Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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Nach Zustimmung durch den Investor beginnt die eigentliche Marktsondierung, die ein hohes Maß an Dokumentation erfordert. Der Offenlegende hat für jede Marktsondierung eine eigene „Sounding-Liste“ zu verwalten. Diese muss die Namen aller natürlichen und juristischen Personen enthalten, gegenüber denen im Verlauf der Marktsondierung Informationen offengelegt wurden, Datum und Uhrzeit einer jeden Offenlegung, die im Verlauf der Marktsondierung stattgefunden hat, sowie die für die Zwecke der Marktsondierung verwendeten Kontaktangaben der Personen, die die Marktsondierung erhalten haben. Zudem muss jede einzelne Informationsübermittlung dokumentiert werden. Aus praktischer Sicht ist empfehlenswert, Telefonkonferenzen oder Meetings aufzuzeichnen, um die lückenlose Dokumentation zu gewährleisten. Sofern nicht aufgezeichnet wird, sollten schriftliche/elektronische Protokolle angefertigt werden, die sowohl vom Offenlegenden als auch vom Investor unterzeichnet werden sollten. Ist eine Einigung über den Inhalt eines Protokolls nicht innerhalb von fünf Arbeitstagen möglich, ist der Offenlegende verpflichtet, sowohl eine von ihm unterzeichnete Fassung der schriftlichen/elektronischen Protokolle als auch eine von dem Investor unterzeichnete Fassung zu den Aufzeichnungen zu nehmen. Erhält er vom Investor keine solche Fassung, so nimmt er lediglich die von ihm unterzeichnete Fassung in seine Dokumentation auf. Bei einer schriftlichen Kontaktaufnahme bzw. einer Kontaktaufnahme per E-Mail sind Kopien des Schrift- oder E-Mailverkehrs aufzubewahren.
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Sämtliche Unterlagen sind gem. Art. 11 Abs. 8 MAR fünf Jahre lang in elektronischer Form auf einem dauerhaften Datenträger zu speichern und bei Bedarf der BaFin zu übermitteln. Auch vom Investor wird eine umfangreiche Dokumentation aller Verfahrensschritte und Kommunikationen für fünf Jahre verlangt. Es ist erforderlich, eine Liste der Personen in chronologischer Reihenfolge zu erstellen, die mit den bei der Sondierung vermittelten Informationen in Kontakt gekommen sind. Dies gewährleistet ein möglichst sicheres Marktumfeld, da etwaiger Missbrauch zurückverfolgt und sanktioniert werden kann.
(4) Nach der Offenlegung
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Nach Wegfall der Insiderqualität der Information sind sämtliche Investoren gem. Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 MAR zu informieren. Unabhängig davon muss aber auch der Empfänger der Informationen gem. Art. 11 Abs. 7 MAR nach der Offenlegung stets autonom prüfen, ob noch eine Insiderinformation vorliegt.
(5) Rechtsfolge/Safe Harbour
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Werden sämtliche gesetzliche Vorgaben an die Marktsondierung erfüllt, führt dies zu einer Ausnahme vom Informationsweitergabeverbot gem. Art. 14 lit. c MAR. Gem. Art. 11 Abs. 4 MAR ist die Offenlegung von Insiderinformationen an den Investor im Rahmen der Sondierung zulässig, sodass eine Transaktion frühzeitig und sinnvoll auch unter Weitergabe sensibler Insiderinformationen möglich ist. Es entsteht ein „Safe Harbour“ für die handelnden Personen. Die Weitergabe nach Art. 11 Abs. 4 MAR befreit aber nicht vom Insiderhandelsverbot. Wird der Investor infolge der Sondierung zum Insider, unterliegt er fortan dem Handelsverbot gem. Art. 14 lit. a MAR. Zudem unterliegt der Investor ab Informationserhalt dem Weitergabeverbot gem. Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 lit. c MAR.
