Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ großes Stück Fleisch mit den Zähnen heraus. Schlang es herunter und biss erneut in den Arm.

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      Ich denke, an diesem Punkt habe ich die Kontrolle verloren und wandelte bis zur Abarbeitung meines Klientels auf gefährlichen Pfaden. Ich nahm zu viel mit und konnte gar nicht alles verarbeiten, geschweige denn kühlen.

      Kurz vor Weihnachten beschwerte sich meine Vermieterin wegen des unangenehmen Geruchs bei mir. Ich konnte sie leider nicht hinein bitten, da sich allerlei Leichenteile in der Wohnung in eilig gekauften, bunten Plastikwannen von Real stapelten und vor sich hin verwesten. Über Weihnachten erledigte ich einen Großteil der Schreibarbeit, fuhr meinen Drogenkonsum gegen Null runter und entsorgte alles Verräterische. Zwischen den Feiertagen suchte ich nach einer Immobilie auf dem Land. Im nordöstlichen Umland Hamburgs wurde ich in Wilstedt fündig. Ein ehemaliger Wirtschaftshof, der nur über einen Landwirtschaftsweg zu erreichen war. Keine direkten Nachbarn, ein großer Garten, viele Arbeitsgebäude. Im März zog ich ein.

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      Das Eis vibriert. Der Kopf des Mannes wird wie eine Traube zerdrückt. Gehirnmasse, Knochenstücke, Blut und dunkelblaues Muskelfleisch verschmieren die gläserne Fläche. Stille. Großer Druck. Überall reißen die gequetschten Körper auf und ergießen sich unterhalb des Eises, wie zerplatzte Daunenfederkissen. Ich blute.

      Woher? Keine Ahnung. Blut quillt aus mir. Ich schmecke es. Das Eis surrt. Kronos, schreie ich. Ein Geräusch. Es erinnert mich an meine Kindheit. Ein Schlittschuhfahrer fährt über einen See und das Eis flirrt. Die riesige Wasserfläche trägt den Ton und multipliziert ihn. Es splittert.

      Ich wache auf und fahre den Rechner hoch. Ich suche nach Hunden. Manchmal komme ich mir in der Einsamkeit nicht so sicher vor. Crab, mein Suchprogramm empfiehlt zwei junge Schäferhunde aus dem Tierheim Neumünster.

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      Januar. Thanatos und ich hatten beschlossen, uns einmal bei mir zu treffen. Wir hatten keinen Termin vereinbart. Pan und Apollon, so habe ich die beiden Schäferhunde genannt, waren zu echten Gefährten geworden. Sie bewachten Haus und Hof, während ich weg war und gaben mir Sicherheit, wenn ich im Arbeitsschuppen sang und tanzte. Mittlerweile konnte ich gut größere Mengen auf einmal verarbeiten, nur es ergab sich nichts. Ich betrieb viel Sport und hatte mit meinen zweiundvierzig Jahren das Gefühl, unsterblich zu sein. Ich hatte Kraft und Ausdauer wie ein Leistungssportler. Der Dickdarm war manchmal etwas gereizt, aber nun, was soll’s: Stellen Sie sich mal nicht so an, Herr Dickdarm! Sie müssen mal das große Ganze betrachten, Sie Wurst!

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      März. Er kam aus Berlin. Wollte Freunde in Hamburg besuchen. An einer Autobahnraststätte fährt der Arsch, der ihn mitgenommen hat, mit seinen Sachen weg und da steht er ohne Karte, ohne Kohle. Trampt weiter, aber niemand hält an.

      Dann kommen drei Typen, sehen normal aus und bieten ihm an, ihn zu einer besseren Raststätte zu fahren. Er sieht ein wenig Links aus, aber noch ganz ordentlich dabei. Die Typen sind Rechts, sehen aber völlig normal aus. Fahren von der Autobahn runter, machen ihm Angst. Einer hatte eine Pistole, sagte er. Fahren über verlassene Dörfer auf eine Waldraststätte. Spielen Hinrichtung mit ihm. Erniedrigen ihn. Quälen ihn. Auf einer Holzbank brechen sie ihm beide Arme. Verschwinden. Hat er sich von ihnen etwas merken können? Gar nichts, sie haben ihn gebrochen. Soll häufig bei Opfern von Gewalttaten vorkommen, hatte mir mal ein Polizeipsychologe erklärt.

