Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ daß es dem Volke bekannt geworden, wer der Verfasser jener Komödie sei, woraus man dieselbe ausgetrommelt habe und der Verfasser schimpflich aus dem Theater habe flüchten müssen. Und hier zu Geesthacht – inmitten der Gemeinde – flüsterte man sich zu, wie die Komödianten es gewagt hätten, bis hierher zu kommen, in den Pfarrhof zu dringen und dem Pastor zuzusetzen, bis dieser wider alles göttliche und menschliche Recht sich herbeigelassen habe, zwei dieser Vagabunden zu trauen und ihrem freventlichen, sündhaften Beisammenleben das Siegel der Kirche aufzudrücken. Und eine derselben stand nun vor ihm und verlangte von ihm, daß er jenen Frevel aufs neue bestätigen und verbriefen sollte.

      »Nicht weiter!« wiederholte er mit noch größerer Strenge im Tone. »Hebet Euch weg. Befreit dieses ehrbare Haus von Eurer verpestenden Nähe. Ich kenne Euch nicht und weiß nichts von Eurer Ehe. Die Kirchenbücher sind in Flammen aufgegangen. Ein sichtbares Zeichen Eurer Verheiratung ist nicht vorhanden. Euer Wort hat keine Gültigkeit! Euer Eid keinen Glauben. Hebet Euch weg und kehrt nicht wieder hierher zurück oder ich vertreibe Euch mit Gewalt und donnere der Flüche schwersten auf Euer sündenschweres Haupt herab.«

      Vor diesen furchtbaren Worten entsetzte sich die Unglückliche und entfernte sich. Als sie die Dorfstraße entlang schwankte, steckten die Weiber die Köpfe zusammen und sahen ihr neugierig nach. Als sie im Freien anlangte, brachen ihre Knie zusammen und sie weinte bitterlich.

      Dem Herbste folgte der Winter. Er war lang und schwer. Aber allgemach kam doch der Frühling in das Land. Die Eisschollen krachten zusammen. Der sanft herabrieselnde, warme Regen löste sie vollends auf und das Fahrwasser der Elbe wurde frei. Die Segel fielen von den Raaen und die Schiffe steuerten aus dem engen Hafen in die freie, offene See. Andere, welche durch den früh einfallenden Winter verhindert gewesen waren, die Heimat zu erreichen, strebten jetzt derselben zu und segelten mit Flagge und Wimpel von der Gaffel und vom Topp in die Elbe hinein. Unter diesen war auch die schmucke Kuff, genannt »Vrouw Margarethe«, kommandiert von dem mannhaften Schiffer Hans Kramer und in diesem Augenblicke gesteuert von seinem jungen Maaten, dem Radjungen aus der Reeperbahn, Jan Blaufink.

      Der Wind war schwach und füllte nur notdürftig die Segel. Die Flut schob die Schiffe vor sich her. Aber sie lief nur noch eine kurze Strecke. Es war kurz vor Hochwasser. Die Ebbe hätten die Schiffe nicht tot zu segeln vermocht, zumal oberhalb der Bucht von Wedel der Wind sich hinter den Bergen von Blankenese verkroch und völlig aufhörte. Die Segel, außer Kraft gesetzt, klatschten gegen Stange und Mast; die Schiffe trieben über Steuer.

      »Blixum!« stieß Schiffer Hans Kramer heraus und schob die Mütze von einem Ohr auf das andere. »Blixum! Ich hatte gehofft, heute Abend bis an die Stadt zu kommen und muß nun die ganze Ebbezeit überliegen. Fallen den Anker!«

      Es war noch jemand an Bord, dem diese Verzögerung ebenso leid war wie dem Schiffer, wenn er es auch nicht laut aussprach, und das war Jan Blaufink. Als die Arbeit getan war und das Schiff ruhig vor seinem Anker lag, stützte er sich mit dem Arm auf den Reeling und sah sehnsüchtig nach der Richtung, wo Hamburg mit seinen stolzen Türmen hinter den Bergen lag.

      »Nun, Jantje! Wonach schaust du aus?« fragte der Schiffer, ihm auf die Schulter klopfend. »Hängst den Kopf, weil wir nicht an die Stadt gekommen sind? Hast Heimweh? Das taugt nicht für ein junges Seemannsblut.«

      »Nein, Schiffer! Ich habe gerade kein Heimweh. Allein ich habe eine große Sehnsucht, die Mutter zu sehen und ihr zu sagen, wie es mir ging und wie herrlich es draußen auf dem blauen Wasser ist. Möchte ihr sagen, was ich gelernt habe und was ich noch lernen kann, wenn ich wieder mit Euch darf und ich bei Euch bleiben ...«

      »Nein, Jantje, das ist nicht angängig, mein Junge. Will mir das Glück wohl, bekomme ich bald wieder eine neue Fracht und steuere den Weg zurück, den wir eben kamen. Dann magst du mich begleiten, damit Holla. Die »Vrouw Margarethe« bekümmert sich um dich nicht weiter.«