dd) Kommunikation bei prospektfreien öffentlichen Angeboten vor Prospektbilligung
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Quasi der Königsweg ist es, ein prospektfreies öffentliches Angebot durchzuführen.[29] In diesem Fall greifen weder die Regelungen aus dem Prospektrecht, die zu einer Beschränkung der Werbung führen, wie z.B. das Gebot mit dem Prospekt konsistent zu sein, noch die Einschränkung der Privatplatzierung, nicht öffentlich für das Angebot werben zu dürfen. Ein vollständig rechtsfreier Raum ist jedoch auch hier nicht gegeben. Vielmehr gelten die Grundsätze der allgemeinen Prospekthaftung für Werbematerialien[30] hier gleichermaßen. Anerkannt ist allerdings, dass eine allgemeine Prospekthaftung für Bezugsangebote nicht in Betracht kommt.[31] Die immer wieder zu beobachtende Tendenz, Bezugsangebote mit umfassenden Risikohinweisen auszustatten, wirkt daher manchmal etwas befremdlich und kann auch das Gegenteil dessen was beabsichtigt ist bewirken – fängt man nämlich einmal an auf spezifische Risiken hinzuweisen, kann dann doch der Eindruck entstehen, es handele sich um eine umfassende Darstellung, was zu einer Haftung führen kann.
aa) Zukunftsgerichtete Informationen bei prospektpflichtigen Angeboten
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Besonders sensibel ist stets die Kommunikation über zukunftsgerichtete Angaben bezogen auf den Emittenten.
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So ist zum einen zu bedenken, dass alle in die Zukunft gerichteten Aussagen dem Emittenten entgegengehalten werden können, wenn er später hiervon abweichende Aussagen tätigt. Finden sich z.B. im Lagebericht Prognosen über die erwartete Umsatz- und Ergebnisentwicklung für das nächste Jahr und kommuniziert der Emittent im Rahmen des Pre-Marketing andere Werte, so wird sich der potenzielle Investor fragen, woran dies liegt. Daneben entsteht auch möglicherweise die Pflicht, dies sofort als Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Solche Abweichungen können sich – sofern hierfür keine überzeugende Begründung vorliegt – im Rahmen der Vermarktung negativ auswirken, weil der Emittent dann als unzuverlässig eingestuft wird.
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Darüber hinaus spielt der Umgang mit Prognosen und Schätzungen eine erhebliche Rolle im Zusammenhang mit dem Wertpapierprospekt. Die Aufnahme solcher Werte ist potenziell haftungsrelevant, denn es handelt sich nicht um Fakten, deren Existenz der Emittent im Streitfall nachweisen kann, sondern um zukunftsbezogene Wertungen und Erwartungen. Treten diese nicht ein, so wird ein Emittent sich im Haftungsstreit gegen den Vorwurf verteidigen müssen, seine Prognose hätte er so nicht abgeben dürfen, denn aus der ex post Sicht war sie ja unzutreffend. Daher muss der Emittent sich zur Vermeidung von Prospekthaftungsrisiken so organisieren, dass die Prognose sorgfältig aufgestellt, die evtl. zugrundeliegenden Annahmen transparent dargestellt und dieser Prüfprozess gut dokumentiert wird.
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Der Gesetzgeber ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Werden Gewinnprognosen oder Gewinnschätzungen in einen Wertpapierprospekt im Rahmen einer Aktienemission aufgenommen, müssen nicht nur die diesen zugrundliegenden Annahmen offen gelegt werden, sondern darüber hinaus müssen sie auch mit einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers versehen werden, in der dieser bestätigt, dass die Prognose oder Schätzung nach seiner Meinung auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde (vgl. Anhang I Ziff. 13.2 der EU-Prospektverordnung (EG) 809/2004 vom 29.4.2004). Dabei ist der Umfang der Angaben, die hiervon erfasst werden, insbesondere nach der Auffassung der BaFin, weit. Die Prospektverordnung definiert als Gewinnprognose einen Text, in dem ausdrücklich oder implizit eine Zahl oder eine Mindest- bzw. Höchstzahl für die wahrscheinliche Höhe der Gewinne oder Verluste im laufenden Geschäftsjahr und/oder in den folgenden Geschäftsjahren genannt wird, der Daten enthält, aufgrund deren die Berechnung einer solchen Zahl für künftige Gewinne oder Verluste möglich ist, selbst wenn keine bestimmte Zahl genannt wird und das Wort „Gewinn“ nicht erscheint (Art. 2 Nr. 10 der EU-Prospektverordnung). Hierunter fallen also etwa auch Angaben zum EBIT oder vorläufige Zahlen für ein Geschäftsjahr. Gewinnschätzung bezeichnet eine Gewinnprognose für ein abgelaufenes Geschäftsjahr, für das die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht wurden (Art. 2 Nr. 11 der EU-Prospektverordnung). Aus dieser Definition ergibt sich ein wichtiger Punkt: Gewinnprognosen СКАЧАТЬ