Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ hätte jeder andere ähnlich gehandelt. Zum Glück. Das tut mir Leid und ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.« Er reichte Liam die Hand und lächelte versöhnlich. Liam schlug ein, behielt aber einen fragenden Ausdruck in seinem Blick, den der andere aufnahm.

      »René ist ein alter Freund von mir. Ich bin schwul und sado. René ist schwul und maso. Manchmal gönnen wir uns hier bei mir einen kleinen Urlaub. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie das für sich behalten könnten.« Er hielt weiter Liams Hand und Liam war es, auch wenn er das Gefühl vehement zu unterdrücken suchte, unangenehm. Es fühlte sich befleckt an. Liam zog seine Hand zurück und nickte.

      »Ist in Ordnung. Ich werde dann wieder zurück, bevor es dunkel wird.« Der andere nickte und wartete so lange, bis Liam ihn nicht mehr sehen konnte. Liam stieg über den Zaun und machte sich auf den Rückweg. Kaum hatte ihn der Nebel auf der Wiese verschluckt, hörte er hinter sich Pan und Apollon am Zaun. Der andere wollte auf jeden Fall sichergehen. Würde Liam an gleicher Stelle auch wollen, nur, dass er keinen Freund namens René hatte, der mit rotem Gummiball in seinem Schuppen wartete. Liam musste lachen und trotzdem hatten dieser Tag und das Erlebte eine pathologische Note für ihn. Der Weg zurück war weit weniger abenteuerlich. Als er zurückkam, war es bereits dunkel und Sandra war mit Jack und Lina zu Hause. Er wusste nicht, ob sie sich schon wieder so nah waren, dass er ihr seine Geschichte erzählen konnte.

       Der Gerichtsmediziner und das Böse an sich

      Stell dir vor, all die Erschossenen, Zerbombten, Vergifteten, Erstickten, Erstochenen, Vergasten, Erschlagenen, Ertrunkenen, Verbrannten, Erhängten, Überfahrenen, Verhungerten, Verdursteten und wie auch immer aus dem Leben Gerissenen hätten einen Schrei. Einen einzigen Schrei, um Abschied zu nehmen, einen Schrei der Anklage, einen Schrei, der ihren Tätern in den Ohren klingen soll, damit sie sich ihrer Untat bewusst werden. Sie legten all ihren Schmerz zusammen, ihre Angst, ihr vergossenes Blut, ihre Tränen, ihre Wut, ihren Hass, ihre Ohnmacht, all das legten sie in diesen einen Schrei.

      Ein stummer Schrei, denn Tote haben keine Stimme mehr. Ein Schrei, der bei den Tätern verklingt, ein Schrei, der sich auf für uns nicht wahrnehmbaren Frequenzen auf die Reise macht. Wellenförmig, immer neue Impulse, neue Schreie aufnehmend, setzte sich der eine Schrei fort.

      Stell dir vor, dieser Schrei erzeugte Materie. Wie würde sie aussehen? Wie würde der Schrei von gefoltertem, verbranntem, ertrunkenem, erschlagenem, erhängtem, erschossenem, vergastem, überfahrenem, verhungertem und wie auch immer aus dem Leben gerissenem Fleisch wohl aussehen? Wie sieht Schmerz, Wut, Hass, Trauer und unzählige Ohnmacht aus? Wenn sie ausbricht? Stell dir das mal vor …

      Kann ich den spielen, oder muss ich den abknallen? – Enrico

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      Ich habe mich schon in jungen Jahren für Knochen interessiert. Für Knochen und Fleisch, beides lässt sich bekanntlich nicht so einfach voneinander lösen. Als ich sieben Jahre alt war, sind wir an einem smogfreien Tag in einen Wald gefahren und ich fand eine Kröte, die am Wegrand verharrte. Da sie nicht weghüpfte, nahm ich sie in die Hand und sie brach auf. Sie war tot. Leichenbesiedler hatten sie schon ausgehöhlt und tropften von dem Krötenkadaver zu Boden, auf meine Schuhe und in meine Hand. Ich kann nicht sagen, dass ich das schön fand, vielmehr bekam ich dadurch Albträume und machte mir kindliche Gedanken über das Leben und den Tod. Der Präventivpsychologe an unserer Grundschule sah für meine Entwicklung aber keine Gefahr. Meine Eltern sorgten durch ihre Berufe und ihren Bildungsgrad für einen niedrigen Aggressionsscoringwert für mich, sodass meine Neigung für das Knochensammeln für frühkindlich paläontologisches Interesse gehalten wurde.

