Holzperlenspiel. Irene Dorfner
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Название: Holzperlenspiel

Автор: Irene Dorfner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Leo Schwartz

isbn: 9783738005257

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СКАЧАТЬ Die Umgebung ist doch sehr düster und auch bestimmt gefährlich. Aber Bruder Benedikt hat sich nicht gefürchtet und hat noch bis ins hohe Alter diese Besuche übernommen. Er war ein sehr, sehr guter Seelsorger und dafür bewundere ich ihn heute noch. Es tut mir weh, wie ich sehe, welche Schmerzen er erdulden muss, und dabei jammert er nie. Ich tue alles dafür, ihm das Leben so angenehm wie möglich zu machen und erfülle ihm jeden Wunsch.“

      Bruder Siegmund schwärmte in den höchsten Tönen von seinem Mitbruder und man spürte, dass er ihn sehr mochte. Die Beamten hatten genug gehört und verabschiedeten sich.

      „Kaffee?“, fragte Leo, der seiner Viktoria ansah, dass sie etwas beschäftigte.

      „Gerne.“

      Sie setzten sich trotz der kühlen Luft vor das Café am Kapellplatz und bestellten Cappuccino.

      „Was ist los?“

      „Ich weiß es nicht, aber dieser Bruder Benedikt hat für meine Begriffe auf die Sandlerin zu heftig reagiert. Wir sollten uns die frühere Arbeit dieses Klosterbruders genauer vornehmen.“

      „Du siehst doch Gespenster. Du kennst meine kritische Einstellung zur Kirche, besonders ein Kloster ist mir sehr suspekt. Aber dieser alte Mann ist ein gütiger, gläubiger Mensch, der sein ganzes Leben nur für das Gemeinwohl zur Verfügung gestellt hat. Lass uns abwarten, bis wir diese Frau Silberstein gefunden haben und was sie uns zu sagen hat, dann sehen wir weiter.“

      Sie tranken schweigend ihre Kaffees. Leo ließ seinen Blick über den inzwischen fast leeren Kapellplatz schweifen, der nun beinahe im Dunkeln lag. Aber die Gnadenkapelle, die sie direkt im Blick hatten, konnte man immer noch gut erkennen. Leo verstand nicht, wie man eine kleine Kirche und deren Reliquien dermaßen verehren konnte, dass man dafür Strapazen und Mühen auf sich nahm. Er erinnerte sich an den vorletzten Fall, bei dem sie eine Leiche direkt dort drüben auf der Bank sitzend gefunden hatten, und dachte darüber nach, während Viktoria gedanklich nochmals das Gespräch und die Reaktion von diesem Bruder Benedikt durchging.

      „An was denkst du? Findest du dieses Klosterleben nicht auch suspekt?“

      „Das ist mir ehrlich gesagt vollkommen egal,“ antwortete Viktoria, während sie sich eine weitere Zigarette anzündete. „Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden.“ Bis jetzt hatte sie sich nicht besonders viele Gedanken darüber gemacht, nahm die verschiedenen Klöster und Kirchen einfach so hin. Für sie gab es im Glauben sowieso keine Unterschiede. Es kam alles immer aufs Gleiche raus: die Verehrung eines Übervaters, an den man sich in der Not wenden und ihm auch danken konnte. Aber warum gleich ins Kloster gehen? Nie ein eigenständiges Leben führen, Familie haben, frei entscheiden können? Wie tief musste ein Glauben sein, um sein ganzes Leben nur der Kirche zu widmen? Für Viktoria, die kein gläubiger Mensch war, war das alles nicht nachvollziehbar. Wie konnte man bei all dem Elend und schreiender Ungerechtigkeit an irgendeine Religion glauben, sogar daran festhalten? Viktoria schüttelte den Kopf, sie war für so einen festen Glauben nicht geschaffen. Dafür hatte sie schon viel zu viel Schreckliches gesehen und erlebt. Täglich passierten immer wieder unglaubliche, unfassbare Dinge, die ein mächtiger Übervater niemals zulassen dürfte. Für sie stand fest – es gab keinen Gott oder etwas Ähnliches. Das war eine reine Erfindung der Menschen, die dadurch Vieles einfacher ertragen konnten, oder aber sich die Lehren des jeweiligen Glaubens so zurecht legten, um damit Ungerechtigkeit, Kriege, Macht, Verfolgung, usw. zu rechtfertigen.

      Diese Meinung und innere Einstellung würde sie auch vor Anderen vertreten – allerdings nur, wenn sie danach gefragt würde. Denn hier in dieser tief katholischen Ecke Bayerns war man noch nicht so weit, um seine Meinung über den Glauben offen auszudrücken, vor allem nicht als Beamtin. Aber sie spürte, dass die Menschen auch hier immer offener und zugänglicher wurden. Irgendwann dürfte man vielleicht auch diesbezüglich offen seine Meinung äußern. Die Menschen waren hier in Oberbayern und auch sonst überall auf der Welt noch nicht so weit, um vorbehaltlos andere Meinungen und Einstellungen zu akzeptieren, was nicht zuletzt die öffentlichen Diskussionen bezüglich Frauenquote, Männer im Erziehungsurlaub, das Einfrieren von Eizellen für späteren Kinderwunsch, Zuwanderung, usw. (die Liste kann man unendlich fortführen) beweisen. Es sind in den Köpfen der Menschen immer noch Mauern, veraltete Strukturen und Vorstellungen vorhanden, die noch längst nicht eingerissen sind. Aber Viktoria war zuversichtlich, dass sich das irgendwann ändern würde. Vielleicht hatte sie das Glück und würde das noch erleben dürfen.

      Während sie in Gedanken versunken war, nahm Leo einfach ihre Hand und hielt sie fest. Spürte er, was sie dachte? Sie war sich dessen sicher. Es tat so unendlich gut, dass sie einen Menschen an ihrer Seite hatte, der sie auch ohne Worte verstand und auf den sie immer zählen konnte. Sie könnte hier noch ewig sitzen bleiben, sie spürte weder die zunehmende Kälte, noch störte sie die Dunkelheit, die immer mehr um sich griff.

      „Es ist zwar sehr schön hier, aber wir gehen jetzt besser, bevor du dich noch erkältest,“ sagte Leo, bezahlte und sie fuhren nach Hause, wo sie es sich auf der Couch gemütlich machten. Unterwegs hatten sie Pizza geholt, die sie sich nun schmecken ließen.

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