Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ und Liam erzählte seinem Freund von dem abenteuerlichen Spaziergang und dem nackten, gefesselten Mann mit dem Gummiball im Mund.

      »Oder? Was meinst du? Vielleicht wollte der das gar nicht und wurde da misshandelt oder Schlimmeres«, nagten die Zweifel in Liam. Tim ließ sich Zeit.

      »Nee. Kann ich mir nicht vorstellen. Mit so ’nem Ball im Mund, Ketten und Leder … nee, glaube ich nicht. Der wollte das bestimmt auch so, aber dann is’ klar. Kann man ja nie wissen, wie weit man da gehen kann. Da haben sich ja auch schon welche gegenseitig zu Tode gefoltert. Ich kann mir vorstellen, dass Lust gepaart mit Schmerz grenzüberschreitend ist, weil es an sich konträre, extreme Gefühle sind. Die in einem situativen Einklang, das ist bestimmt hemmungslos. Und was meinte er? Urlaub? Klar, die nehmen sich dann viel Zeit für ihre Spielchen. Aber weißt du denn wer das ist? War ja wohl bestimmt kein Bauer, oder?«, wollte Tim wissen.

      »Keine Ahnung, wer das ist.«

      »Wie? Du hast dich noch nicht umgehört, wer das ist oder will niemand im Dorf etwas sagen?«, hakte Tim nach.

      »Nein, ich habe niemanden gefragt. Warum auch? Ich will erst mal wissen, ob es so was gibt, weißt du. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher bei der Sache. Wenn die da so ihre Spielchen treiben, dann muss ich mich da auch nicht einmischen. Das geht mich nix an«, verteidigte sich Liam.

      »Ich weiß, was du meinst, Li, aber nur mal so. Jack geht dort in den Kindergarten, Lina wohl auch bald. Dann gehen sie zur Schule und spielen in diesem Dorf auch rum. Alleine deswegen würde ich wissen wollen, wie durchgeknallt der Typ da ist. Ich glaube nicht, dass der da jemanden vergewaltigt hat, aber ich würde allein zu meiner eigenen Sicherheit wissen wollen, ob es auch stimmt, was ich glaube. Weißt du, was ich meine, Li?«

      »Ja.« Liam musste nachdenken.

      »Li? Bist du noch dran?«

      »Ja, Tim. Danke, ich muss jetzt auflegen, ja? Ich komm’ bald mal rum, Jack vermisst euch schon und Lina ist riesig geworden. Bis dann.« Liam legte auf und starrte nach draußen. Er würde sich umhören müssen. Vielleicht sollte er den Hof von der Straße aus aufsuchen. Er erinnerte sich an den gefesselten Mann und erschrak. Der Nachbarskater war auf den Fenstersims gesprungen und starrte ihn mit großen Augen an. Im Maul hatte er Fell und Fleisch. Er legte seine Beute auf den Fenstersims und verzehrte sie. Liam beobachtete ihn.

      Am nächsten Tag fing er seinen Nachbarn ab. Markus war der älteste Sohn des Bürgermeisters und wohnte mit seiner Freundin Melanie neben ihm. Er war Zimmermann und viel unterwegs. Liam griff sich den Müllsack und ging raus, als er Markus’ Bus die Auffahrt hinauffahren sah.

      »Hallo Markus«, grüßte er. Markus nickte nur kurz. Mit dem Müllsack in der Hand ging Liam auf ihn zu.

      »Sag mal, ich hab’ vorgestern ein wenig die Gegend erkundet und bin an der alten Holzbrücke, dort wo der Weg dann auch endet, diese Wiese da weitergegangen.« Liam fuchtelte unbeholfen mit der freien Hand herum. Markus nickte.

      »Dahinter kommt dann irgendwann ein Haus. Nach der Wiese meine ich. Kann man da eigentlich lang gehen?«, fragte Liam.

      »Das ist der alte Hof vom König. Aber der ist schon tot. Ein paar Jahre wohl schon. Da wohnen sonst noch die alten Schröters im Moor, aber das war es dann auch schon.«

      Liam nickte.

      »Danke. Dann kann man da ja hin, wenn da niemand mehr lebt.« Liam log und fühlte sich unwohl. Warum hatte er nicht direkt gefragt? Er wollte umdrehen.

      »Nein, warte, da ist doch einer eingezogen. Der hat das sogar gekauft. Ein Anwalt, glaube ich, oder ein Arzt. Dirk meinte letztens, dass er da zwei Schäferhunde gesehen hatte, also würde ich da eher aufpassen, wenn du mit deinen Lütten da unterwegs bist. Ein Weg führte dort früher mal hin, als der König noch Vieh hatte. Als er alt wurde und seine Kinder in die Stadt zogen, da kümmerte sich niemand mehr um den Weg.« Markus nickte zur Bestätigung, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Liam nickte auch, brachte den Müll weg und legte sich wieder auf sein Sofa.

