Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ dass es hinter der Wiese weitergehen musste. Er holte sein Handy raus. Eindreiviertel Stunden. Er steckte das Handy wieder ein und sein Blick schweifte zur Brücke und den Weg zurück. Er drehte langsam den Kopf und musterte den Nebel auf der Wiese vor ihm. Unentschlossen ging er einen Schritt vor und entschied sich währenddessen, die Wiese zu erkunden. Glücklich war er mit seiner Entscheidung nicht, denn sein Hungergefühl meldete sich erneut. Aber er wollte nicht das stereotype Bild des verweichlichten Städters erfüllen und bei dem ersten Hungergefühl wieder umkehren. Hier galt es, eine Mission zu erfüllen.

      Also ging er weiter auf das Feld. Allerdings wurde er nach nur wenigen Minuten unsicher. Der Nebel war hier so dicht und es gab keine Orientierungspunkte, dass er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wo er hinging. Oder ob er überhaupt geradeaus ging. Sicher, es war beruhigend, dass er in dieser Gegend nichts von kilometerweiten Moorlandschaften wusste und er glaubte auch, irgendwann auf einen Weg oder ein Gehöft zu stoßen, aber diese völlige Orientierungslosigkeit begann an seinen Nerven zu zerren. Wie die Stille an seinen Nerven zerrte.

      Er konnte innehalten und sich einmal im Kreis umschauen, alles sah gleich aus. Zum Glück hinterließ er tiefe Fußspuren, die sich sofort mit Wasser füllten, sodass er zumindest immer zurück finden würde. Er ging weiter und verursachte mit jedem Schritt ein tiefes Schmatzen. Den Blick geradeaus gerichtet, konzentrierte er sich auf Veränderungen im Nebel. Seiner eigenen Atmung unter der Kapuze lauschend, verfiel er dem monotonen Rhythmus und wurde innerlich leer und erreichte einen meditativen Zustand.

      Er dämmerte erst wieder hervor, als ein störendes Geräusch an sein Bewusstsein trat. Ein Stöhnen? Er blieb stehen und nahm die Kapuze vom Kopf. Lauschte. Nichts. Sogar seine Atmung hatte ausgesetzt. Doch. Da war es wieder. Er überlegte, welche Tiere so stöhnen konnten, aber es fiel ihm keines ein. Er erinnerte sich an den in den Abendstunden blökenden Esel. Er hatte gedacht, hier wären in dem Moor Wölfe oder Bären ausgesetzt worden. Das Tier hatte so absonderlich geschrien, dass es ihn und Sandra gruselte und Jack wissen wollte, weshalb sie so angespannt hinaus gehorcht hatten.

      Das hier war nicht der Esel, denn es stöhnte verhaltener und leiser. Schon wieder. Vor ihm. Durch den Nebel konnte er die Entfernung nicht abschätzen. Seine innere Angst ließ ihn vermuten, dass er der Quelle sehr nah stand. Er versuchte, zu schleichen. Er konnte im Nebel Bäume erkennen. Keinen Knick, sondern einen kleinen Wald aus großgewachsenen, kahlen Laubbäumen. Dahinter standen kleinere Schatten, Koniferen. Und dahinter sah er die Umrisse eines Gebäudes. Zwischen ihm und dem Wald stand ein alter Stacheldrahtzaun. Der Draht und die Pfosten sahen verwittert aus und er fragte sich, was er hier eigentlich betrieb. Wahrscheinlich stand er an einem Gehöft, ein Tier bekam ein Junges und er machte aus einem Spaziergang ein Adventure.

      Wieder das Geräusch. Er blieb am Zaun stehen und analysierte es. Hin- und hergerissen trat er von einem Bein auf das andere und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Das war kein Tier. Was dann? Leider wusste er mit diesem Ergebnis auch nicht weiter umzugehen. Sollte er das Hofgelände betreten? Vielleicht trieben sie es hier irgendwo und was würde er davon halten, wenn ein Verwirrter in seinem Garten stehen würde, wenn er gerade mit Sandra dabei war. Aber weder er noch Sandra, noch irgendwer, den er kannte, stöhnten so gequält. Und laut.

      Zweifelnd drückte er den ersten Stacheldraht runter und schwang sich darüber. Er schlich durch den Wald, in dem nicht nur Dornenranken an seinen Füßen und Schienbeinen zogen, sondern er auch drauf achten musste, keinen Abfall geräuschvoll zu zertreten. Hier wurden sanitäre Einrichtungen und sonstiger Bauschutt entsorgt. Der Nebel wurde lichter und er konnte erkennen, dass es tatsächlich ein Gehöft war. Links stand das rotgeklinkerte Wohngebäude, vor ihm der Hof, dahinter und rechts von ihm die Bewirtschaftungsgebäude. Aber es roch nicht nach Vieh. Als er mit Jack bei Bauer Schümann Milch holen war, roch es schon etliche Meter vor dem Bauernhof nach Vieh und Silage. Die Kühe klirrten in ihrem Stall mit den Ketten. Hier war es still und roch nach feuchter Erde.

