Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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1. Öffentliche versus nicht öffentliche Platzierung
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Für die zu beachtenden Compliance-Vorschriften ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Platzierung im Rahmen des Börsengangs und/oder der Kapitalerhöhung in öffentlicher oder nicht öffentlicher Form erfolgt. Kapitalerhöhung meint dabei im Rahmen dieser Darstellung stets die Kapitalerhöhung eines bereits börsennotierten Unternehmens, wobei sich in der Regel bei der Kapitalerhöhung eines noch nicht börsennotierten Unternehmens keine Unterschiede in Bezug auf die in diesem Abschnitt 1. dargestellten Umstände ergeben, da ein Börsengang aber in der Regel aus einer Kapitalerhöhung eines bislang nicht notierten Unternehmens mit der Herstellung der Handelbarkeit der Aktien kombiniert besteht, soll dies so abgegrenzt werden. Börsengänge werden im englischen typischerweise als Initial Public Offering (IPO) bezeichnet, auf Deutsch erstmaliges öffentliches Angebot. Darin ist impliziert, dass man sich unter einem Börsengang in der Regel eine öffentliche Platzierung von Aktien vorstellt. Allerdings gibt es in der Praxis auch Formen des Börsengangs ohne eine solche öffentliche Platzierung von Aktien. Hierbei wird eine nicht öffentliche Platzierung von Aktien eines noch nicht notierten Unternehmens vorgezogen (Privatplatzierung) und anschließend wird dieses Unternehmen mit seinen Aktien in den Börsenhandel einbezogen. Diese Vorgehensweise wurde in der Vergangenheit schon bei Börsengängen kleinerer Unternehmen praktiziert. Beim Börsengang von Evonik wurde dies erstmalig im Rahmen der Erstemission eines großen Unternehmens eingesetzt und danach auch in anderen Fällen. Daher ist auch bei einem Börsengang die Unterscheidung zwischen öffentlicher und nicht öffentlicher Platzierung sinnvoll. Bei Kapitalerhöhungen kennt man diese Unterscheidung schon immer. Dabei ist noch zwischen Kapitalerhöhungen mit und ohne Bezugsrecht zu unterscheiden. Denn jede Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht stellt nunmehr eine öffentliche Platzierung dar. Im Zuge der Revision der Prospektrichtlinie, die zum 1.7.2012 in deutsches Recht umgesetzt wurde, wurde europaweit vereinheitlicht, dass jedes Bezugsangebot ein öffentliches Angebot im Sinne des Prospektrechts darstellt und damit eine öffentliche Platzierung im hier unterschiedenen Sinne.[1] Damit ist auch schon gesagt, wofür die Unterscheidung im Wesentlichen relevant ist, nämlich für die Prospektpflicht und für aus der Prospektpflicht folgende weitere Vorschriften.
a) Öffentliches Angebot
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Gem. § 3 Abs. 1 WpPG (Art. 3 Abs. 1 ProspektVO)[2] ist ein Prospekt grundsätzlich dann zu veröffentlichen wenn Wertpapiere „öffentlich angeboten“ werden. Eine wichtige Aufgabe ist also für einen Emittenten im Zusammenhang mit Börsengängen und Kapitalerhöhungen festzustellen, ob ein öffentliches Angebot vorliegt, damit ein Prospekt erstellt wird, wenn dies erforderlich ist.
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Wann ein solches öffentliches Angebot vorliegt, ist in § 2 Nr. 4 WpPG (Art. 2 lit. d) ProspektVO) näher definiert. Demnach handelt es sich (bereits dann) um ein öffentliches Angebot, wenn ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere an das Publikum dergestalt mitgeteilt werden, dass ein Anleger in die Lage versetzt wird, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Die Anzahl der angesprochenen Anleger ist dabei nicht entscheidend. Auch wenn sehr viele Personen im Rahmen einer Privatplatzierung angesprochen werden, entsteht dadurch noch kein öffentliches Angebot. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich das Angebot an einen unbestimmten bzw. unbegrenzten Personenkreis richtet.[3] Ob ein Angebot von Wertpapieren öffentlich ist, bestimmt sich also maßgeblich nach der Kommunikation mit den Anlegern.
