Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 42

СКАЧАТЬ Tage geschehen.«

      »Dann lebe wohl. Und wenn du wiederkommst, sprich bei uns vor. Ich habe es gerne, wenn du da bist.«

      »Ist das dein voller Ernst?«

      »Würde ich es sonst sagen? Die Mutter hat dich auch gern und sie hat mir stillschweigend erlaubt, daß ich deine Mutter ein paarmal habe besuchen dürfen, als du auf der Reise warst.«

      »Sie hat es mir erzählt. Du warst stets so lieb und hast ihr jedesmal etwas mitgebracht. Wenn ich es dir nur vergelten könnte.«

      »Du wirst es tun, wenn einmal wieder ein häßlicher Junge mich anfaßt.«

      »Soll sich es einer unterstehen!« fuhr Jan Blaufink auf und erhob die geballte Faust. »Aber es wird immer dunkler und der Regen gießt in Strömen herab. Geh ins Haus, Lene. Ich muß machen, daß ich an Bord komme.«

      Die beiden trennten sich zögernd. Erst nach einigen vergeblichen Versuchen war es gelungen und Jan Blaufink trabte der Stelle zu, wo er seine Jolle festgemacht hatte.

      Der Jollenführer Jakob Maifisch hatte dort seinen Posten und sagte:

      »Es ist hohe Zeit, daß du kommst. Deine Jolle hätte beinahe der Teufel geholt, wenn ich sie nicht in Sicherheit brachte.«

      »Wie konnte das angehen?« rief Jan erschrocken.

      »Hans Einfalt. Die Flut hatte sie immer höher gehoben und drückte sie gegen das überragende Bollwerk.«

      »Es ist aber längst Hochwasser gewesen und die Ebbe ist da.«

      »Die Ebbe ist wohl da, aber das Wasser läuft nicht ab und heute Abend haben wir Springflut.«

      »Springflut!« wiederholte Jan Blaufink. Er hatte wohl eine dunkle Ahnung von dem, was sie bedeute, allein ein klares Bild konnte er sich davon nicht entwerfen. Er sah den Jollenführer neugierig an und sagte:

      »Die will ich mir ansehen. Kommt sie bis hierher, Jakob Maifisch?«

      Beide standen auf der Mitte des Dammes. Der Jollenführer sagte:

      »Auch wohl einige Fuß darüber hinaus. Wäre nicht das erstemal, daß wir mit unsern Jollen auf dem Scharmarkt umherruderten.«

      Jan Blaufink sah den Jollenführer mit einem Blicke an, welcher zu sagen schien, daß er dieser Mitteilung keinen sonderlichen Glauben schenke. Jakob Maifisch, der es merkte, machte ein verdrießliches Gesicht und fuhr ihn an:

      »Will der Donnersjunge wohl an Bord! Was soll der Schiffer von einem solchen Ausbleiben denken? Und halb voll von Regenwasser ist deine Nußschale auch. Das Oesefaß treibt darin umher, wie ein Strohhalm im Rinnstein. Hinunter mit dir!«

      Die Subordination zur See ist so groß, daß der junge Seemann dem älteren unbedingt gehorcht, auch wenn er in keinem Dienstverhältnis zu ihm steht. Mit einigen Sätzen war Jan Blaufink in seiner Jolle, schöpfte das Regenwasser, welches sich darin sammelte, aus, und fuhr an Bord, wo ihn der Schiffer Hans Kramer mit den Worten empfing:

      »Gab euch beide schon verloren. Was, zum Donner, treibst du dich so lange am Lande umher?«

      Jan Blaufink wußte bereits aus Erfahrung, daß eine aufsteigende Welle bei Windstillen in sich zusammenstürzt; nur wenn der Sturm sich ihr in dem Nacken festsetzt, stürmt sie weiter. Er ging daher schweigend in den Roof und besorgte die ihm obliegenden Geschäfte. Als er wieder zum Vorschein kam und den Schiffer fragte, ob die Leute zu Abend essen sollten, nickte jener ein stummes Ja und setzte hinzu:

      »Zur Nachtzeit müssen wir beide Augen aufknöpfen und jede Stunde alert sein. Das kannst du ihnen mit der Teekanne zugleich aufbacken.«

      Dichte Finsternis lag auf Strom und Land. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Der Regen ließ nicht nach und die Gossen schwollen mit der Sekunde mehr und mehr an. Einer Unzahl schäumender Gießbäche gleich stürzten sie in das Bassin der Elbe hinab.