      Er hatte den Wald durchquert und stand, durch eine Eiche verdeckt, an der Grenze zum Hof. Das grüne Dielentor des Wohnhauses war geschlossen und aus keinem der Fenster konnte er Licht erkennen. Auf dem Hof stand ein Auto. Ein Volvo-Kombi mit Hamburger Kennzeichen. Dunkelblau, wahrscheinlich ein neueres Modell. Das Tor zu den Kuhställen rechts von ihm gegenüber dem Wohnhaus stand offen. Er wartete.

      Nach einiger Zeit in absoluter Stille konnte Liam Musik hören. Nicht, dass die Musik plötzlich einsetzte, vielmehr war sie wohl die ganze Zeit vorhanden gewesen, so leise, dass man sie erst einmal hatte wahrnehmen müssen. Klassik mit hohem Frauengesang. Es kam aus dem Wohngebäude. Aber kein Stöhnen mehr. Ob er sich geirrt hatte? Das konnte er sich nicht vorstellen. Er wartete weiter und seine Geduld wurde belohnt.

      Es stöhnte aus dem Stall. Es klang menschlich.

      »Hallo«, rief Liam und bereute seinen ersten Impuls sofort, als er sich ein liebestolles Bauernpaar vorstellte. Er erhielt umgehend eine gestöhnte Antwort. Ein großer Körper klatschte im Stall auf den Boden. Wieder ein Stöhnen. Angestrengt. Liam meinte, jemand Hilfsbedürftiges wäre in dem Stall und zur Vergewisserung rief er kräftiger, lauter. Erneut stöhnte es und Liam hörte schlurfende Schritte und eine Kette. Eine Tür im gegenüberliegenden Wohnhaus ging auf. Jemand näherte sich von dort. An der Dielentür bewegte sich der Türöffner.

      Aus dem Stall trat ein nackter, gefesselter Mann auf den Hof. Zwei Hunde bellten hinter der Dielentür. Große Hunde. Liam sah sich nach einer Waffe um, ein Knüppel, ein Stock, aber er fand nichts. Der nackte Mann trug Ketten und Lederriemen an seinem Körper und einen roten Ball im Mund. Brauchte er Hilfe? Liam wusste es nicht einzuordnen. Nach seinem Halbwissen über die Sado-Maso-Szene waren das Fetische aus diesem Milieu. Und jemand aus diesem Milieu stöhnte nun mal, wenn er gequält wurde, denn danach war ihm der Wunsch. Allerdings schwankte der nackte Mann und sah sehr mitgenommen aus. Er hatte Liam noch nicht entdeckt. Dafür aber die beiden Schäferhunde, die sich durch die Dielentür drängten und sofort auf ihn zuhielten. Liam hob einen Stein auf und holte aus.

      »Pan! Apollon!«, schnitt eine Stimme scharf durch den Nebel und die beiden Schäferhunde unterbrachen ihre Jagd und setzten sich brav vor ihn. Ohne ihn aus den Augen zu lassen. Aus der Dielentür trat ein gepflegter Mann, der sich Zeit nahm, um sich einen Überblick zu verschaffen. Der nackte, gefesselte Mann stöhnte nun wieder und schwankte weiter. Sah sich hektisch um. Der andere ging auf ihn zu.

      »René! Du bist noch lange nicht fertig! Noch lange nicht!«. Er stellte sich zwischen Liam und den Nackten, umarmte den nackten Mann, küsste ihn in den Nacken und führte ihn ins Wohnhaus.

      »Du frierst ja schon, mein Süßer. Na, dann muss ich dich gleich erst mal wärmen«, säuselte er so laut, dass Liam es hören konnte.

      »Wenn du artig bist!«, setzte er scharf nach. Liam reckte den Hals, um genauer sehen zu können. Wie auf Kommando knurrten die beiden Hunde und standen auf. Liam wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte, dass die beiden Hunde ihn nicht weiter bedrohten. Andererseits war es ihm auch unangenehm, Zeuge dieses Ereignisses auf einem Privatgrundstück zu sein. Der gepflegte Mann kam zurück und stellte sich zwischen Pan und Apollon vor Liam. Liam ließ den Stein sinken.

      »Ich bin dem Weg bis zur Brücke gefolgt und dann hörte er auf. Ich bin dann etwas auf das Feld gegangen und hörte dann das … Stöhnen. Ich dachte, jemand braucht Hilfe«, rechtfertigte Liam seine Anwesenheit und ärgerte sich über den unterwürfigen Ton. Der andere hatte sich zu erklären.

      »Das hier ist Privatgrundstück«, sagte der Mann und kraulte Pan oder Apollon den Kopf. »Da hinten ist ein Zaun«, deutete er mit dem Kopf zur Wiese. Liam wurde wütend.

      »Hören Sie, hier stöhnt ein nackter, gefesselter Mann und ich komme her, weil ich glaubte, dass er Hilfe braucht. Vielleicht erklären Sie mir mal, was genau das Ganze bedeutet.« Liam spannte sich und massierte den Stein in seiner Hand. Pan und Apollon blieb das nicht verborgen, sie waren sprungbereit. СКАЧАТЬ