Название: Holzperlenspiel
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738005257
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„Machen wir uns an die Arbeit. Bruder Andreas kommt in zwei Stunden, bis dahin sollten wir die Überwachungsbilder gesichtet und sortiert haben.“
Rudolf Krohmer ging wieder in sein Büro und dachte über das Gespräch mit Bruder Paul nach, den er aus der Schule kannte. Natürlich war Bruder Paul bemüht, Schaden von seinem Kloster abzuwenden und Krohmer musste ihn mit Engelszungen davon überzeugen, dass seine Beamten einen Mord aufzuklären hatten und ihre Arbeit machen mussten. Bruder Paul schien keineswegs beschwichtigt und Krohmer kannte ihn: Er würde seine Kontakte spielen lassen und alle Hebel in Bewegung setzten, das gab ganz bestimmt noch Ärger. Krohmer stöhnte laut auf, dieser Fall gefiel ihm überhaupt nicht. Trotzdem vertraute er seinen Leuten, sie würden schon wissen, wie sie vorzugehen haben.
Es folgte eine für alle Beamten langweilige Aufgabe, denn es galt, alle Bilder von verschiedenen Überwachungskameras durchzusehen und zu ordnen, was sich nicht nur als langweilig, sondern als sehr anstrengend herausstellte. Bis Bruder Andreas eintraf, waren sie zum Glück fertig. Zu ihrem Erstaunen hatte Bruder Siegmund seinen Glaubensbruder begleitet. Es war schon ein ungewöhnliches Bild, wie die beiden Brüder in ihren Habits vor dem Bildschirm saßen und gebannt darauf starrten. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Bruder Andreas schließlich die Frau erkannte – die Beamten hatten bereits die Hoffnung aufgegeben.
„Das ist die Frau,“ rief er aufgeregt. „Ganz bestimmt, das ist die Frau.“
Alle warfen einen Blick auf die betreffende Person und Werner Grössert ging sofort an seinen Computer. Er rief die Bilder der Frau auf, gab einige Informationen ein, markierte das Gesicht an einigen Punkten - und ließ sie über ein Gesichtserkennungsprogramm laufen. Werner hatte hart um dieses Programm gekämpft und vor einem Monat hatte sich Krohmer endlich dazu überreden lassen, dieses anzuschaffen. Werner hielt große Stücke darauf, ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen, die sich nur lustig darüber machten. Jetzt hatte er die Möglichkeit zu beweisen, dass dieses Programm nicht nur hilfreich, sondern in Zukunft unverzichtbar sein würde.
„Jetzt brauchen wir nur noch warten, bis das Programm die Person gefunden und identifiziert hat,“ sagte er stolz.
„Aber auch nur, wenn die Frau bisher irgendwie polizeilich in Erscheinung getreten ist,“ sagte Hans Hiebler, der keinen engeren Bezug zu Computern hatte und froh war, wenn er die gängigsten Programme bedienen konnte.
Bruder Andreas wäre am liebsten wieder sofort gegangen, er fühlte sich hier sehr unwohl, aber Bruder Siegmund sah sich neugierig um und reagierte nicht auf dessen Drängen. Für ihn als Krimifreund und äußerst neugierigen Menschen war das eine einmalige Chance, hinter die Kulissen der Polizei zu blicken. Wann bekam man denn schon diese Möglichkeit? Außerdem war das hier eine willkommene Abwechslung zu seiner sonstigen Arbeit im Klostergarten und in der Klosterküche, die er zwar sehr gerne und mit Eifer ausführte, aber das hier war doch viel interessanter. Seine Bäckchen glühten geradezu und seine strahlenden Augen wanderten aufmerksam hin und her.
„Eigentlich sind wir fertig mit Ihnen. Ich möchte mich ganz herzlich für Ihre Mühe bedanken,“ sagte Viktoria. Leo konnte das Zögern von Bruder Siegmund förmlich spüren, der alles um sich herum geradezu aufzusaugen schien.
„Wie sind Sie beide eigentlich hergekommen? Hat Ihr Kloster ein Auto?“ Leo hatte keine Ahnung vom Klosterleben und fragte daher einfach darauf los.
„Wir haben ein Auto, aber wir beide haben keinen Führerschein. Wir sind mit dem Zug gekommen, auf kurzen Strecken kostet uns das nichts, ein Entgegenkommen der Bahn.“
„Ach was,“ bemerkte Leo erstaunt, der noch nie davon gehört hatte, dass Klosterbrüder umsonst im Zug mitfahren durften. Es war ihm auch neu, dass die Bahn so kulant war. „Dann warten Sie hier, ich organisiere, dass Sie zurückgefahren werden. Natürlich nur, wenn Sie damit einverstanden sind.“
„Und ob wir damit einverstanden sind. Das ist sehr freundlich und aufmerksam von Ihnen, vielen Dank. Denken Sie, dass es eventuell möglich ist, mit einem richtigen Streifenwagen mitzufahren? Aber nur, wenn es keine Mühe macht.“ Bruder Siegmunds Gesicht strahlte, er sah aus wie ein kleiner Junge zu Weihnachten. Bruder Andreas hingegen starrte seinen Mitbruder erschrocken an – sie sollten mit einem Streifenwagen mitfahren? Was würden die anderen denken?
