Название: Holzperlenspiel
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738005257
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„Ich beneide Sie nicht um Ihre Arbeit, die tagtäglich schreckliche Dinge mit sich bringt, für mich wäre das nichts.“
„Mir geht es umgekehrt genauso, denn ich würde auch niemals ihren Job machen wollen. Um nichts in der Welt würde ich in einem Kloster leben wollen und mich dem Zölibat unterwerfen. Schon allein die Vorstellung ist für mich grausam. Und die Kirche und das Drumherum ist für mich ein rotes Tuch.“ Viktoria glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen – hatte Leo das eben tatsächlich gesagt? Sie war es gewöhnt, dass Leo immer und überall ehrlich seine Meinung sagte, aber das war nun doch etwas zu viel. Noch bevor sie irgendwie reagieren konnte, fuhr Leo fort.
„Was können Sie uns über Bruder Benedikt sagen? Was war er für ein Mensch?“
„Bruder Benedikt war erst seit einer Woche bei uns und pflegte meinem Wissen nach keine tieferen persönlichen Kontakte hier in Altötting. Aber bitte, Genaueres weiß ich natürlich nicht. Er war ein sehr angenehmer, ruhiger und sehr loyaler Mensch mit den besten Referenzen.“
Bruder Paul schien wegen Leos Offenheit keineswegs gekränkt. Er nahm einen Zettel aus der Schublade.
„Das ist die Adresse des Heimatklosters in Wiener Neustadt. Wenden Sie sich vertrauensvoll an Bruder Franz, er kann Ihnen sehr viel mehr über den Verstorbenen berichten, ich kannte ihn leider nur sehr flüchtig.“
„Diese Holzperle haben wir in der Hand des Toten gefunden.“
Bruder Paul nahm das Tütchen und sah sich den Inhalt sehr genau an.
„In seiner Hand? Das ist merkwürdig, vielleicht ist sein Rosenkranz kaputtgegangen, denn diese Holzperle sieht aus wie die eines Rosenkranzes.“
„Nein, wir haben seinen eigenen Rosenkranz in seinem Zimmer gefunden und in der Basilika waren keine weiteren Holzperlen zu finden.“
„Seltsam. Ich bin mir fast sicher, dass diese Holzperle zu einem Rosenkranz gehört. Auch wir hier im Kloster verwenden schlichte Rosenkränze aus Holz, ich persönlich halte nichts von dem neumodischen Schnickschnack, aus dem die Rosenkränze heute hergestellt werden. Aber das ist natürlich meine persönliche Meinung, das muss jeder für sich entscheiden. Das hier ist mein Rosenkranz, und wie Sie sehen, gleichen sich die Holzperlen beinahe.“
Bruder Paul hielt den Beamten beides hin und tatsächlich – die Perlen waren tatsächlich fast identisch.
„Und bevor Sie jetzt auf die wildesten Gedanken kommen: diese Holzperle weist nicht auf einen unserer Mitbrüder hin, denn diese Rosenkränze gibt es zu Abertausenden. Diese werden genau so schon seit vielen Jahren hergestellt, auch heute noch. Früher machte man das in Heimarbeit; auch wir in unserem Orden haben diese hergestellt und dann verkauft und verschenkt. Heute geht das natürlich alles maschinell. Wenn Sie über den Kapellplatz gehen, können Sie in jedem Devotionaliengeschäft solche Rosenkränze erwerben.“
Viktoria war enttäuscht, das wäre auch zu einfach gewesen. Sie machte Anstalten zu gehen, aber Leo war noch nicht fertig.
„Wie kann ich mir dieses Kloster vorstellen? Was machen Sie eigentlich so den ganzen Tag?“
„Ich vermute, Sie sind nicht katholisch?“ Leo nickte und schämte sich nicht für seine Frage, schließlich gab es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten.
„Den Kapuzinerorden gibt es schon viele Jahrhunderte. Durch die Abspaltung von den Franziskanern hat sich dieser Bettelorden seinerzeit gegründet. Auch in Altötting gibt es uns schon sehr lange. Leider leben heute nur noch 25 Glaubensbrüder hier im Kloster. Wir sind für die Organisation der Wallfahrer zuständig, für die Gottesdienste, die Beichte, für die allgemeine Seelsorge, und wofür man uns sonst noch brauchen kann. Und natürlich darf man unsere Schule nicht vergessen, die zu unserem Orden gehört und von uns geleitet wird.“ Bruder Paul sprach langsam und hielt sich mit genauen Fakten und Daten zurück, denn er hatte über die Jahre gelernt, dass sich nur die wenigsten für die genauen Hintergründe interessierten.
