Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ was da lang huschte. Er kam sich bei der hellen Wohnzimmerbeleuchtung beobachtet vor. Mit angehaltenem Atem tastete er, den Rasen beobachtend, nach dem Lichtschalter. Es wurde dunkel. Ein Schatten sprang an die Wohnzimmerscheibe und Liam schrie auf. Es war der Mistkater der Nachbarn. In seinem Maul hielt er den abgetrennten Stumpf einer blutigen Hand, die an der Fensterscheibe Blut verschmierte.

      Liam schrie auf …

      Und nahm ein gelegentliches Poltern wahr. Draußen stürmte es, hörte er durch das geöffnete Fenster. Auch seinen Herzschlag konnte er in seinem Kopf hören. Bevor er das verdammte Holztor schließen wollte, ging er ins Bad und spritze sich kaltes Wasser ins Gesicht, um sicher zu stellen, dass er nicht wieder träumte. Die restliche Nacht verbrachte er unruhig.

       Hund auf zwei Beinen und Frau Schäfer, die Vogelfrau

      Seit zwei Stunden saß er vor seinem Bildschirm, der dritte Kaffee des Tages stand dampfend vor ihm und er war so wenig produktiv, wie schon lange nicht mehr. Seit zwei Stunden sprang ihn das in Arial auf Schriftgröße 14 und fett geschriebene Wort »Ideen« auf einem leeren Word-Dokument an. Was war bloß los mit ihm? Sicher, er hatte schlecht geträumt und kaum geschlafen, aber das war kein Grund für eine Arbeitsverweigerung. Um in Fahrt zu kommen, steuerte er eine CD von System of a Down an, drehte lauter und starrte aus dem Fenster.

      Heute Abend würde Sandra kommen und ihm Jack für drei Tage da lassen. Sandra musste beruflich nach Köln und Lina würde bei ihren Eltern bleiben. Warum eigentlich? Er hätte sich gegen ihren Vorschlag wehren können. Wenn sie so weiter lebten, würde er wenig von Lina mitbekommen. Er schaute sich ihr Familienfoto auf seinem Schreibtisch an. So hatte Lina vor drei Monaten ausgesehen. Mittlerweile hatte sie sich bestimmt weiter entwickelt, und er nahm nicht daran teil. Auf Jack freute er sich. Traute er sich Lina zu? Sie allein über eine Distanz schon, aber beide über drei Tage? Nein, dennoch fühlte er sich übergangen. Sandra entschied und er fügte sich.

      Durch den dritten Kaffee am späten Vormittag und seine aufkeimende Wut, konnte er nicht arbeiten. Er verbat sich weiteren Kaffee und ging spazieren. Die Landschaft hier mochte er sehr und vielleicht bekam er den Kopf frei. Mit seinen neuen Trekkingschuhen fühlte er sich wohl. Ohnehin glaubte er, durch die beiden bisherigen Spaziergänge an ein verbessertes Körpergefühl. Kaum, dass er darüber nachdachte, musste er lachen. So ein Schwachsinn. Vor dem letzten Haus auf der rechten Seite nahm er bewusst wahr, dass der Tag weder regnerisch, neblig oder bitterkalt war. Die Luft war frisch, der blaue Himmel wies einige weiße Wolken auf, und die Sonne sorgte für ein optimistisches Licht. Auf der Straße kam ihm ein älteres Ehepaar entgegen und grüßte freundlich. Liam behielt die Pelzmütze mit Ohrenwärmern des Mannes in Erinnerung und meinte, sie häufiger in Filmen aus den 80ern gesehen zu haben. Auf dem letzten bebauten Grundstück auf der rechten Seite arbeitete ein Mann in seinem Garten und grüßte Liam. Liam konnte den Esel sehen, der einen zufriedenen Eindruck auf ihn machte, ebenso einen Bernhardiner, der hinter dem verschlossenen Gartentor hechelte. Hatte er anfangs von der Lage des Grundstücks geschwärmt, etwas außerhalb aber noch mit Anschluss an das Dorf, wäre es ihm bei all den bisherigen Ereignissen zu unheimlich gewesen.

      Sofort hatte er die blutige Hand vor Augen, die sich mehr und mehr in seinen Gedanken zu einer Katze formte. Es tauchten die Fragen auf, die er sich seither stellte. Was hatte Hübi dort zu suchen? Woher wusste er, dass der Mann als Gerichtsmediziner arbeitete? Wie bekam er Antworten, ohne mit Hübi reden zu müssen? An der Gabelung entschied er sich für den Weg zur Steinbrücke. Bisher war er nur mit dem Auto dorthin gefahren, dann wieder umgedreht, da der Weg ab da nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben war und ins Moor führte.

      Der Weg führte ihn an mehreren winterlichen Feldern vorbei, aus der Ferne hörte er das gelegentliche Aufheulen einer Motorsäge. Durch die Nähe des Moores erklärte er sich die vielen Tümpel, die vermehrt an den Knickkreuzungen lagen. Dunkel schimmerte das Wasser durch die blattlosen Äste und Sträucher. Auf einer längeren Geraden standen zahlreiche dicke Weidenstümpfe, aus denen Triebe meterhoch in die Höhe sprossen. In den Astlöchern und den morschen Baumstammhöhlen konnte er Dinge für Jack verstecken, wenn sie den Weg gemeinsam erkunden würden.

