Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ damit jämmerlich zu Falle gekommen war. Aber das Pfarrhaus ist nicht mehr ganz so, wie es vordem gewesen und auch die Bewohner desselben sind andere Leute, als damals.

      Ehrwürden Johannes Koch, der die geknickte Maienblüte aufrichtete, indem er dem Bunde der Herzen durch den Segen der Kirche die Weihe gab, hatte den Schlag, der ihn so empfindlich traf, nicht verwunden. Zwar wirkte er auch ferner für die Kunst und berauschte sich in den Stunden der Muße an den heiteren Klängen der Poesie; allein öffentlich ließ er niemals wieder etwas davon hören. Endlich legte er sein sorgenschweres Haupt zur Ruhe und sein Weib folgte ihm in kürzester Zeit nach. Und als sollte die sichtbare Erinnerung an diesen Priester in dem Tempel des Herrn und dem Tempel der Kunst soviel als möglich ausgetilgt werden, erhob sich wenige Wochen nach seinem Hinscheiden ein furchtbares Unwetter, wie es in dieser Gegend seit langem nicht gewesen war. Die Donner rollten, der Regen goß in Strömen herab. Ein Blitz schlug in das Pfarrhaus und das Feuer griff um sich. Es wütete zunächst in dem Teil, wo die Studierstube lag und vernichtete die sämtlichen Bücher und Schriften des seligen Pfarrers, die dort aufbewahrt wurden, da der rechtmäßige Erbe sie noch nicht in Empfang genommen hatte.

      Aber nicht nur diese Schriften, sondern auch das Kirchenbuch und andere Papiere, welche für die Gemeinde von hohem Werte waren, wurden dort, weil in der beschädigten Kirche Bauleute aus- und eingingen, in einem wohl verschlossenen Schrein aufbewahrt. Das Feuer, welches unerwartet vom Himmel fiel, griff mit solcher Schnelligkeit um sich, daß an eine Rettung dieses Schatzes nicht zu denken war.

      Der niedergebrannte Teil des Hauses wurde wieder aufgebaut. Ein neuer Pfarrer hielt seinen Einzug in die Pfarre, und in der Studierstube wehte alsbald ein anderer Geist, als in jenen Tagen, wo die Wände von den melodischen Gesängen spanischer Dichterheroen widerhallten. Herr Pastor Knoop war ein strengorthodoxer Mann, der nichts Weltliches in seiner Nähe duldete und mit heiligem Eifer dazwischen fuhr, wenn das junge Volk in der Gemeinde seiner Lust ein wenig den Zügel schießen ließ. Er fuhr mit einem Weheruf dazwischen, so oft ein junger Gesell in der Schenke zum vollen Glase ein heiteres Schelmenlied sang oder die Dirne mit einem zu lauten Juchhe im Tanze schwenkte.

      Der neue Pastor ging in der Allee auf und ab. Er sann über den Entwurf einer Predigt nach, die er am nächsten Sonntage seiner Gemeinde halten und ihr darin das Fegefeuer mit den gräßlichsten Farben schildern wollte, denn es waren neuerdings auf dem Jahrmarkte zu Alten-Eamm, hervorgerufen von seinem Geesthachter jungen Volke, einige Exzesse vorgefallen, die seinen höchsten Zorn erregt hatten. Der Herbstwind warf das vergilbte Laub von den Bäumen und trieb es in wirbelnden Kreisen vor ihm her. Es deutete bildlich die Stimmung des erzürnten Geistlichen an.

      Pastor Knoop war unvermählt. Eine alte Magd führte ihm das Hauswesen. Sie war stets mürrisch und verdrießlich, und machte die Schatten, die der Herr verbreitete, noch undurchdringlicher. Diese kam von dem Hause her und vertrat dem Pastor den Weg.

      »Was gibt es?

      »Es ist eine Frau da, die den Herrn Pastor sprechen will.«

      »Eine aus der Gemeinde?«

      »Sie ist aus Hamburg und will den Herrn Pastor durchaus sprechen. Ich sagte, das ginge jetzt nicht, denn der Herr Pastor studiere seine Predigt, worauf sie erwiderte, daß sie warten würde und wenn es bis Mitternacht dauerte. Nun sitzt sie draußen auf der Bank.«

      »So bringe sie in meine Studierstube und heiße sie warten. Wie heißt sie?«

      »Christine Lohse hat sie sich genannt,« gab die Magd zur Antwort und ging, um den erhaltenen Befehl zu vollziehen.