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Entscheidend für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots ist, ob die wesentlichen Vertragsbestandteile, also der Kaufgegenstand, der Preis oder Preisrahmen, der Lieferzeitpunkt und die Valuta der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.[4] Es besteht daher das Risiko, dass Emittenten in die sog. „Werbefalle“ tappen. Denn Ankündigungen, Werbungen und Unternehmenspräsentationen können schon ein öffentliches Angebot im Sinne des WpPG darstellen und damit die Prospektpflicht auslösen, wenn die vorgenannten Informationen ganz oder teilweise enthalten sind. Spätestens liegt ein Angebot vor, wenn der Emittent einem unbestimmten/unbegrenzten Personenkreis eine Zeichnungsmöglichkeit eröffnet und insbesondere der Ausgabepreis und bei einer Anleihe die Verzinsung angegeben wurde.
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Soweit der Emittent sich für ein Vorgehen im Wege eines öffentlichen Angebots entscheidet, bringt dies gem. § 3 Abs. 1 WpPG (Art. 3 Abs. 1 ProspektVO) grundsätzlich immer die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts mit sich.
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In einigen Fällen sieht das Gesetz jedoch Ausnahmen von der Prospektpflicht für öffentliche Angebote vor. So kann ein Prospekt vor allem in den Fällen des § 3 Abs. 2 S. 1 WpPG (Art. 1 Abs. 4 ProspektVO) entbehrlich sein. Wer sich entscheidet, auf Privatanleger zu verzichten und nur institutionelle Investoren anzusprechen, benötigt keinen Wertpapierprospekt (es sei denn, die Wertpapiere sollen zum Handel im regulierten Markt zugelassen werden). Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WpPG (Art. 1 Abs. 4 lit. a) ProspektVO), nach dem ein Prospekt entbehrlich ist, wenn die Wertpapiere ausschließlich „qualifizierten Anlegern“ angeboten werden. Wer zu den „qualifizierten Anlegern“ zählt, ist in § 2 Nr. 6 WpPG (Art. 2 lit. e) ProspektVO) geregelt, der nach nunmehr geltender Gesetzeslage auf § 67 WpHG (§ 31a WpHG a.F.) und damit auf die Einteilung zwischen „professionellen“ und „privaten“ Kunden verweist. Damit werden die üblichen institutionellen Anleger als „qualifizierte Anleger“ erfasst. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen sowie sogar (doch wiederum) Privatanleger können sich gem. § 67 Abs. 6 WpHG (§ 31a Abs. 7 WpHG a.F.) auf Antrag als „professionelle Kunden“ bei einer konkreten Bank einstufen lassen.
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Die Regelung hat den Hintergrund, dass qualifizierte Anleger als weniger schutzbedürftig angesehen werden. Aus der Überlegung heraus, dass Privatanleger keine allzu hohen Geldsummen in einzelne Papiere investieren werden, wurden weitere Ausnahmetatbestände entwickelt. So ist ein Wertpapierprospekt entbehrlich, wenn die angebotenen Wertpapiere eine Mindeststückelung von 100 000 EUR aufweisen (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 WpPG) oder wenn das Angebot vorsieht, dass die Wertpapiere ab einem Mindestabnahmebetrag von 100 000 EUR erworben werden können (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpPG). Die genannten Schwellen bleiben auch nach Einführung der Prospektverordnung, die weitgehend am 21.7.2019 stattfindet, gem. Art. 1 Abs. 4 lit. d) ProspektVO für den Mindestabnahmebetrag bzw. gem. Art. 1 Abs. 4 lit. c) ProspektVO für die Mindeststückelung weiter bestehen, sodass sich hinsichtlich dieser bekannten Ausnahmen nichts ändern wird.
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Eine weitere Ausnahme entbindet trotz Bestehens eines öffentlichen Angebots von der Prospektpflicht für den Fall, dass sich das Angebot in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger richtet (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WpPG; künftig Art. 1 Abs. 4 lit. b) ProspektVO). Die in verschiedenen Ländern angesprochenen Privatanleger werden nicht addiert. Selbst dann also, wenn sich das Angebot an 149 Deutsche, 149 Franzosen, 149 Spanier usw. richtet, besteht keine Prospektpflicht.
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