      Vor den Türen, auf den Beischlägen standen die Menschen und blickten voll banger Furcht in die dichte Finsternis hinaus. Lichter flirrten an den Fenstern vorüber und verschwanden hier, um gleich darauf dort wieder sichtbar zu werden. Keiner hatte Ruhe in seiner Wohnung und irrte von einem Winkel derselben zum andern. Auf dem Herde waren alle Feuer erloschen, denn der Wind fegte durch den Schlot und jagte Asche und Funken zu einer gefährlichen Wirbelsäule auf.

      Zwei rannten gegeneinander. Sie schimpften nicht, wie es sonst wohl bei solchen Anlässen zu geschehen pflegt. Einer suchte den anderen zu halten und der erste sagte:

      »Gut, daß wir ohne alle Segel, bloß vor Topp und Takel fahren, sonst hätten wir Havarie gehabt. Nun erkenne ich Euch, Nachbar. Wo wollt Ihr denn hin?«

      »Die Meinigen sollen fort aus dem Keller. Ich bringe sie zur Muhme Bartels in der Steintwiete.«

      »Es ist gut, daß ich keine Leute zu Hause habe. Mit mir allein werde ich wohl fertig!« sagte der Zurückbleibende. »Was gibt es da wieder zu schreien?«

      »Das Wasser ist stall. Mit der Ebbe ist es vorbei!«

      »Vorbei? Es ist ja noch gar nicht gefallen.«

      »Der Hafenmeister hat eben selbst nachgesehen. Einen halben Fuß in der ganzen Zeit.«

      »Herr Gott! Und nun kommt die neue Flut.«

      »Ja, Herrschaft! Und der neuen Flut setzt sich der Nordwest in den Nacken. Hört ihr, wie es pfeift? Das wird ein fliegender Sturm.«

      Diese Kunde verbreitete sich mit Blitzesschnelle durch den ganzen niedriggelegenen Stadtteil. Wem es gegeben war, der flüchtete mit den Seinen, oder brachte wenigstens diese in Sicherheit. Wer keine Zufluchtsstätte hatte, suchte sich vor der mit Herzklopfen erwarteten Flut zu schützen, so gut er es vermochte. Die Eingänge zu den Kellerwohnungen und den Stockwerken zur ebenen Erde wurden verbarrikadiert. Man setzte die sogenannten Schotten ein und verstärkte dieselben noch durch Aufschüttungen von Sand oder Erde. Ohnmächtige Hilfsmittel gegen einen in steigender Erregung daherbrausenden Strom.

      »Das Wasser wächst!«

      Von welcher Stelle aus dieser Ruf zuerst erscholl, das wußte keiner zu sagen, allein nach wenigen Augenblicken hallte er an allen Ecken wider und erhielt seine Bestätigung durch einen lange nachhallenden Donner.

      »Was war das?«

      »Der erste Schuß vom Johannes-Bollwerk!« lautete die Antwort auf diese Frage. »Das Wasser betritt die Stadt!«

      Vor dieser Antwort verstummten alle, bis das furchtbare Schweigen sich in einem ebenso schaurigen Angstruf auflöste.

      Eine Dirne suchte sich von den umstrickenden Armen eines jungen Mannes loszumachen.

      »Ich muß nach Hause, Lorenz! Ich muß!« jammerte sie und bat ihn, sie zu lassen.

      »Das tue ich nicht,« sagte Lorenz zu ihr. »Katharine, sei vernünftig. Das Wasser bedeckt schon die Straße. Du kommst nicht mehr trocknen Fußes hin, und die Dachpfannen, die der Wind von den Dächern herabfegt, zerschlagen dir den Kopf.«

      »Und wenn es mein sicherer Tod wäre! Ich will nach Hause. Die Lene ist allein. Ich СКАЧАТЬ