      Ich konnte nicht schlafen und bin mit Pan und Apollon herumgefahren. Finde ihn. Helfe ihm ins Auto und bringe ihn zu mir ins Haus. Versorge ihn. Er schläft. Ich nicht. Kann ich nicht. Ich wandere umher, spüre die Nachtluft auf meiner Haut. Es hilft nichts. Ich betäube ihn und bringe ihn in den Arbeitsschuppen. Pan und Apollon denken die ganze Zeit, ich wolle mit ihnen spielen. Ich fixiere ihn Fünf-Punkt mit allem, was ich so zum Fixieren verwenden kann. Spiele mit ihm. Als er wach wird, redet er mit mir. Ich kann das nicht und betäube ihn. Morgen muss ich arbeiten, die Zeit drängt. In der Nacht wacht er wieder auf und wimmert. Er ist jung und kann nicht verstehen, dass sein Wimmern alles nur noch schlimmer macht.

      Kronos. Ich weiß nicht. Das ist etwas anderes. Ich bin verwirrt.

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      Besuch. René hatte sich befreien können und auf den Pfaden des Zufalls wandelte Besuch zu mir. Ein Fremder aus dem Dorf. Ich konnte ihn überzeugen.

      René und ich gucken uns die klaffende Wunde in seinem Arm an. Wir können es beide nicht wirklich glauben, aber er versteht mich, auch wenn er wild an seiner Fixierung reißt. Mit seinen Augen zwinkert er mir zu, dass er versteht, dass ich das machen muss. Ich weiß, dass er schreit, weil es ihm wehtut, aber ich verzeihe ihm. Ich würde wahrscheinlich auch nicht anders handeln. Sein Blick ist voller Liebe und Verständnis. Er bietet mir seine rechte Körperhälfte an und unter seinem Rippenbogen beiße ich zu.

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      Risse durchziehen das Eis und anstatt, das alles durch den Druck in einer Fontäne nach oben schießt, sinke ich knöcheltief ein, dann habe ich festen Halt unter den Füßen. Ich erwarte einen Ton, aber es bleibt still. Kein Schrei, kein Stöhnen. Aus der blutigen Masse tasten sich Hände nach oben, Arme, ganze Schultern mit Köpfen darauf. Ich spüre eine Welle von zerstörenden Empfindungen an mir zerren. Hass. Ein Urinstinkt stärker als Angst. Die Gequälten wollen zu mir. Sie wollen mich. Kronos, ihren Gott.

      Ich wache auf. Pan und Apollon schlafen, aber ich habe die Angst aus meinem Traum mit herüber genommen. Als ich die Augen aufschlage, huscht etwas im Mondlicht vom Brunnen bis zur kleinen Koniferensiedlung. Huscht? Nein, es schwankt eher. Es glänzt, als ob es nass war. Dass Pan und Apollon schliefen, ließ mich an meiner Wahrnehmung zweifeln. Ich schreibe auf, was ich erlebt habe.

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      Wieder ein Geräusch. Ein schlichtes. Ein Tischtennisball landet auf einer Steintischtennisplatte. Dann nichts. Es war nicht viel für Materie oder sagen wir das erste Leben, was in diese Dimension eintrat. Es war schlicht und es war klumpig. Der Schrei war Fleisch geworden und in sich trug er all die Ängste, Sorgen, Schmerzen, den Hass, die Ohnmacht, die vergossenen Tränen, das vergossene Blut von all den Erschossenen, Zerbombten, Vergifteten, Erstickten, Erstochenen, Vergasten, Erschlagenen, Ertrunkenen, Verbrannten, Erhängten, Überfahrenen, Verhungerten, Verdursteten und wie auch immer aus dem Leben Gerissenen.

      Was sollte es fühlen, außer einem gierigen Appetit auf den oder die Erschaffer seines Zustands?

       Tim, der Nachbar und Hübi

      Einen Abend später rief Liam Tim an. Zum einen musste er ihm erzählen, dass es mit Sandra nicht stimmig war, zum anderen brauchte er seinen Rat. Sandra und er hatten sich darauf verständigt, es irgendwann später miteinander versuchen zu wollen. Nicht nur wegen der Kinder, sondern weil sie sich liebten. Jetzt wollten sie getrennt leben. Sandra ging es damit tatsächlich besser, ihm dafür deutlich schlechter. Sandra zog in Hamburg bei Maui, ihrer Freundin, ein und er kam nicht mit dieser unerträglichen Stille in seinem Leben klar.

      Der Fernseher warf stumm Bilder in das große Wohnzimmer, Jack schlief oben und Liam lag mit dem Telefon auf seinem Lieblingssofa und sah nach draußen. Draußen war es stockduster und klirrend kalt. Tim war da und bekifft. Liam vermutete, СКАЧАТЬ