      Am nächsten Vormittag kaufte er sich eine warme Skijacke. Später fuhr er mit dem Rad den Wanderweg bis zur Wanderkarte und zeichnete sie ab. Mittags telefonierte er mit Sandra. Jack hatte sich erkältet, Lina ging es soweit gut, Sandra würde übermorgen raus kommen. Liam registrierte, dass er abgelenkt war. Er vergaß dadurch die bedrückende Stille. Allerdings kam er dadurch nicht zum Arbeiten und einen Auftrag schob er Deadline um Deadline auf. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Auftrag platzte. Letztlich gingen ihm der nackte, gefesselte Mann und das Verhalten des anderen nicht aus dem Kopf. Er hatte das Gefühl, der andere Mann hatte etwas zu verbergen gehabt. Da aber sein Gefühl nur auf Sand gebaut war, konnte er nichts Konkretes unternehmen. Die Polizei einschalten? Lächerlich. Über das Internet herausfinden, wer der Käufer des alten Könighofes war, um dann zu recherchieren? Das hatte er halbherzig unternommen. Allerdings ohne Ergebnis aus Bequemlichkeit wieder eingestellt.

      Heute Nachmittag wollte er sich dem Gehöft von der Straßenseite aus nähern. Bis dahin wartete er in der Stille.

      Er stieg ins Auto und fuhr den gesperrten Naturwanderweg durch das Moor über die Steinbrücke und bog dann nicht auf den Feldweg zur B432 ab, sondern nach rechts Richtung Wilstedt. Das konnte er der Karte entnehmen, aber er konnte es nicht mit seinem Orientierungssinn in Einklang bringen. Dort sollte Wilstedt liegen? Nach einigen hundert Metern erreichte er eine kleine Einbuchtung und parkte seinen Wagen. Es war kalt und feucht. Der Geruch von Schnee lag in der Luft, aber auf den Bäumen war das Eis weggetaut und diese Art von Kälte kroch ihm schnell in die Glieder. Er sah auf dem Handy nach der Uhrzeit und stellte fest, dass es in einer Stunde dunkel werden würde. Er überlegte, ob er eine Taschenlampe mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen.

      Er ging die asphaltierte Straße Richtung Wilstedt. Links und rechts der Straße standen gestutzte Weiden, deren Triebe an den Einschnitten gerade nach oben sprossen. Blattlos sahen einige von ihnen aus wie belebte, grimmige Wächter, die die Felder hinter sich verteidigen mussten. Acker, Knick, Acker, Knick, reihte es sich in jede Richtung des Horizonts auf. An der westlichen Seite des Moores war er an drei Häusern vorbei gekommen und er fragte sich, wie die Menschen mitten im Nichts leben würden. Hatten sie Kinder? Erzählten sie ihnen Gute-Nacht-Geschichten von Moorgeistern und Irrlichtern?

      Würde er ins Auto steigen und zurückfahren, würde er auf eine große Straße kommen, die direkt nach Hamburg führte. Und keine dreißig Kilometer Luftlinie von Hamburg entfernt, fühlte er sich mehrere Jahrzehnte zurückversetzt.

      Die Straße beschrieb einen rechten Winkel und dahinter sah er den alten Königshof auf der rechten Seite der Straße und ein ebenfalls rotgeklinkertes Einfamilienhaus auf der gegenüberliegenden Seite. Das musste das Haus der Schröters sein. Den Königshof konnte er nicht gut erkennen, da vor dem Wohnhaus auf einer Wiese verwilderte Apfel- und Birnenbäume standen, die ihm die Sicht nahmen. Die Schröters hatten eine Vorliebe für weiße Gardinen vor den Fenstern. Der Garten war spärlich bewachsen und akkurat gepflegt. Kein Laub lag auf dem Rasenstück und kein Unkraut verunzierte die beiden braunen Mutterbodenstreifen, die den Steinweg bis zur Tür flankierten. Ein paar Schritte später konnte er auf die Hofeinfahrt des Königshofes sehen.

      Er blieb stehen, reckte und dehnte sich so, wie er sich typische Spaziergänger sich reckend und dehnend vorstellte. Der dunkelblaue Volvo stand auf dem Hof. Kein Pan und kein Apollon. Und auch kein Stöhnen. Der Garten und die Wirtschaftsgebäude neben dem Kuhstall waren verwildert. Der Hof war vor dem Wohngebäude bepflastert, aber durch einige Steine hatte sich das Unkraut durchgekämpft und die Steine herausgehoben.

      Liam war unschlüssig. Was genau wollte er hier? Oder was erwartete er, hier anzutreffen? Er dehnte sich ein letztes СКАЧАТЬ