminar, holten mich mit Gewalt heraus und brachten mich im Postwagen nach Potsdam. Dort wurde ich in das erste Garderegiment gesteckt, und zwar in die erste Kompanie, in der die größten Menschen waren. Ich war so groß, dass ich im ersten Gliede nicht zu den Kleineren gehörte. In Bielefeld hatte ich keinen Menschen sprechen, über die Gewalt, die gegen mich verübt war, keine Klage führen können; auch unterwegs im Postwagen konnte ich es nicht. In Potsdam war es noch weniger möglich; ich kam nicht aus der Kaserne. Nach vierzehn Tagen sollte ich mit andern neuen Rekruten dem Könige vorgestellt werden. Der König hatte die bekannte Leidenschaft für große Menschen in seiner Garde. Du nimmst dir doch ein Herz und sagst ihm alles, war mein Vorsatz.

      Aber unser Hauptmann mochte mir angesehen СКАЧАТЬ