      »Was meint Ihr damit, Schiffer?«

      »Damit meine ich, daß du nicht an Bord eines solchen Fahrzeuges versauern darfst wie dieses. Ein Junge, der so tüchtig sein neues Handwerk angreifen lernte, wie du, muß andere Kurse steuern, als von Hamburg nach Amsterdam, oder wenn es hoch kommt, zur Veränderung einmal nach London. Dir liegen weitere Bahnen offen, durch den stillen Ozean und in die chinesische See, die ich nur von Hörensagen kenne.«

      Der wackere Hans Kramer sprach aus dem Herzen heraus. Man fühlte, daß jedes Wort so gemeint war, wie es gesprochen wurde, Jan Blaufink fühlte sich tief davon berührt und drückte dem Schiffer die Hand. Dieser erwiderte den Druck und sagte:

      »Während der Dauer unserer Reise, die länger währte, als ich glaubte, habe ich nicht mit dir davon gesprochen. Ich ließ dich gehen, schob nur mitunter etwas nach und merkte im stillen auf. Aber jetzt, wo die Reise ein Ende hat, kann ich dir sagen, daß ich meine Freude daran hatte, dich scharwerken zu sehen, und wie dir alles flink von der Hand ging. Ich schäme mich nicht, zu sagen, daß es Zeitverlust wäre, wenn du bei mir bliebst, denn du kannst aus meinem kleinen Schiffe nichts mehr lernen. Das bedenke und handle danach. Sage es deiner Mutter, sie möge sich darauf gefaßt machen, dich längere Zeit zu entbehren, dann würde sie dafür die Freude haben, dich als einen tüchtigen Kerl wieder zu erhalten. Komm in meine Kajüte, Jantje. Ehe wir die Koje suchen, wollen wir ein Glas auf eine fröhliche Zukunft trinken. Und morgen segeln wir nach Hamburg.«

      Die ersehnte Stunde kam. Das Schiff lag vertäut an den Pfählen. Die Segel waren befestigt und das Deck geklart. Jakob Maifisch, der wackere Jollenführer, kam an Bord, um seine Orders einzuholen. Als er wieder ans Land fuhr, sprang Jan Blaufink in seine Jolle.

      Auf den Vorsetzen, neben den Treppen und den Radwinden, die dort in bunter Reihe nebeneinander liegen und stehen, befindet sich immer vieles gaffende Volk, nach Arbeit suchend, oder nach einer mühevollen Anstrengung sich eine Viertelstunde Erholung gönnend. Hier hat das Auge stets vollauf zu tun. In den Erdgeschossen sämtlicher Häuser befinden sich Kaufläden, fast alle mit Waren zum Schiffsbedarf versehen, und mit dem freien Blick auf den Mastenwald, der dort beginnt und bis über Altona in drei- und vierfacher Reihe sich ausdehnt.

      Jollenführer, Quartiersleute, Matrosen, die eben keine Heuer haben, und sonstiges Volk, das auf den Vorsetzen umherlungert, schauen nicht bloß in die Elbe, um die Stunde totzuschlagen, sondern sehen fleißig umher, ob sie nicht etwas erspähen, das zum Lachen ist, und womit man sich die Zeit vertreiben kann, oder ob sich ein fetter Bissen findet, nach welchem es sich lohnt, die Finger auszustrecken und den hungernden Magen damit vollzustopfen.

      Der Treppe gegenüber, wo vor des Segelmachers Burmester Haustür die große rote Flagge mit den drei weißen Türmen weht, standen ein paar aufgeschossene Burschen, zu alt, um noch den Winkeljungen beigesellt zu werden, und nicht erwachsen genug, um eine Stellung einzunehmen, welche sie einem besonderen Stande beizählte. Unter diesen waren Jan Bremer, der sich auf einem sogenannten Tabakswinkel untergebracht hatte, und Jan Thiemer, der zu einem Blockdreher in die Lehre gegeben wurde. Sie trafen mit Jan Lorenzen zusammen, der seinem Vater, einem Schutenführerknecht, zur Hand gehen mußte, und dünkten sich in diesen bescheidenen Lebensstellungen, auf der ersten Stufe derjenigen Treppe angelangt, die geradeswegs in die gesegneten Räume von Eldorado und Golkonda führt. Sie trafen in aller Eile Verabredungen für den nächsten freien Sonntag, wo sie ihre Trinkgelder-Schillinge in einen Topf werfen und einmal wieder recht den Teufel austreiben wollten, als Jan Thiemer ausrief:

      »Da kommt Jakob Maifisch mit seiner Jolle. Ich glaube, an dieser Treppe ist sein Stand. Dem wollen wir aus dem Wege gehen, denn er ist grob wie keiner und hat gleich eine Maulschelle zur Hand.«

      »Heute nicht. Der Maifisch hat einen Goldfisch gefangen. Dann ist er bei Laune.«

      »Was meinst du damit? In der Elbe schwimmen keine Goldfische.«

      »Aber СКАЧАТЬ