      Eine Joggerin kam ihm entgegen. Ihr Laufstil und ihre zu erahnende Figur machten ihn neugierig. Freundlich aufgeschlossen suchte er ihren Blick, um sie zu grüßen. Er schätzte sie auf Mitte Vierzig. Nicht sein Alter, aber sie war attraktiv. Er stellte sich Sex mit ihr im Freien vor und litt deswegen unter seinem Gewissen. Den nächsten Kilometer bis zu einem Fichtenwald auf der linken Seite verbrachte er damit, gegen eine Erektion und eine Wiederholung der Vorstellung vor seinem geistigen Auge zu kämpfen. Liam wurde wütend, denn er hatte den Weg nach draußen gesucht, um den Kopf frei zu bekommen, stattdessen erwischte ihn ein neues Thema mit aller Heftigkeit. Oder aber ein altes Thema, das erst alles verursacht hatte. Seit mindestens einem Monat waren sie nicht mehr zärtlich zueinander gewesen und vorher, so hatten Sandra und er einmal festgestellt, hatten sie durchschnittlich dreimal Sex in der Woche. Er verdrängte den Gedanken.

      Er bewunderte die Urtümlichkeit. Große Fichten mit dicken Stämmen bildeten den Wald. Etliche mittelgroße Bäume verrotteten am Boden oder waren umgeknickt und wurden durch ihre Nachbarn gestützt. Direkt am Weg stand ein Wildfutterhäuschen, in dem angenagte Maiskolben und Möhrenstumpen lagen. Auf der anderen Seite des Weges genoss er einen phantastischen Ausblick auf die Wiesen im Alstertal und dahinterliegend begrüßte ihn ein entlaubter, stark verästelter Wald. Dort begann das Moor. Eine Sitzbank lud zum Verweilen ein und zahlreiche Zigarettenstummel zeugten von Besuch. Zielsicher sah Liam eine aufgerissene Kondomverpackung vor dem Mülleimer. Er lächelte. Am Boden festgefroren und im Sommer oder im warmen Herbst zum Einsatz gekommen und kaum, dass er daran dachte, wallte das Verlangen in ihm auf. Er seufzte entnervt und setzte seinen Weg zur Steinbrücke, die man von hier aus schon sehen konnte, fort.

      Ein älteres Paar fuhr auf Fahrrädern an ihm vorbei, man grüßte sich. An der Steinbrücke lehnte Liam sich auf das Geländer und erfreute sich an dem uneingeschränkten Blick über die Alsterebene, das Moor und die kleinen Waldflecken hier und da. Weit am Horizont, flussaufwärts, musste eine Straße oder ein Weg entlangführen, denn ein Auto kreuzte dort seinen Blick. Er grinste. Die Rehherde, bestehend aus fünf Tieren, stand quasi vor seiner Nase auf einer Wiese. Er war ein Stadtmensch, sein Blick noch nicht geschult. Er beobachtete die Rehe, ein allein am Himmel in der Luft stehender Vogel zerteilte die nicht unangenehme Stille mit einem Schrei. Liam atmete tief durch.

      Auch, wenn sein erster Spaziergang intensiver, im Geiste eines Pioniers spannender war, entspannte er sich, als einer von anderen vormittäglichen Spaziergängern. Er hatte einen Job, in dem er sich leisten konnte, hier zu sein (ein unangenehmes Druckgefühl breitete sich in seiner Magengegend aus und er verdrängte den Gedanken schnell) und alle anderen, denen er begegnete, befanden sich in einer ähnlichen Situation. Wahrscheinlich trank das Spaziergängerpaar zu Hause einen Tee und die Joggerin duschte. Er seufzte und unterwarf sich dem Verlangen, indem er sich einfach hinzu vorstellte und sie von hinten nahm. Den Wind und seine Vorstellungen genießend, irritierte ihn etwas, was er in der Ferne sah. Ein Geländer ragte dort kaum sichtbar aus dem welken hochstehenden Gras hervor. Flussaufwärts befand sich eine weitere Brücke. Die Brücke, von der er in den Fluss gepinkelt hatte. Es könnte sein. Wenn dem so war, musste auch das Haus, wo er den Mann mit dem Gummiball im Mund getroffen hatte, zu sehen sein. Er suchte den Horizont ab.

      »Wo bist du?«, flüsterte er. Jemand sprang ihn von hinten an, etwas legte sich auf seine Schultern. Zwei Hände, aber es passte nicht. Bevor er reagieren konnte, hörte er ein Hecheln. Er drehte den Kopf und wähnte sich im heißen Atem eines großen Hundes, der sich an ihn lehnte. Die Zunge hing heraus, seine dunklen Augen blickten Liam erwartungsvoll an und der Atem roch nach verdautem Pansen. Das Tier kam ihm bekannt vor. Liam wurde angesichts der Größe des Tieres schlecht und die Nähe zu seinem Hals bereitete ihm Unbehagen.

      »Verdammt, wer bist du denn?«, fragte Liam beruhigend СКАЧАТЬ