Leo sah das erschrockene Gesicht des Bruders Andreas, aber er wollte diesem fröhlichen Bruder Siegmund eine Freude machen. Ihm gefiel dieser Mann und er mochte ihn sehr, obwohl er sicher war, dass er einem auch auf die Nerven gehen konnte. Aber egal, sie hatten beide der Polizei sehr geholfen und das mit dem Streifenwagen war nun wirklich kein Problem. Er nahm den Telefonhörer und wählte.
„Frau Gutbrod? Würden Sie bitte eine Fahrt mit einem Streifenwagen nach Altötting organisieren? Ich habe hier zwei Herren, die eine Mitfahrgelegenheit suchen. Beide Herren sind übrigens unverheiratet.“ Leo konnte sich diese Zusatzbemerkung nicht verkneifen. Frau Gutbrod war die Sekretärin von Rudolf Krohmer und nicht nur neugierig, sondern sie nervte mit ihrer unverheirateten Nichte Karin, die sie unbedingt an den Mann bringen wollte. Frau Gutbrod war schon seit vielen Jahren hier bei der Polizei Mühldorf und mit ihren 62 Jahren stand sie kurz vor der Rente – was sie aber nicht wahrhaben wollte. Sie kleidete sich nicht nur viel zu jugendlich und aufreizend, sondern ließ sich regelmäßig die Falten auf- und unterspritzen, um einige Jahre jünger auszusehen. Aufgrund der letzten Bemerkung bezüglich zweier unverheirateter Männer reagierte sie hocherfreut.
„Das ist doch kein Problem Herr Schwartz, ich werde mich sofort darum kümmern.“
Sie hatte aufgelegt und Leo sowie die anderen Kollegen, die sich ein schallendes Lachen nicht verkneifen konnten, warteten jeden Moment darauf, dass Frau Gutbrod in ihr Büro kommen würde, um die beiden unverheirateten Männer persönlich in Augenschein zu nehmen. Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis es klopfte und Frau Gutbrod freudestrahlend im Büro stand. Beim Anblick der beiden Kapuzinerbrüder verzog sie das Gesicht.
„Das sind die beiden?“, rief sie enttäuscht und drohte Leo mit dem Finger. „Da haben Sie mich aber ganz schön auf die Schippe genommen, das war nicht nett von Ihnen.“ Die Klosterbrüder waren aufgestanden und musterten Frau Gutbrod neugierig. Bislang hatten sie so eine bunte Frau noch niemals leibhaftig vor sich gesehen. Bei den wenigen Frauen, mit denen sie es zu tun hatten, handelte es sich um normale Frauen – diese hier war außergewöhnlich: bunt, schrill und sie funkelte und glitzerte überall. Die Frau war stark geschminkt, beinahe zugekleistert. Sie hatte hochtoupierte, blonde Haare, die mit lilafarbenen Strähnen durchzogen waren. Dazu trug sie ein sehr kurzes Minikleid aus lila Spitze, unter dem ihre Unterwäsche zu sehen war. Mit ihren sehr hohen Stöckelschuhen war sie fast einen halben Meter größer als die beiden Mönche – sie waren beinahe eingeschüchtert und wussten nicht, wo sie hinsehen sollten.
„Na dann kommen Sie mal mit. Los, nicht so schüchtern, ich beiße nicht,“ sagte sie lachend und zog die beiden einfach mit sich.
„Was sagt dein Programm? Ist es schon fündig geworden?“
„Nur Geduld.“ Werner hatte die wenigste Geduld von allen, denn am liebsten hätte er sofort das passende Ergebnis präsentiert, nur so konnte er die hämischen Bemerkungen verstummen lassen.
Sie tranken Kaffee und machten sich dann wieder an die Arbeit. Außer Werner glaubte niemand daran, dass dieses Computerprogramm die Identität der Frau ausspucken würde, und deshalb gaben sie das Foto der Unbekannten an die Presse weiter, vielleicht erkannte sie jemand.
Plötzlich stürmte Frau Gutbrod ohne zu klopfen ins Büro, die beiden Klosterbrüder hatte sie im Schlepptau.
„Wissen Sie, was ich eben erfahren habe? СКАЧАТЬ