„Und was genau haben Sie jetzt mit dem Bruder-Konrad-Kloster neben der Basilika zu tun, an dem wir vorhin vorbeigelaufen sind? Soweit ich das gesehen habe, ist das ein riesiges Kloster und sieht dazu noch tiptop renoviert aus. Warum leben Sie hier und nicht dort?“
Die Frage war absolut berechtigt und Viktoria, die sich anfangs über die naive Frage ihres Kollegen und Lebensgefährten ärgerte, war nun auch sehr interessiert.
„Bis vor einigen Jahren lebten wir im besagten Bruder-Konrad-Kloster und wir sind hier hergezogen, da diese Räumlichkeiten damals leer standen und weitaus komfortabler waren. Das Bruder-Konrad-Kloster wurde zwischenzeitlich aufwändig renoviert und über die weitere Verwendung wurde noch nicht entschieden. Vorerst bleiben wir hier, denn ein erneuter Umzug wäre für uns sehr aufwändig und wir fühlen uns hier neben der Magdalenenkirche sehr wohl.“
„Das heißt, das riesige, neu renovierte Bruder-Konrad-Kloster ist leer?“
Bruder Paul nickte nur. Er konnte den beiden Kriminalbeamten zwar antworten, musste sich aber vor ihnen nicht rechtfertigten – das Kloster war Eigentum der Kapuziner und was damit geschieht, liegt einzig und allein bei den Kapuzinern. Der Guardian stand auf, trat an den riesigen, aufwändig geschnitzten Schrank und gab Leo einige Broschüren.
„Hier sind Informationen über uns Kapuziner, das Kloster und unsere Arbeit. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich mich gerne wieder meiner Arbeit widmen. Bruder Siegmund steht Ihnen zur Verfügung, er hat mich eindringlich darum gebeten, Ihnen helfen zu dürfen und wartet draußen auf Sie. Sehen Sie ihm bitte seine Neugier nach, sie ist sein einziges Laster. Er ist zwar von einfachem Gemüt, aber grundehrlich und sehr anständig. Sie können sich auf ihn verlassen. Ich hätte noch eine Bitte an Sie: bearbeiten Sie diesen Fall mit äußerster Diskretion.“
„Wir werden unser Möglichstes tun. Vielen Dank.“ Viktoria zog Leo mit sich, der gerade Luft holte und etwas darauf sagen wollte, mehr noch, Leo wollte sich mit Bruder Paul anlegen und sie fürchtete eine Grundsatzdiskussion, auf die sie keine Lust hatte.
Bevor sich Bruder Paul wieder an die Arbeit machte, musste er vorab einige wichtige Telefonate erledigen, die diesen bedauerlichen Mord betrafen. Er hatte einige Verbindungen, die er nun kontaktieren musste. Schließlich konnte und wollte er das Klosterleben durch die Ermittlungen nicht beeinträchtigen. Vor allem aber musste er schlechte Publicity von den Kapuzinern, vor allem aber von seinem Kloster, abwenden. Diese Polizistin war ja noch einsichtig, aber dieser Herr Schwartz war ein Rebell und hatte keine positive Einstellung zum Klosterleben – er musste unbedingt seine Kontakte nutzen und die Polizisten zumindest etwas einbremsen.
Vor der Tür wartete tatsächlich Bruder Siegmund mit einem breiten Lächeln. Er gab den Polizisten ein Zeichen, ihm zu folgen, und nur wenig später fanden sie mit seiner Hilfe aus dem Labyrinth des Kapuzinerklosters wieder nach draußen. An der Pforte öffnete Bruder Andreas die gesicherte, schwere Tür.
„Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen?“, fragte Leo Bruder Andreas, während Viktoria nach draußen drängelte und so schnell wie möglich von hier wegwollte. Die muffigen Gänge und diese düstere Atmosphäre des Klosters gefielen ihr überhaupt nicht.
„Ich möchte niemandem Schaden zufügen oder Ärger bereiten,“ sagte Bruder Andreas schüchtern – und hatte sofort Leos Aufmerksamkeit, während Viktoria weiterging und sich eine Zigarette anzündete. Seit ihrer schweren Verletzung, die sie bei einem Fall mit geschminkten Leichen davongetragen hatte, rauchte sie wieder. СКАЧАТЬ