Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ und war hinter der Gardine verschwunden. An der Hand hatte Blut geklebt! Glaubte er zumindest. Genau hatte er es nicht erkennen können. Sofort stellte er das vermeintlich Gesehene in Frage, bis es ihm lächerlich schien. Sein Herz pochte. Er spähte zu dem Fenster und versuchte, Blutspuren zu erkennen, aber die untergehende Sonne reflektierte das Licht zu stark und tauchte die Scheibe in gleißendes Orange. Er ging in die Hocke, um besser sehen zu können. Die Scheibe war beschlagen, vielleicht sogar beschmiert. Am einfachsten wäre es, wenn er dorthin gehen würde, aber er traute sich nicht. Er neigte den Kopf zur Seite und fühlte sich in seiner Wahrnehmung bestätigt. Schmierig. Aber ob es Blut war, konnte er nicht sicher sagen. Vielleicht hatte auch das Licht seiner Wahrnehmung einen Streich gespielt. Aber es war eine Hand gewesen.

      Er beugte sich noch tiefer, sodass er fast schon auf der Straße lag. Etwas trat ihn in die Sohle. Erschrocken schoss er in die Höhe und holte zum Schlag aus.

      »So sieht Sport aber nich’ aus, Kumpel, doh. Was machste denn da?«. Vor ihm stand Clemens Vater. Zum ersten Mal humorlos. Und hinter ihm stand Clemens und beobachtete ihn neugierig an den Beinen seines Vaters vorbei. Liam wurde durch das schnelle Hochkommen schwindelig. Er rieb sich mit der linken Hand die Schläfe und taumelte leicht. »Ich gehe hier häufiger Spazieren und dann habe ich eine Hand gesehen. Dort und …«, er riss sich zusammen, das Schwindelgefühl ließ nach. Er suchte Blickkontakt zu Hübi. »Ja, und dann war ich mir nicht mehr sicher. Ich wusste gar nicht, dass da jemand wohnt«, deutete er auf das Haus.

      »Mmh, ja. War lange der Hof vom König. Bis dann so ’n Snob aus der Stadt das Ganze hier gekauft hat.« Hübi sprach lauter als sonst.

      »Der Herr Gerichtsmediziner hat sich hier niedergelassen. Und weil der Herr Gerichtsmediziner Schiss hat, hier alleine, hat er sich zwei Schäferhunde geholt.« Hübi hatte den Kopf zum Königshof gewendet. Dem Hausbesitzer galt das Gesagte. Liam nickte.

      »Du stehst nicht so auf Zugezogene, was?«, wollte Liam wissen. Hübi packte ihn an der Jacke und zog ihn zu sich ran.

      »Das stimmt überhaupt nich, aber weissu was? Solche Gesellen wie den da, ne, immer in der Klinik, dann wieder hier und so ’n Gejammer hören, komische Freunde und sowas, ne. Das is’ verdächtig, weissu. Das is ’n Stubenhocker!« Hübi spuckte aus und schob Liam sanft wieder von sich.

      »Aber du«, er klopfte ihm auf die Schulter und reckte anerkennend den Kopf nach oben »bist ja gar keiner, sondern bist ja auch hier draußen unterwegs, ne.« Er näherte sich Liam drohend.

      »Oder wolltest du etwa deinen Freund, die Ärzteschwuchtel besuchen?« Hübi schaute Liam an und Liam streckte sich.

      »Sag mal, spinnst du! Du kannst mich doch nicht einfach so …« Liam fehlten die Worte, er drehte sich weg und ging.

      »Na also, bist also kein Stubenhocker wie unser Herr Gerichtsmediziner hier!«, rief ihm Hübi hinterher. »Kein so ’n Schwanzlutscher!«

      Liam konnte sich nun das schüchterne Wesen von Clemens erklären, den verträumten Blick, das Weggucken, wenn er gefragt wurde. Wahrscheinlich waren das alles Tischregeln bei Clemens und Hübi im Haus, die Mutter hatte er noch nicht kennen lernen dürfen.

      Am Auto warf er seine Skijacke in den Kofferraum, setzte sich mit einem Seufzer auf den Fahrersitz und atmete durch. Hübis Erscheinen hatte ihn vom Wesentlichen abgelenkt, der blutigen Hand am Fenster. Zweifel regten sich in ihm. Wenn er sich bei der Polizei meldete und denen den Sachverhalt erklären wollte und sich nichts bewahrheitete, erwarb er sich den Ruf eines kranken Spinners im Dorf. Irgendwer kannte bestimmt Wachmeister Meier aus der Großgemeinde in Henstedt-Ulzburg. Und haben Sie schon gehört? Der da beim Bürgermeister wohnt, sieht überall blutige Hände an den Fenstern und nackte Männer mit einem roten Gummiball durch das Moor laufen. Kein Wunder, dass sein Sohn nur schwarze Bilder malt, wie ich gehört habe.

      Ja, das wäre ein guter Start.

