Название: Holzperlenspiel
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738005257
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„So etwas wie Privatsphäre gibt es bei Ihnen nicht?“
„Selbstverständlich. Wir respektieren diese gegenseitig, dafür brauchen wir doch keine Schlüssel.“
Die beiden Polizisten betraten das spärlich eingerichtete Zimmer und Leo rümpfte sofort die Nase – das hier war alles andere als einladend. In dem Raum befand sich ein Bett, über dem ein schlichtes Holzkreuz hing. Am Fenster stand ein kleiner Tisch mit einem Stuhl, an der Wand gegenüber befand sich ein schmaler Kleiderschrank, dessen Türen nur angelehnt waren, da sie so verzogen waren, dass sie sich nicht mehr schließen ließen. Das kleine Fenster brachte nur spärliches Licht und zeigte in den Garten des Innenhofes. Im Mittelpunkt des Raumes stand ein Gebetsstuhl aus Holz, der schon sehr abgenutzt war – Leo sah sich diesen genauer an; hier zu knien und zu beten musste mit der Zeit höllisch wehtun, denn es war kein Polster und weit und breit kein Kissen zum Schutz der Knie zu sehen – na ja, jeder so, wie er will!
Die beiden zogen sich Handschuhe über und begannen mit ihrer Durchsuchung, die nach wenigen Minuten bereits beendet war – es gab hier schlichtweg nichts zu durchsuchen! Sie fanden von dem Toten nur wenige Kleidungsstücke, eine leere Reisetasche und eine schmale, alte Ledertasche, die über dem Stuhl hing. Leo zog ein altes, abgegriffenes Gotteslob und einen Rosenkranz hervor.
„Da haben wir ja den Rosenkranz von Bruder Benedikt. Wie viele Holzperlen hat so ein Rosenkranz?“
„59“ riefen Viktoria und Bruder Siegmund im Chor.
Leo zählte nach – es waren 59 Holzperlen, der Rosenkranz war vollständig. Auch bei genauerem Hinsehen war keine Stelle sichtbar, an der der Rosenkranz geöffnet worden sein könnte – die Verschlussstelle war unberührt. Trotzdem steckte Leo den Rosenkranz in eine Tüte, um sie später der KTU, der kriminaltechnischen Untersuchung, zu übergeben.
„Keine Papiere und kein Geldbeutel,“ stellte Leo fest. „Seltsam, er hatte nichts bei sich, aber irgendwo müssen diese persönlichen Dinge doch sein. Vielleicht handelt es sich um einen Raubmord.“
„Sie meinen, Bruder Benedikt wurde ausgeraubt? Das kann ich mir nicht vorstellen, denn wir haben selten irgendwelche Papiere oder eine Brieftasche bei uns, und wenn, dann ist nur wenig Bargeld drin – wie gesagt, wir sind ein Bettelorden. Unser Habit hat keine Taschen und wenn wir etwas vorhaben, nehmen wir eine Tasche mit: für das Gesangbuch, die Bibel, Taschentücher und ein paar Euro. Aber Bruder Benedikts Tasche ist hier, er hatte sie nicht bei sich.“ Bruder Siegmund stand in der offenen Tür und setzte keinen Fuß in das Zimmer, sondern beugte sich so weit wie möglich vor – er drohte, jeden Moment aus seinen Latschen zu kippen, während er auf die Ledertasche am Stuhl zeigte.
„Für mich persönlich sieht das nicht normal aus, denn auch als Geistlicher in einem Kloster besitzt man doch bestimmt irgendwelche persönlichen Dinge. Zumindest Bücher, vielleicht ein Adressbuch, Fotos, irgendwas, was einem lieb und teuer ist. Fuchs soll sich das genauer ansehen, wenn er in der Basilika fertig ist.“
Leo nahm sein Handy und wählte die Nummer von Fuchs, was von Bruder Siegmund mit einem strengen Blick beobachtet wurde.
„Handys sind bei uns nicht erlaubt,“ bemerkte er und schüttelte den Kopf. Leo war das herzlich egal und telefonierte unbeeindruckt weiter. Er hatte hier seine Arbeit zu machen und dachte nicht daran, sich irgendwie einschränken zu lassen. Das hier war schließlich nicht der Vatikan, wo eigene Gesetze galten.
„Wer hat hier das Sagen? Gibt es bei Ihnen so etwas wie einen Abt?“
„Bei uns ist das der Guardian, er ist der Hüter der Gemeinschaft und achtet darauf, dass alles rund läuft, schließlich gibt es auch bei uns Probleme. Dem Guardian zur Seite steht der Vikar, er ist sein Stellvertreter.“
Nach dieser Erklärung war Leo auch nicht wirklich schlauer, denn wie die hier alle betitelt wurden, war ihm ebenfalls egal.