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      Mit zehn Jahren kam ich auf eine Eliteschule mit dem Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichen Fächer. Meinen ersten Sex hatte ich ziemlich spät, so mit vierzehn Jahren. Mit fünfzehn Jahren ließ ich mir das Schulterblatt eines Hasen mit Blattgold überziehen und trug es als Glückbringer mit mir. Ich habe es immer noch, es dient jetzt als Lichtschalter für das Gäste-WC. Ungefähr zu dieser Zeit kochte ich in meiner Internatswohnung auch die ersten Knochen aus. Ich fing mit Katzen an, denn die waren einfach zu besorgen. Die Schule lag im Nordosten Hamburgs in Alsternähe. In den Grünanlagen konnte ich in den dunklen Abendstunden unauffällig Katzen anlocken und schnell töten. Darauf kam es an, denn eine gequälte Katze konnte so laut und vor allem menschlich schreien, dass es unnötige Aufmerksamkeit erregt hätte. Diese Aktionen plante ich so, dass es sicher war, dass weder Jonas, mein Mitbewohner, noch Nura, mit der ich zu der Zeit zusammen war, anwesend waren. Ich hatte mir einen großen Topf aus einem Geschäft für Gastronomiebedarf zugelegt. In diesen passte wunderbar eine ausgewachsene Katze hinein. Nach den ersten zwei Fehlversuchen informierte ich mich über das Internet und häutete die nächsten Versuchstiere. Eine einfache Katze benötigte so in etwa zweieinhalb bis drei Stunden Kochzeit, ehe sich die Knochen gänzlich und ohne Rückstände von den Muskelfasern lösen ließen.

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      In einem Blog, der sich mit dem Auskochen von Knochen beschäftigte, lernte ich Thanatos kennen, einen jungen Juristen aus München, der vorgab, ein menschliches Schlüsselbein ausgekocht zu haben. Ich freundete mich mit ihm an. Sein fachliches Steckenpferd war die freie Durchführung von Selbstverstümmelungen, die bislang noch unter Strafe stand. Außerdem hatten wir beide ähnliche sexuelle Neigungen, die ich mit Nura nicht besprechen wollte.

      Mit Siebzehn schloss ich mein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1,3 ab und bekam gleich mehrere Firmenangebote. Ich entschied mich jedoch für ein Förderstudium und schrieb mich für Medizin ein.

      Während meines ersten gemeinsamen Urlaubs mit Nura an der norwegischen Nordseeküste, fanden wir einen gestrandeten Walkadaver. Er roch unangenehm streng und elektrisierte mich, denn die Gelegenheit, einen Walknochen auszukochen, erschien mir für mein Leben einzigartig. Als ich mich anstrengte, um zumindest die Fluke, die große Schwanzflosse, zu bergen, verließ mich Nura noch am selben Abend. Insgesamt war es ein riskantes Unterfangen. Gefährliche Springfluten waren an dem Küstenabschnitt keine Seltenheit und ich war auf mich allein gestellt. Den Nachfragen meiner Eltern zu den hohen Reisekosten, der hohen Nebenkosten- und Reinigungsrechnung konnte ich durch eine Lüge entkommen. Nach der Trennung von Nura ginge es mir nicht so gut, entgegnete ich ihnen und das konnten sie verstehen, ermahnten mich aber, mein Studium ernst zu nehmen.

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      Oh, Studium, was hast du aus mir gemacht! Tief durchwatete ich ein Meer aus den Kardinalsäften, gab mich allerlei Drogen hin, lernte Aleida kennen, die ich nicht liebte (sie mich auch nicht) mit der ich aber all das (na ja, das meiste) ausleben konnte, was meine männlichen Sexphantastereien so vorgaben. Dennoch litten meine Leistungen nicht darunter und die Professoren erkannten schnell meine handwerkliche Begabung, meine analytischen Fähigkeiten und meine emotionale Kühle (»Sie haben die Betriebstemperatur einer Kühlkammer, also wird es Ihnen da auch gefallen«, verabschiedete sich Professor Speckmann von mir, als ich in die Gerichtsmedizin wechselte).

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      Ein Jahr später kochte ich mein erstes menschliches Schulterblatt aus. Mittlerweile hatte ich meine eigene Wohnung in Hamburg Uhlenhorst. Ein Junkiemädchen hatte sich tot gefixt und niemand wusste, wo sie herkam. Anonyme Bestattung – keine Nachfragen. Ich präparierte ihren Körper möglichst ansehnlich und half den beiden Bestattern persönlich, die Leiche zu übergeben. Ihren kompletten Arm mit Schulter transportierte ich in meiner großen Sporttasche nach Hause. Ein paar Fehler im Abschlussbericht und Unachtsamkeiten im Übergabeprotokoll hätten mir bei aufkommenden Nachfragen СКАЧАТЬ