      Er ließ den Motor an und sah Hübi und Clemens mit dem Fahrrad angeradelt kommen. An Hübis Seite lief ein großer, zotteliger, brauner Hund, der zu Hübi passte. Hübi beachtete Liam nicht und auch Liam ignorierte Hübi mit aller ihm zueigen stehenden Arroganz.

      Zuhause stand er mit einer Tasse heißem Pflaumen-Vanille-Tee in der Hand an der Terrassentür und beobachtete die untergehende Sonne hinter dem kleinen Wald in seinem Garten. Es mehrten sich die Zweifel am Gesehenen und er glaubte, sich etwas eingebildet zu haben, aber ein Rest Unsicherheit blieb. Eine Hand, die sich abstützte und dabei die Gardine kurz zur Seite riss. Ein Ruck, sie schmierte blutend an der Scheibe entlang und verschwand wieder hinter dem Fenster. In der Dunkelheit sah Liam häufiger in aufgehängten Mänteln und Jacken lauernde Gestalten in seiner Wohnung, jedoch folgte die Einsicht immer unmittelbar und ließ ihn erleichtert zurück. Er nippte an der Tasse und der Tee schmeckte ihm nicht mild genug. In der Küche goss er etwas Milch nach und rührte Honig hinein. Das Umrühren durchschnitt die Stille, denn es machte ihn auf sie aufmerksam. Nachdenklich nahm er wieder seinen Platz mit Sicht auf den Garten ein und die Sonne war in der kurzen Zeit so tief gesunken, dass das Wäldchen zu einem dunklen Ort mit lichten Flecken geworden war und er erinnerte sich an ein psychedelisches Stück von Pink Floyd auf der Ummagumma.

      Jack glaubte, dass Kobolde in dem Wald wohnen würden und für Jack musste der Wald riesengroß erscheinen, mit einer Unzahl an kleinen Verstecken und der großen Gefahr, sich darin zu verlaufen. Letztlich waren es nur zweiundzwanzig Fichten, die dort standen, aber auch Liam konnte sich gut Kobolde in dem Wald vorstellen.

      Geschmeidig schälte sich eine Katze aus dem Schatten des Waldes und pirschte über den Rasen. Offenbar hatte Nachbars Kater einen geregelten Tagesablauf, denn wieder trug er seine Beute im Maul zur Veranda, legte sie dort ab, setzte sich und blickte gelangweilt umher. Liam konnte nicht erkennen, was für ein Tier das erbeutete Knäuel war, er schätzte, ein Vogel. Der Kater nahm sein Abendessen ins Maul, und nach einigen Schritten sprang er auf den Fenstersims vor Liams Wohnzimmerfenster. In aller Ruhe fraß er unter Liams Blicken.

      ›Was, wenn es ein Tier war?‹, fragte sich Liam. ›Und keine blutige Hand.‹ Vielleicht hatte der Herr Gerichtsmediziner ebenfalls eine Katze oder einen Kater. Und vielleicht schleppten die ihre Beute ins Haus und verputzten sie dort auf dem Fenstersims. Liam merkte, wie sich die galoppierende Unruhe in seinem Kopf beruhigte und zum ersten Mal empfand er etwas, wie eine stille Verbundenheit zu dem Kater auf seinem Fenstersims.

      Er wachte im Schlafzimmer auf und hatte ein unbehagliches Gefühl. Es musste immer noch Nacht sein, verriet ihm die Dunkelheit und durch die geöffneten Fenster hörte er, dass es stürmisch geworden war. Die Bäume im Wald rauschten. Er war beunruhigt und richtete seine Aufmerksamkeit nach innen, ob er etwas Unangenehmes geträumt hatte. Er konnte sich an nichts erinnern.

      Draußen quietschte ein Scharnier und etwas Schweres polterte. Sein Herz raste, er konnte das Geräusch nicht einordnen und ehe er sich beruhigen konnte, wiederholte es sich. Aus Angst aber auch aus Bequemlichkeit fiel er in eine Schockstarre und sein erster Impuls war, einfach liegen zu bleiben. Doch er raffte sich auf, um ins Wohnzimmer zu laufen.

      Seine Vormieter waren Gartenfanatiker gewesen und dementsprechend hatten sie eine komplette Beleuchtungsanlage um die Veranda und den Schuppen installiert. Mit einem Knopfdruck war alles hell, zumindest bis zur halben Rasenfläche. Er konnte nicht erkennen, was das Geräusch verursachte. Schemenhaft sah er, wie sich die Fichten und Baumkronen der Laubbäume im Sturm bogen.

      Erneut polterte es und es schien direkt von der Außenwand zur Einfahrt zu kommen. Es was das Holztor zur Auffahrt. Er hatte es nicht richtig eingehakt. Anstatt nur in Unterhose bei der Kälte rauszulaufen, besann er sich und zog sich seinen Jogginganzug über und blieb stehen.

      Etwas war über den Rasen gehuscht. Sehr schnell und unförmig. Ihn СКАЧАТЬ