      Frau Rosmarin, welche diesen Trauernamen führte, als die liebliche Maienblüte verwelkt war, sah sich zwischen denselben Mauern, an demselben Platze, wo sie mit ihrem geliebten Dunkelschön von dem Pastor Johannis Koch feierlich eingesegnet wurde. Welche Gedanken, welche Empfindungen stiegen an dieser Stelle in ihrer Seele auf. Was hatte sie gelitten von jener festlichen Stunde an bis zu der gegenwärtigen! Sie wurde so sehr davon hingerissen, daß sie den Eintritt des Geistlichen überhörte und bei dessen Anrede zusammenfuhr.

      »Verzeihung, ehrwürdiger Herr, daß ich es gewagt habe, zu stören. Allein meine Lage ist eine so beklagenswerte ...«

      »Zur Sache, wenn es beliebt.«

      »Ich bin verheiratet und habe meinen Mann verloren. Mein Sohn ist herangewachsen und soll in das öffentliche Leben treten. Der Taufschein ist verloren gegangen ...«

      »Sie muß sich an den Geistlichen wenden, der die Kopulation vollzogen hat,« war die Antwort.

      »Das kann ich nicht,« sagte Frau Rosmarin. »Er ist tot, und darum wende ich mich an seinen Nachfolger.«

      »An mich? Ist Sie denn aus der hiesigen Gemeinde?«

      »Nein, ehrwürdiger Herr. In unserer Not nahmen wir unsere Zuflucht zu dem Herrn Pastor Koch und er gab uns in Gottes Namen als christliche Eheleute zusammen. Jetzt stehe ich allein und habe meine ganze Hoffnung auf Euer Ehrwürden gesetzt, um einen neuen Trauschein zu erlangen.«

      »Den kann ich Ihr nicht geben. Bei dem Brande, der vor einigen Jahren hier stattfand, sind die Kirchenbücher vernichtet.«

      »Allmächtiger Gott!« rief die Unglückliche und ward bleich wie die Wand.

      »Es ist ein Schicksal, welches Sie mit vielen teilt,« entgegnete Pastor Knoop. »Warum hat Sie ein so kostbares Dokument nicht sorgfältiger bewahrt?«

      »Ich habe es nie gehabt. Mein Mann trug es bei sich und als er plötzlich verschwand ...«

      »Er verschwand? Hier liegt also eine bösliche Verlassung vor. Die Sünde greift immer weiter um sich. Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er verschlinge. Er braucht nicht lange zu suchen. Die liebe Christenheit ist nur allzu bereit, in seinen Rachen hinab zu fahren.«

      »Nein, ehrwürdiger Herr, so ist es nicht,« entgegnete sie, sich ermannend. »Er hat mich nicht böslich verlassen, er wurde mir gewaltsam geraubt.«

      »Menschenraub! In unseren Tagen?« entgegnete der Pastor, die Stirn runzelnd. »Will Sie mir ein Märchen aufheften?«

      »Es ist leider eine nur allzu traurige Wahrheit!« sprach Frau Rosmarin. »Ich sehe wohl, daß ich jeden Umstand mitteilen muß, wenn ich verstanden sein will, und bitte Euer Ehrwürden, mich in Gnaden anzuhören.«

      Der Pastor erwiderte hierauf nichts und sie fuhr fort:

      »Mein Name ist Christine Ramke. Ich lebte bei meinem Oheim, dem Großböttchermeister Lorenz Namke. Eines Tages begegnete ich einem jungen Manne. Er hieß Eberhard Lohse, weil er aber schön war und schwarze Ringellocken hatte, nannte man ihn allgemein Dunkelschön.«

      »Was wird das?«

      »Wir liebten uns, ehrwürdiger Herr, und begehrten, uns zu ehelichen; allein da meine Verwandten niemals eingewilligt haben würden, von wegen des Standes meines Geliebten ...«

      »Warum stockt Sie?«

      »So entlief ich aus dem Hause meines Oheims und entfloh mit dem Geliebten, der mir den Namen Maienblüte gab ...«

      »Nicht weiter!« donnert, der Pastor die erschrockene Frau an. Ein Gewitter lagerte sich auf seiner Stirn. Eine Erinnerung früherer Tage tauchte vor ihm auf. Es war die Geschichte eines Amtsbruders, der seine Mußezeit damit vergeudete, weltliche Theaterstücke zu schreiben, und sich so sehr vergaß, mit den Komödianten СКАЧАТЬ