„Kann ich mit dem Guardian oder dessen Stellvertreter sprechen?“, sagte Leo daher etwas genervt.
„Selbstverständlich, wenn Sie mir folgen würden,“ sagte Bruder Siegmund und ging auch schon davon. Zaghaft klopfte er an eine schlichte Tür auf dem gleichen Flur, nur gefühlte tausend Meter entfernt. Diese Gänge hier waren sehr verwinkelt und sahen aufgrund ihrer Schlichtheit endlos lang aus. Bruder Siegmund öffnete die Tür und bat die Beamten, einen Moment zu warten – nach einigen Minuten erschien er wieder.
„Bitte, Bruder Paul erwartet Sie.“ Bruder Siegmund trat nicht mit ein, sondern schloss die Tür von außen.
Ein großer, schlanker Mann Ende fünfzig trat auf die beiden zu.
„Ich heiße Sie trotz der schrecklichen Umstände bei uns willkommen, mein Name ist Bruder Paul, ich bin hier der Guardian, nehmen Sie bitte Platz. Wie ich eben erst erfahren habe, wurde Bruder Benedikt tot in der Basilika aufgefunden?“ Bruder Paul sprach sehr ruhig, aber man konnte ihm ansehen, dass er von dem Tod des Mitbruders sehr bestürzt war.
„Nach den ersten Erkenntnissen können wir davon ausgehen, dass es sich um Mord handelt, Einzelheiten erfahren wir nach der Obduktion.“ Viktoria machte eine kurze Pause, denn sie erwartete Einwände gegen die Vorgehensweise, aber Bruder Paul sagte nichts dazu. „Wir haben das Zimmer des Toten bereits in Augenschein genommen, die Spurensicherung wird es sich später genauer vornehmen.“
„Ich kann Ihnen versichern, dass Sie keine Spuren finden werden, denn Fremde haben zu unserem Kloster keinen Zugang, ohne unser Wissen kommt hier niemand rein. Wir vermeiden es auch so gut wie möglich, Fremde einzulassen, das geschieht nur im äußersten Notfall – so wie heute.“ Er blätterte in einem dicken, schwarzen Terminkalender. „Seit 8 Wochen war kein Fremder mehr in unserem Kloster.“
„Sie schreiben die Besuche tatsächlich auf?“
„Natürlich. Das sind die Eintragungen der Pforte, die ich wöchentlich aktualisiere. Auch wir müssen über alles Buch führen, was hier innerhalb der Klostermauern passiert.“
„Also keine Fremden in den letzten 8 Wochen? Auch keine Bekannten? Freunde? Familie?“
„Nein, niemand. Diese Spur können Sie also streichen. Und dass irgendein Mitbruder mit diesem schrecklichen Verbrechen zu tun hat, schließe ich kategorisch aus. Sie sehen also, dass dieses schreckliche Verbrechen nichts mit unserem Kloster zu tun haben kann. Aber Sie müssen Ihre Arbeit machen, das verstehe ich. Ich werde der Pforte die Nachricht weitergeben, dass Ihren Kollegen Zugang gewährt wird.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Wir vermissen persönliche Dinge des Toten. Papiere, Geldbeutel oder ähnliches.“
„Das konnten Sie auch nicht finden, denn das befindet sich bei mir im Schrank. Bruder Benedikt hat mich nach seiner Ankunft gebeten, seine persönlichen Dinge aufzubewahren, da er befürchtete, beides zu verbummeln. Ja, Bruder Benedikt war in der Tat sehr schusselig.“ Bruder Paul stand auf, öffnete einen Schrank und übergab den Beamten eine verschlissene Brieftasche, in der sich sein Personalausweis, eine Krankenversichertenkarte und ein Bahnticket befanden. Außerdem bekamen sie einen kleinen Lederbeutel überreicht, in dem vierzig Euro in Scheinen und etwas Kleingeld waren. Bruder Paul sah zu, wie Leo die wenigen Habseligkeiten auf den Tisch legte und bemerkte dessen Verwunderung.
„Wir Kapuziner haben uns der Armut verschrieben und leben und arbeiten nur zum Wohle unserer Mitmenschen. Das, was Bruder Benedikt besaß, reichte aus, um wieder nach Hause zu kommen, hier bei uns lebte er natürlich unentgeltlich.“
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